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2) Streit um die Nutzung der Allmendwiesen

"Thurmhaft" für den Malscher Gemeindediener

 

Die Kapellenbruchwiesen bei Malschenberg (Foto: A. Herrmann)

Die Kapellenbruchwiesen bei Malschenberg (Foto: A. Herrmann)

Tafel am Eingang des Naturschutzgebiets "Hochholz-Kapellenbruch"

Foto: A. Herrmann

"Gehorsamster Bericht" des Untersuchungsbeamten an das Kreisdirectorium Mannheim v. 6. September 1815  über die "Widersetzlichkeiten der Gemeinde Malsch" auf den Allmendwiesen  

(Quelle: Findbuch Generallandesarchiv Karlsruhe 229 Nr. 63887)

Vor einigen Wochen – genau am 13. Mai - jährte es sich zum zweihundertsten Mal, dass sich Malschenberg von der Gemeinde Malsch trennte und damit eine selbstständige Gemeinde wurde. Dass diese Trennung längst überfällig war, ergab sich aus vielen strittigen Vorkommnissen zwischen den beiden Ortsteilen in den der Trennung vorausgegangenen Jahren. Insbesondere steht hierfür als Beispiel das ständige Ärgernis um die Nutzung der Allmendbruchwiesen westlich von Malsch und Malschenberg. Die saftigen Wiesen in der östlich von St.Leon-Rot gelegenen Bruchniederung standen im Eigentum der Gemeinde Malsch, waren wichtige Gras-und Heulieferanten für die Bauern und konnten, wie die Bezeichnung „Allmende“ schon sagt, von allen Einwohnern von Malsch und Malschenberg, soweit sie das Bürgerrecht besaßen, genutzt werden. Die Wiesen umfassten vor 200 Jahren etwa 300 Morgen Land; der Badische Morgen entsprach damals etwa 3.600 qm, so dass der Allmende eine Fläche von ca.108 Hektar zur Verfügung stand. Heute befindet sich auf einem wesentlichen Teil der Wiesen das Natur-und Landschaftsschutzgebiet „Hochholz-Kapellenbruch“, das im Februar 2011 durch das Regierungspräsidium Karlsruhe durch eine entsprechende Schutzgebietsverordnung eingerichtet wurde.

Natur-und Landschaftsschutzgebiete dienen mit ihrem naturnahen Charakter der nachhaltigen Sicherung von gefährdeten Tier-und Pflanzenarten, aber auch der Ruhe und Erholung für den Menschen. Davon allerdings konnte vor 200 Jahren, wenn es um die Nutzung der Malscher Allmendbruchwiesen ging, keine Rede sein. Stets verdächtigte die eine Seite (Malsch) die andere (Malschenberg), dass man bei der Nutzung der Wiesen jeweils vom anderen übervorteilt werde. Der Streit ging so weit, dass die vorgesetzten Behörden, nämlich das Großherzogliche Bezirksamt in Wiesloch, das übergeordnete „Directorium des Neckarkreises“ zu Mannheim (wäre nach heutiger Ämtergliederung das Regierungspräsidium) und schließlich sogar das Badische Innenministerium in Karlsruhe sich mit der Angelegenheit befassen mussten.

Am 17. Juli 1815 kam es auf den Wiesen zu einem besonderen Eklat. Der Amtmann Lang vom Großherzoglichen Bezirksamt Wiesloch war beauftragt, die Versteigerung des „Ohmet“ (zweiter Heuschnitt) auf den Wiesen zu organisieren. Dazu waren die Versteigerungsflächen mit Holzpflöcken (Stickeln) abgesteckt. Die Malscher Bauern wollten indessen das Heu verlosen, während die Malschenberger mit der Versteigerung einverstanden waren. Offener Unmut auf Seiten der Malscher Bauern war die Folge. Die Stickel wurden ausgerissen und der Amtmann aus Wiesloch wurde – so heißt es in der Chronik - „von einem bewaffneten Haufen mit Sensen und Hauen bedrängt, während die Malschenberger nur Rechen zum Heuen mit sich führten“.

Daraufhin beklagte sich das Bezirksamt Wiesloch mit einem „gehorsamsten Bericht an das hochlöbliche Directorium des Neckarkreises zu Mannheim“ vom 20. Juli 1815 wie folgt: „Wir müßen gehorsamst bemerken, daß nicht allein in Malsch eine fortgesetzte Widersetzlichkeit gegen die ergehenden Weisungen zu erwarten ist, wenn dem sich zeigenden Übelstand nicht abgeholfen wird, sondern daß auch zu befürchten sei, die benachbarten Gemeinden würden daran Beispiel nehmen, wenn keine Strafe auf das Vergehen erfolgt. Wir bitten daher, durch militärische Execution (alter Begriff für Eingreifen) der ganzen Gemeinde zu zeigen, daß ihr nicht gestattet sei, sich gegen hohe Anordnungen aufzulehnen.“

Das Directorium des Neckarkreises zu Mannheim sah es bei dieser Sachlage als notwendig, sich beim Ministerium des Innern in Karlsruhe Rat einzuholen. Dieses schrieb am 4. August 1815 zurück: „Der Ort Malschenberg ist im unbestreitbaren Recht, den Genuß der fraglichen Wiesen nach dem bisherigen Besitzstand zu fordern, jedenfalls so lange, bis die Auftheilung der Wiesen amtlich festgestellt ist. Wenn sich die Gemeinde Malsch dieser Anordnung widersetzen sollte, hat das Kreisdirectorium den Unruhestiftern militärische Execution anzudrohen. Letztere aber nur im äußersten Falle und die Ermächtigung dazu wäre hier einzuholen.“

Daraufhin beauftragte das Kreisdirectorium das in der Sache neutrale Großherzogliche Bezirksamt Philippsburg mit der Untersuchung der „am 17.July geschehenen

Malscher Widersetzlichkeiten“. Dieses Amt beorderte den Amtmann Huber nach Malsch, um die Sache zu untersuchen. Zunächst führte dieser am 29. August 1815 auf den Bruchwiesen diejenige Versteigerung durch, welche 6 Wochen zuvor „als sie vom Bezirksamt Wiesloch vorgenommen werden sollte, durch weit greifenden Trotz und Tumult seitens der Malscher Bürger unterbunden wurde.“

Anschließend schreibt der Amtmann aus Philippsburg: „Alle Mitschuldigen im Wege der Spezialuntersuchung hervorzubringen, ist für sich schon schwierig, weil der einzelne Mitschuldige keinen Beweis herstellt und ohnehin dieser den anderen nicht verrät und weil bei einem tumultarischen Auflauf, wie geschehen, die Stimme des Einzelnen schwer zu unterscheiden ist.“

In den folgenden Tagen wollten drei „Bürger und Deputierte“ von Malsch die Wogen glätten und schrieben am 4. September 1815 an das Kreisdirectorium: „Dem hochpreislichen Kreisdirectorium legen wir zuvorderst unseren unterthänigsten und wärmsten Dank für die väterliche und weise Fürsorge ab, mit welcher das Directorium gnädig geruhte, eine Untersuchungskommißion in der Person des Großherzoglichen Amtmannes Huber des Amtes Philippsburg anzuordnen. Diese Untersuchung ist nun geendigt, und wir glauben hoffen zu dürfen, daß der von genanntem Untersuchungskommißär zu Tage gelegte so warme und humane Eifer das schönste Resultat der wiederkehrenden friedlichen Eintracht zwischen den Nachbargemeinden Malsch und Malschenberg herbeiführen wird.“

Ungeachtet dessen nahm die amtliche Untersuchung ihren Fortgang. Es wurden vom Amtmann Huber Zeugen unter Eid vernommen, wobei sich herausstellte, dass einige wenige Personen hauptverantwortlich für den „Wiesentumult“ waren. Insbesondere trifft dies auf den Malscher Vogt Johann E. zu. Dieser habe „alles gethan, weil er nichts gethan hat. Sein Nichtstun bei dem Tumult am 17. July habe so gewirkt, als hätte er an der Spitze der Frevler gestanden. Er habe die Wortführer durch seine Untätigkeit in dem Glauben bestärkt, als billige er ihr strafbares Unternehmen. Er habe damit den Beweis geliefert, daß er den Mut nicht hat, einem Haufen gereizter Bauern entgegen zu treten. Sein Verhalten auf den Wiesen habe gezeigt, daß er seine Dienstpflichten nicht ernst nimmt. Er hat sich seiner Stelle als Vogt unwürdig gemacht und muß von derselben entfernt werden.“

Aber auch weitere Personen wurden von dem Untersuchungsbeamten als besonders strafwürdig befunden. Insbesondere das Verhalten des Gemeindedieners M. fiel nachteilig ins Gewicht: „Der Gemeindediener ist derjenige, der bei dem Tumult am 17. July öffentlich als Rädelsführer aufgetreten ist. Sein bis an Frechheit grenzendes Leugnen bei allen Vorhaltungen vollendet das gehässige Licht, in dem dieser Mensch erscheint. Außerdem habe er an dem Ausreißen der Stickel theilgenommen, wodurch den hohen Ortsbefohlenen die für den 17. July geplante Versteigerung unmöglich gemacht wurde. Letzteres leugne er zwar, aber wird durch zwey Zeugen bewiesen. Der Gemeindediener sollte daher aus seiner Stelle sogleich zu entlaßen und überdieß mit einer 14-tägigen Thurmstrafe am Amtssitz Wiesloch zu belegen sein.“

Auch der Gemeinderechner und Deputierte Rochus B. war im besonderen Fokus des Ermittlers: „Er nahm ohne alle Legitimation und gegen höheren Befehl des Bezirksamtes Wiesloch von den Bürgern für den Verkauf von Heu-Losen auf diese Art 400 f (= Florentiner bzw. Gulden) ein. Die Mitglieder des Ortsvorstandes führte er wider beßeres Wißen als Zahler an, er fälschte somit die Einzugsliste. Gemeinderechner Rochus B. verdient daher eine Geldstrafe von wenigstens 10 Reichsthalern“ (entsprach etwa 18 Gulden).

Es folgten namentlich weitere 16 Malscher Bürger, die an dem Aufruhr auf den Wiesen am 17. Juli beteiligt waren. Dazu schrieb der Amtmann aus Philippsburg: „Sie alle sollten, ob sie nun Stickel-Ausreißer waren oder nicht, einen scharfen Verweis bekommen und zur Warnung mit einem Antheil an den entstandenen Untersuchungskosten beteiligt werden.“

Insgesamt sollten nach dem Vorschlag des Untersuchungsführers die angefallenen Kosten wie folgt aufgeteilt werden: „Vogt E. trägt 2/6, Gemeindediener M. und Gemeinderechner B. tragen jeweils 1/6, die restlichen 16 Personen theilen sich die übrigen 2/6 der Kosten.“

Seine Untersuchungsergebnisse samt seinen Strafempfehlungen übermittelte der Untersuchungsbeamte mit seinem Bericht vom 1. Dezember 1815 an das Kreisdirectorium Mannheim zur weiteren Entscheidung. Dieses sah keine Veranlassung, von den Vorschlägen abzuweichen und verurteilte die genannten Aufrührer mit Bescheid vom 20. Januar 1816 zur umgehenden Entlassung aus dem Amt (Vogt und Gemeindediener), zusätzlich den Gemeindediener zu einer 14-tägigen „Thurmstrafe“ in Wiesloch und alle Beteiligten zu Geldstrafen von 2/6 bzw. 1/6 der angefallenen amtlichen Kosten.

Allerdings war die Tätigkeit des Amtmannes Huber damit noch nicht zu Ende. Ihm wurde vom Kreisdirectorium befohlen, sich erneut nach Malsch zu begeben, und vor versammelter Bürgerschaft und Ortsvorstand die Strafen im Einzelnen zu verkünden. Ausdrücklich wurde gewünscht, dass auch der Amtmann Lang vom Bezirksamt Wiesloch zugegen sein sollte, „damit dieser wegen der gegen ihn am 17. July verübten Widersetzlichkeit auf den Bruchwiesen Genugtuung erfahre.“ Ferner wurde dem Untersuchungsführer in Aussicht gestellt, dass ihn „bei der Arrestierung des Gemeindedieners M. und seiner Abführung nach Wiesloch zur Verbüßung der Thurmstrafe ein oder zwey Zollgardisten begleiten werden, falls dies nöthig werden sollte.“   

Es ist zu vermuten, dass die Querelen zwischen beiden Ortsteilen damit nicht aufhörten. Jedenfalls nicht bis zum Jahr 1824. Da nämlich trennte sich der Weiler Malschenberg mit amtlich beglaubigter Urkunde vom 13. Mai 1824 von der „Muttergemeinde“ Malsch und wurde ab diesem Tag eine eigenständige Gemeinde – mit eigenem Vogt (heute: Bürgermeister), Ortsvorstand (heute: Gemeinderat) und vor allem mit eigener Gemarkung. Der jahrelang schwelende Streit mit der Gemeinde Malsch um die Nutzung der Allmendbruchwiesen war wohl damit beendet.

 Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63887

3) Die Sankt Wendelin-Kapelle

Die Darstellung der Kapelle in einem Gemarkungsplan von Malschenberg aus dem Jahr 1801 (Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Sig. H Malsch HD 3)

Mitten auf dieser Bruchwiese stand bis zum Jahr 1809 die Wendelinus-Kapelle

Ein Teil der Bruchniederung westlich von Malschenberg heißt „Kapellenbruch“. Das weitläufige Wiesengelände wurde vom Regierungspräsidium Karlsruhe im Jahr 2011 als Natur-und Landschaftsschutzgebiet per Rechtsverordnung mit der Bezeichnung „Hochholz-Kapellenbruch“ unter Schutz gestellt.

Woher aber kommt der Name „Kapellenbruch“? Fündig wird man in einem Gemarkungsplan von Malsch-Malschenberg aus dem Jahr 1801, der von einem Feldmesser namens A. Zopf erstellt wurde. Dort ist unterhalb der B3 zwischen Bruchgraben und Wald und südlich vom heutigen Wirtschaftsweg nach Rot mitten auf den Bruchwiesen eine Kapelle eingezeichnet. Wie die Findbücher beim Generallandesarchiv Karlsruhe bezeugen, handelte es sich um die Wendelin-Kapelle - die allerdings heute gänzlich verschwunden ist. Diese Kapelle war dem Heiligen Wendelin, dem Schutzpatron der Bauern und Hirten geweiht. Sie wurde wohl schon im Mittelalter von Malscher und Malschenberger Gläubigen errichtet und diente als Wallfahrtsort nicht nur den Einwohnern von Malsch und Malschenberg, sondern auch für die Menschen in den umliegenden Dörfern Rot, St.Leon, Rauenberg, Östringen, Reilingen und Kronau. Dazu schrieb der Malscher Ortspfarrer und Kapellen-Pfleger Johann Baptist Bußer am 23. Juni 1775 an das Hochwürdigste Bischöfliche Vikariat zu Bruchsal: „Die ganze Gegend sowohl bischöflich- speyerische als auch pfälzische haben zu dieser Capell ihr großes Vertrauen und kommen das Jahr über dahin zu bestimmten Festen, um dem Gottesdienst beizuwohnen.“

Die Kapelle bestand, so berichtet die Chronik, aus „….Holz und Mauerwerk, einem mit Hohlziegeln gedeckten Dach und darauf einem kleinen Türmchen mit einem Wetterhahn. Im Innern befindet sich ein kleiner Altar mit Säulen und einem farbig gemalten Bild, das einen Schäfer vor einer kleinen Kirch‘ darstellt.“             

Warum aber gibt es diese Kapelle heute nicht mehr? Die Antwort ist: Man brauchte Geld. Das ist heute so und so war es auch vor über 200 Jahren. Die Gemeinde Malsch, damals noch in einer politischen Einheit mit dem Ortsteil Malschenberg, wurde im Jahr 1806 von dem Ortspfarrer Balthasar Hartmann gebeten, seine

„Pfarr-Congrua“ (Vergütung) aufzubessern. Außerdem forderte er zu seiner Entlastung einen Kaplan, der auch bezahlt werden musste. Die notwendigen Mittel hierfür, so schlug der Pfarrer vor, sollten aus dem Stiftungs-Fonds (angesammelt aus Spendengeldern) der Wendelin-Kapelle entnommen werden. Das aber hätte bedeutet, dass die Kapelle ganz aufgegeben bzw. versteigert werden musste.

Der zur Stellungnahme gebetene Malscher Ortsvorstand war mit der Auflösung des Stiftungs-Fonds und der Versteigerung der Kapelle grundsätzlich einverstanden. Der Malscher Schultheiß Ehrhardt schrieb dazu: „In wenigen Jahren wäre ohnehin eine Haupt-Renovierung an dem Kapellengebäude erforderlich. An einer solchen aber hat die Gemeinde kein Interesse, so dass sich die Stiftung früher oder später ohnehin selbst auflösen wird. Allerdings beantragen wir, dass ein Teilbetrag aus dem Kapellenfonds von 600 Gulden der Gemeinde für Unterhaltszwecke überlassen bleiben.“

 

Es ist nur zu verständlich, dass die Malscher an einer „Haupt-Renovierung“ der Kapelle kein großes Interesse hatten. Denn bereits im Jahr 1775 wurde die Kapelle auf die Bitte des damaligen Malscher Ortspfarrers Johann Bußer von dem Werkmeister Jakob Messing aus Bruchsal begutachtet, da sie damals schon in einem desolaten Bauzustand war. Der Gutachter schlug vor, den gesamten maroden Dachstuhl einschließlich des Türmchens zu erneuern, den Boden im Innern der Kapelle mit steinernen Platten auszulegen und die angefaulten Fensterrahmen zu ersetzen. Er kam für die notwendigen Handwerkerarbeiten und für die Beschaffung der Baumaterialien auf einen Kostenvoranschlag von 974 Gulden - zu viel für die Gemeinde. Zu einer Ausführung kam es daher nicht.   

Das Großherzogliche Bezirksamt Kislau war zunächst gegen eine Versteigerung und dem Abbruch der Kapelle, weil der dadurch entstehende Verwaltungsaufwand - allein zur Verbesserung der Besoldung des Ortspfarrers und der Bezahlung eines neuen Kaplans - unverhältnismäßig gewesen wäre. Nach Einschaltung der „Kurfürstlichen Badischen Katholischen Kirchenkommission“ zu Bruchsal änderte das Amt mit einem Schreiben vom 18. Juni 1806 seine Meinung: „Nach nochmaliger Überlegung sind wir nun der Auffassung, dass die Hälfte des Kapellenfonds zur Auf-

Die Genehmigung der Kapellen-Versteigerung durch die großherzogliche badische Landesregierung  mit Verfügung v. 25. Juli 1809

(Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch Nr. 229 Nr. 63935)

besserung der Besoldung des Pfarrers zu Malsch verwendet werden kann; davon könnte noch ein neuer Kaplan bezahlt werden, der dann in Malschenberg an den Sonntagen und unter der Woche ein- oder zweimal die Heilige Messe für die alten Leute lesen könnte. Die andere Hälfte des Fonds könnte als Kapital angelegt werden. Und wenn die Gemeinde Malschenberg eines Tages politisch selbstständig geworden sein sollte, könnte diese zweite Hälfte von den beiden Gemeinden Malsch und Malschenberg gemeinsam genutzt werden.“

Es dauerte weitere drei Jahre, bis die Versteigerung der Kapelle konkret wurde. Im Juni 1809 schrieben die Malscher an das Großherzogliche Bezirksamt Kislau: „Da nach unserer Kenntnis das Amt die Kosten der Versteigerung so gering wie möglich zu halten gedenkt, könnte die Kapellen-Versteigerung zusammen mit der Gras-Versteigerung auf den Wiesen erfolgen. Sollte dieses dem Amt zu lange dauern, könnte die Kapellen-Versteigerung auch mit der Versteigerung der Weinberge der „Heiligen von Malsch und Malschenberg“ (gemeint waren die katholischen Kirchenvorstände) durchgeführt werden. Auch sollte das Amt entscheiden, ob es zur Erzielung eines etwaigen Mehrerlöses nötig sein dürfte, nebst der Malscher Gemeinde auch die Nachbarorte Rauenberg, Rotenberg, Kronau, Mingolsheim, Rot, St.Leon, Kirrlach, Hockenheim und Reilingen von der Versteigerung mit einem amtlichen Anschreiben zu verständigen.“

Das Schreiben war von dem Malscher Schultheiß Ehrhardt und den „Gerichtsleuthen“ Rösch und Groß unterzeichnet.

Das Großherzogliche Bezirksamt Kislau setzte mit Schreiben vom 10. Juli 1809 den Versteigerungstermin für das „St. Wendelin-Kapellengebäude im Malscher Bruch“ schon 4 Tage später fest, nämlich auf den 14. Juli 1809, nachmittags um 1 Uhr. Die Schultheiße der genannten Nachbargemeinden wurden zuvor von dem Termin verständigt. Und weiter schreibt das Amt: „Die Steine und sonstigen Baumaterialien aus dem Kapellen-Abbruch werden auf den Wiesen gelagert und anschließend versteigert. Noch am gleichen Tag findet die Versteigerung der „Heiligen-Weinberge“ von Malsch und Malschenberg statt. All dies haben die Schultheiße in ihren Gemeinden amtlich zu vermelden und durch Urkunde hierher zu berichten.“

Am 17. Juli 1809 meldete das Amt Kislau der vorgesetzten Behörde, der Großherzoglichen Badischen Landesregierung zu Karlsruhe, Vollzug der Angelegenheit und berichtete hierbei: „In Folge der hohen Entschließung haben wir das Kapellen-Gebäude am 14. des Monats versteigert und daraus einen Erlös von 100 Gulden erzielt. Die Gemeinde Malsch ist damit zufrieden. Der Abbruch wird von dem Maurermeister Schimmel aus Kronau vorgenommen. Dieser ersteigerte sämtliche Materialien außer dem Altärchen mit Bild und den Kirchenstühlen, die von der Gemeinde Malsch übernommen werden. Schimmel hat zum Abbruch eine Frist von 14 Tagen bekommen. Sollte dieser die Frist versäumen, habe er die Abbruchkosten selbst zu tragen.“

Daraufhin erfolgte von der Großherzoglichen Badischen Landesregierung mit Erlass vom 25. Juli 1809 das endgültige Plazet: „Die vom Großherzoglichen Bezirksamt Kislau vorgenommene Versteigerung samt dem anschließenden Abbruch des St.Wendelin-Kapellengebäudes zu einem Erlös von 100 Gulden wird genehmigt.“ Damit war das Schicksal der Wendelin-Kapelle auf den Bruchwiesen bei Malschenberg besiegelt.

Heute, nach 215 Jahren, ist der ehemalige Standort des Gebäudes für den Betrachter nicht mehr erkennbar. Nur noch der Name des Wiesengewannes erinnert daran, das hier einmal eine Kapelle stand.

 

Quellen:  Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr.63930 und Nr.63935

Philipp Lorenz, Die Flurnamen von Malschenberg (Badische Flurnamen, Band 2, Heft 4) Heidelberg,1939

 

4) Von Schildwirten und Straußwirten in Malschenberg

Als es noch das Gasthaus „Zum Löwen“ gab

 

Wer weiß schon heute in Malschenberg, dass es einst am Ort ein Gasthaus „Zum Löwen“ gab – und dass daneben die ansässigen Winzer das Recht hatten, ihren selbst erzeugten Wein an jedermann „auszuzapfen“, das heißt auszuschenken? Der Gaststättenbetreiber war damals der „Schildwirt“ und der örtliche Winzer, der keine amtliche Konzession benötigte, war der „Straußwirt“. Diese Fakten werden bekannt, wenn man in den über 200-jährigen Unterlagen des Generallandesarchivs Karlsruhe stöbert.

Im März 1788 schrieb der Malschenberger Adam Bender einen Brief „an die Hochfürstliche Hochlöbliche Hofkammer“ zu Bruchsal. Darin heißt es sinngemäß: „In dem Dörfchen Malschenberg ist noch nie ein beständiger Wirt gewesen, sondern bisher unter den Bürgern alle Vierteljahr das Los gezogen worden, weil es doch notwendig einer tun muss. Ein jeder, den das Los treffe, sieht dies als große Last, und deswegen gab es schon manchen Streit. Zur Verhütung weiterer Zankereien erkläre ich mich freiwillig bereit, für 6 bis 10 Jahre eine Schildwirtschaft (= Wirtshaus) am Ort zu betreiben – obgleich ich bei all den Weigerungen aus der Bürgerschaft ersehen kann, dass mein Vorteil aus der Wirtschaft wenig oder gar nichts bringen wird. Es muss ja auch Ohm-und Lagergeld sowie eine Jahresgebühr an den Kurfürsten abgeführt werden. Trotzdem bitte ich untertänigst, die Hochfürstliche Hochlöbliche Hofkammer wolle günstig geruhen, mir eine Schildwirtschaftsgerechtigkeit (= Gaststätten-Konzession) auf 6 bis 10 Jahre zu erteilen. In tiefschuldiger Verehrung beharrend: Adam Bender.“

 

Soweit dieser Brief. Es folgte ein reger Schriftverkehr zwischen der Hofkammer zu Bruchsal und dem kurfürstlichen Oberamt Kislau, wobei man dem Antrag des Adam Bender von Anfang an seitens der Behörden wohlwollend begegnete, auch deshalb, weil eine Ortsbesichtigung ergeben hatte, dass „…das Haus des Bender in Malschenberg mit einer geräumigen Stube und einem weiteren kleinen Zimmer hinten im Haus, dazu einem Stall für die Unterstellung von zwei bis drei Pferden, die ankommende Fremde vielleicht mit sich führen, für eine Wirtschaft gut geeignet sei.“

Am 12. April 1788 wurde dem Adam Bender von der hochfürstlich-speyerischen Hof-und Rentkammer Bruchsal die Konzession zum Betrieb des „Löwen“ erteilt. Die Konzession war auf 10 Jahre befristet. Die Verwaltungsgebühr betrug 9 „Rheinische Gulden“ und nochmals 2 Gulden für die Ausstellung und Siegelung des Patents. Für die „Schild-Rekognition“ (Aushängung des Wirtshausschildes) musste Bender monatlich 30 Kreuzer an das Oberamt Kislau zahlen.

In der entsprechenden Urkunde und im Stil der damaligen Zeit heißt es unter anderem: „Von Gottes Gnaden, Wir August, Bischof zu Speyer, Graf von Limburg-Stirum, thun kund jedem, so daran gelegen, daß Wir auf unterthänigstes Ansuchen des Adam Bender die Schildgerechtigkeit „Zum Löwen“ zu Malschenberg ihm gnädigst gestatten. In dieses Gesuch eingehelligt und seiner Bitt willfahret haben wir ebenso gnädigst gestattet, das Schild „Zum Löwen“ an seiner für die Wirthschaft tauglich befundenen Behausung anzuhängen.“ Die dritte und letzte Seite der Urkunde endet mit dem Satz: „Gegeben unter Unserer eigenen Hand-Unterschrift und beigedruckten Siegel in Unserem Fürstlichen Pallast, in Unserer Stadt Bruchsal, den 12. April 1788.“

Erste Seite der Konzessionsurkunde für Adam Bender

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64044, Bild 11)

Allerdings wurde die Freude des Gastwirts Adam Bender dadurch getrübt, dass er die örtlichen Straußwirte in Kauf nehmen musste. Tatsächlich war es so, dass nach einer damals geltenden Landesverordnung „in Weinorten mit einem geringeren Ertrag als anderswo“ jeder Bürger das Recht hatte, über einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen im Jahr seinen Wein aus eigenem Anbau „auszuzapfen“ (auszuschenken). Allerdings galt dieses Recht immer nur wechselweise, das heißt, nach sechs Wochen musste der Straußwirt seinen Ausschank beenden und einen solchen einem anderen örtlichen Winzer überlassen – sofern sich einer dafür interessierte.

Es ist allzu verständlich, dass der frischgebackene Wirt des Gasthauses „Zum Löwen“ in den Folgejahren das Treiben der örtlichen Straußwirte argwöhnisch beobachtete, da er durch diese unliebsame Konkurrenz mit weniger Zuspruch in seinem Wirtshaus rechnen musste. Er beklagte sich daher unter Zuhilfenahme eines Advocatus (= Anwalt) mit einem an die „Hochfürstliche Hochlöbliche Hofkammer“ zu Bruchsal gerichteten Schreiben vom 3. Juni 1795 über den örtlichen Straußwirt Joseph Metzger. Dieser würde „gegen jedes Recht und jede Observanz“ (= Gewohnheit) zum Nachteil seines Mandanten über die zulässige Frist von sechs Wochen hinaus seinen Wein auszapfen, und dazu „auch Fleisch und andere Sachen“ den Gästen verkaufen. Das Verhalten des Metzger verstoße damit nicht nur gegen die geltende Verordnung, sondern führe auch dazu, dass durch den Ausschank von Wein über die Sechs-Wochen-Frist hinaus und weiteren Verkauf durch Fleisch und andere Sachen der kurfürstlichen Hofkammer das ihr zustehende „Ohmgeld“ (= heute Gewerbesteuer) verloren ginge.

Die kurfürstliche Hofkammer leitete die Beschwerde des Adam Bender an das Oberamt Kislau weiter mit der Weisung, „die Angelegenheit gehörig zu untersuchen und dieser je nach Befund für jetzt und für die Zukunft abzuhelfen.“

Das Oberamt Kislau untersuchte die Sache und kam zu dem Schluss, dass der Winzer Joseph Metzger tatsächlich über die zulässige Frist von sechs Wochen hinaus seinen Wein ausgeschenkt und damit gegen die geltende Landesverordnung verstoßen habe. Per Dekret (Beschluss) vom 9. Juli 1795 wurde dem Metzger der weitere Weinausschank bzw. seine Straußwirtschaft untersagt.

Dieser war damit keineswegs einverstanden und erklärte sich in einem direkt an die Hofkammer gerichteten Schreiben vom 15. Juli 1795 wie folgt:

„Ich habe nicht ordnungswidrig gehandelt. Wenn die Landesverordnung ausdrücklich zulässt, dass in der Gemeinde Malschenberg neben einem Schildwirt auch ein Straußwirt Wein ausschenken darf, muss es dem Schildwirt gleichgültig sein, wer den Strauß ausübt. Ich schenke immer nur meinen eigenen Wein aus und lasse mich darin deshalb nicht stören, weil kein anderer Bürger mich im Weinausschank abwechseln will. Dies erregt immer wieder die Eifersucht des Adam Bender, welcher sein Monopol betreiben und allein seinen Wein zu einem außerordentlich hohen Preis verkaufen möchte. Daher beschwerte er sich bei dem Oberamt Kislau und erreichte dort, dass ich mein angeblich ordnungswidriges Weinzapfen unterlassen solle. Aber die Landesverordnung bestimmt keine Sechs-Wochen-Frist für den Weinausschank, sondern diese Frist gilt nur dann, wenn sich ein anderer Bürger als Straußwirt betätigen möchte. Ein solcher hat sich aber in Malschenberg bisher nicht gemeldet. So bitte ich die kurfürstliche Hofkammer, das Oberamt Kislau anzuweisen, das Verbot gegen mich zurückzunehmen und mich Wein ausschenken zu lassen, so lange sich kein anderer Malschenberger Bürger dafür interessiert.“

Soweit dieses Schreiben des Joseph Metzger. Aber weder die kurfürstliche Hofkammer in Bruchsal noch das kurfürstliche Oberamt Kislau folgten dieser Argumentation, weil die Sechs-Wochen-Frist für den Weinausschank immer Bestand hatte, auch wenn sich kein anderer Malschenberger Winzer als Straußwirt betätigen wollte. Es blieb also bei dem am 9. Juli 1795 verhängten Verbot.

Die auf 10 Jahre angelegte Gaststättenkonzession für den Adam Bender erlosch am 12. April 1798. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1798 beantragte Bender eine neue Konzession - aber nur unter der Bedingung, dass andere Bürger zu Malschenberg nur ihren „selbst gezogenen Wein ausschenken dürfen." Die kurfürstliche Hofkammer zu Bruchsal ließ sich auf diesen „Handel“ nicht ein und versagte eine weitere Konzession. Das Gasthaus „Zum Löwen“ in Malschenberg war damit endgültig Geschichte.

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64044 und 64045

5) Strenge Visitation bei Pfarrer und Schulmeister

Alte Malscher Kirche (Repro: Digitale Universitätsbibliothek Heidelberg)

 

Nicht nur heute, sondern auch schon vor über 250 Jahren gab es Klagen, dass die Kinder in der Schule zu wenig lernen würden. Eine außerordentliche „Visitation“ (= Besuch) der Malscher Schule durch die Obrigkeit im Jahr 1767 gibt Zeugnis davon.

Auslöser der Visitation war eine anonyme Beschwerde, die bei dem Speyerischen Fürstbischöflichen Vikariat in der Residenz zu Bruchsal einging. Darin wurde behauptet, dass die Schuljugend von Malsch und dem Ortsteil Malschenberg „in den Glaubensgeheimnissen schlecht unterwiesen sei, und zwar allein durch Nachlässigkeit, Faulheit und fehlender Aufsicht der Unterrichtspersonen, nämlich des Schulmeisters und des Pfarrers.“

Das war allerdings ein derart massiver Vorwurf, dass das Vikariat umgehend einen Untersuchungsbeamten beauftragte, der Sache auf den Grund zu gehen. Es war ein Mann mit Namen Caspar Ignatius Käpplein aus Wiesental, der sich nach Erhalt des Auftrags „ad locum“ (= auf der Stelle) auf den Weg nach Malsch machte. Wie aus seiner Spesenrechnung hervorgeht, nahm er Quartier im Gasthaus „Zum Goldenen Hirsch“ - „ohne Pfarrer und Schulmeister zunächst von meiner Ankunft zu verständigen“. Als erste Amtshandlung besuchte er die Schule und konnte sich dort in einem kurzen Überblick überzeugen, dass Schulmeister und Kinder anwesend waren. Sein nächster

Weg führte ihn in das gegenüberliegende Pfarrhaus, wo er sich gegenüber dem Ortspfarrer (damals: Johann Baptist Bußer) als Beauftragter des bischöflichen Vikariats zu erkennen gab, um eine gegen ihn und den Schulmeister erhobene „Klag“ zu untersuchen. Der fiel aus allen Wolken, weil er sich nicht vorstellen konnte, wer und warum gegen ihn und den Schulmeister Beschwerde erhoben worden sei. Er wolle aber den Untersuchungsbeamten bei seiner Examination (= Prüfung) des Schulwesens voll und ganz unterstützen.

Caspar Käpplein schrieb später in seinem Untersuchungsbericht: „Ich verfügte mich in Begleitung des Pfarrers abermals in die Schule und hielt daselbst für zwei Stunden christliche Lehr mit den Kindern. Und dabei probierte ich mit den Kindern auch das Buchstabieren, Lesen und Schreiben und habe in all diesen Dingen große Satisfaction (= Zufriedenheit) gefunden. Die Schüler bestanden die ihnen gestellten Aufgaben nicht nur mittelmäßig oder gut, sondern sogar in vorzüglicher Weise.“

Da Käpplein nach der Examination der Schüler noch mit dem Schulmeister unter vier Augen reden wollte, schickte er den Pfarrer zurück ins Pfarrhaus. Von dem Schulmeister wollte er wissen ob er seinerseits irgendwelche Klagen habe. „Nicht gegen den Pfarrer“, sagte dieser, „aber gegen verschiedene Gemeindsleuth. Diese holen die größeren Buben während des Unterrichts aus der Schule und setzen sie bei der Hirsch- und Schweinejagd zum Stangenhauen ein. Die Buben würden dadurch gar viel vom Unterricht versäumen. Zudem gibt die Gemeinde kein Geld für den Ankauf des neuen Katechismus.“

Als Käpplein dies hörte, fand er es notwendig, den Schultheiß und die „Gerichtsleuth“ vorzuladen. Nur zwei erschienen, nämlich der Schultheiß Johann Adam Heinzmann und ein Mitglied des Ortsgerichts mit Namen Quaranus Mohr. Alle anderen Geladenen kamen der Vorladung nicht nach, weil sie „auf dem Feld zu tun“ hatten. Bei der Vernehmung sagten die beiden, dass sie über den Pfarrer nicht klagen könnten. Die Gottesdienste für die Bürger und die christliche Unterrichtung der Kinder in der Schule würde er wohl gestalten. Mit dem Verhalten des Schulmeisters allerdings waren sie in einigen Dingen nicht einverstanden: „Er gibt den Kindern zwar gute Unterweisung im Lesen, Schreiben und Rechnen. Allerdings lässt er die Kinder während der Schule vieles tun und schaffen, was nicht zum Unterricht gehört. So müssen sie für ihn Wasser holen, die Kirche kehren und zu jedem Gottesdienst läuten. Und beim Glockenziehen müssen sie die Gebete über die Todesangst und das Hinscheiden Christi hersagen. Wenn sie es einmal versäumen, müssen sie es im Unterricht mit der Aufsagung von Gedichten büßen.“

Als Käpplein dieses hörte, untersagte er dem Schulmeister, die Kinder künftig zu solchen Sonderaufgaben heranzuziehen. Das Kehren der Kirche, das Glockenläuten und Wasser besorgen gehörten zu seinen Aufgaben, da er nicht nur Schulmeister, sondern zugleich auch Messner und Kirchendiener der katholischen Gemeinde sei. Dem Schultheiß hielt er allerdings vor, dass er nicht gut daran täte, der Schule einen Zuschuss für den Ankauf des neuen Katechismus zu verweigern, denn dieses war der ausdrückliche Wille des hochlöblichen Fürstbischofs. Daraufhin erklärte sich der Schultheiß bereit, 6 Gulden aus der Gemeindekasse für die Anschaffung beizusteuern. 

Insgesamt fiel das Untersuchungsergebnis so aus, dass dem Pfarrer und Schulmeister in der christlichen Unterweisung der Kinder und überhaupt in deren Unterrichtung im Lesen, Schreiben und Rechnen nichts vorzuwerfen war. Käpplein ging sogar noch einen Schritt weiter: „Dieses ist, was sich nach meiner Visitation ergeben hat und somit aus meiner Sicht dem Pfarrer und dem Schulmeister nichts Nachteiliges zur Last gelegt werden kann. Mir kommt es nun ganz glaubwürdig vor, dass die anonyme Klag gegen die beiden nicht die Gemeinde Malsch am Bruhrain betreffe, sondern vielmehr die Gemeinde Malsch in dem Badischen Land" (gemeint ist die 15 km südlich von Karlsruhe gelegene Gemeinde mit gleichem Namen).

Ob das bischöfliche Vikariat aufgrund dieses Hinweises eine Visitation in Malsch bei Karlsruhe ansetzte, ergibt sich aus den Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe nicht.

Am Ende seines Untersuchungsberichts bat Caspar Käpplein mit Schreiben an das bischöfliche Vikariat vom 1. Mai 1767 um Erstattung seiner Auslagen. Er machte insgesamt 5 Gulden und 30 Kreuzer geltend, wovon für „Fuhrmann und Pferd“ 2 Gulden und 30 Kreuzer entfielen, auf Kost und Logis im „Goldenen Hirsch“ zu Malsch 3 Gulden.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64016

 

6) Preußische Soldaten im Schloss zu Rauenberg

 

Große Aufregung herrschte im Winter 1813 in Rauenberg, als das Königlich-Preußische Zweite Garde-Infanterie-Regiment im Rauenberger Schloss (heute: so genanntes Landfriedhaus) kranke Soldaten einquartierte. Die Soldaten waren seinerzeit müde, ausgelaugt, seelisch und körperlich verletzt von Kriegshandlungen im Mai, August und Oktober 1813. Sie kämpften auf Seiten der so genannten „Verbündeten“, bestehend aus schwedischen, preußischen, russischen und österreichischen Armeen. Der Gegner war die französische Armee, geführt von Napoleon Bonaparte. Kriegsschauplätze waren Bautzen, Dresden und vor allem Leipzig. Gerade bei der geschichtsbekannten „Völkerschlacht bei Leipzig“ vom 16. bis 19. Oktober 1813, bei der sich auf beiden Seiten hunderttausende Soldaten gegenüber standen, waren am Ende zehntausende Verwundete und Tote zu beklagen.

Gemälde der Völkerschlacht von Leipzig Oktober 1813 (Repro: Wikipedia)

Die Chronik schreibt, dass das Zweite Garde-Infanterie-Regiment am 13. Dezember 1813 von Frankfurt kommend gegen Süden zur Verfolgung der geschlagenen französischen Armee aufbrach, seinen Marsch „am Hang des Odenwalds und entlang der Bergstraße“ fortsetzte und schließlich ein Standquartier in der Gegend rund um Wiesloch bezog. In den letzten Dezembertagen 1813 im Standquartier angekommen, hielt es der Regimentskommandeur offenbar nicht für notwendig, die ausdrückliche Zustimmung der zuständigen Stellen für die Unterbringung seiner kranken Soldaten im Schloss zu Rauenberg einzuholen. Jedenfalls wurden nach den Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe von dieser Absicht weder der Schultheiß und Ortsvorstand von Rauenberg noch die großherzoglichen Bezirksämter Kislau und Wiesloch verständigt. Offenbar hatte nur der „Gegenschreiber“, namens Bergmeier von Rauenberg, genaueres Wissen über die militärische Beschlagnahme.

Dieser registrierte, dass am Abend des 21. Dezember 1813 zwölf kranke Soldaten des Regiments in das Schloss eingewiesen wurden, und zwar „…in den Räumen, die früher einmal von dem Amtskeller1) bewohnt wurden.“ Außerdem musste er feststellen, dass die frierenden Soldaten in den Öfen Feuer anzündeten, der Rauch indessen nicht abziehen konnte, weil schon längere Zeit die Schornsteine im Speicher und auf dem Dach des Schlosses zerbrochen waren. So mussten die kranken Soldaten also zugleich frieren und husten.

In der Tat war das Rauenberger Schloss in jener Zeit in einem desolaten baulichen Zustand. Im 18. und 19. Jahrhundert waren in dem Gebäude die herrschaftlichen Speicher und die Kelter sowie die fürstbischöfliche Amtskellerei samt der Privatwohnung des Amtskellers untergebracht. Eine von der Hofkammer in Bruchsal angeordnete Besichtigung durch den amtlichen Baudirektor Schwartz und den Landvogt Casinone im Juni 1804 ergab folgende Bewertung: „Das Schloß zu Rauenberg ist bei aller Betrachtung ein sehr schadhaftes Gebäude. Seit Cardinals Schönborns Zeiten 2) wurde nichts mehr saniert. Das Gemäuer ist schlecht, der untere Stock feucht. Thüren, Fenster und Böden bedürfen, um die Räume bewohnbar zu machen, größerer Reparationen. Auch das Dachwerk ist in einem üblen Zustand. Eine Gesamt-Sanierung wäre mit erheblichen Kosten von einigen tausend Gulden verbunden.“ 

Ehemaliges fürstbischöfliche Schloss zu Rauenberg - Nordseite (Foto: A. Herrmann)

Auch der amtierende Amtskeller Woll hieb in die gleiche Kerbe. Mit einem Schreiben vom 29. September 1804, gerichtet an das „Kurfürstliche Hochpreisliche Hofrats-Collegium“, beklagte er sich bitter über den Zustand seiner Amtsräume und Wohnung. Unter anderem schrieb er: „Die bekanntlich baufällige Wohnung hier im Schloß wird täglich unbrauchbarer. Vor 14 Tagen fiel im besten Zimmer ein Stück der Decke herunter, welches von der Größe her einen Erwachsenen hätte schwer verletzen können; ein Kind hätte allerdings durch den Brocken getötet werden können. Der Winter ist nicht mehr fern, und Fenster und Thüren sind so schadhaft, dass sie die Kälte nicht abhalten können. Auch beim größten Holzverbrauch in den Öfen wird es in den Zimmern nicht warm.“

Neun Jahre später kamen also Soldaten in das Schloss, um dort Quartier zu nehmen. An dem schlechten Zustand im Innern des Gebäudes dürfte sich wohl in diesen neun Jahren nichts geändert haben. All dies war auch dem Gegenschreiber Bergmeier bekannt und in einem eiligen Brief an das Bezirksamt Kislau teilte er den Einzug der fremden Soldaten in das Schloss mit und schlug zugleich vor, dass man wegen der Rauchentwicklung in den Zimmern den Maurermeister Schimmel aus Kronau beauftragen sollte, um zumindest die Schäden an den Kaminen zu begutachten und sich von ihm einen Sanierungsvorschlag machen zu lassen.

Das Amt Kislau suchte sich Rat bei der vorgesetzten Behörde, dem Großherzoglichen Badischen Neckarkreis-Direktorium in Mannheim. Es wies darauf hin, dass durch den fehlenden Rauchabzug eine Feuergefahr für das gesamte Schloss nicht von der Hand zu weisen sei. Außerdem sei die Belästigung der Kranken durch den Rauch sehr groß. Es fragte daher an, ob die Kamine im und auf dem Schlossgebäude vorsorglich wieder in Stand gesetzt werden sollen. Auch machte sich das Amt Sorgen, dass - „sollte sich die Zahl der kranken Soldaten vermehren“ - das gesamte Schloss als Lazarett genutzt werden müsste. In diesem Falle sei es nicht ratsam, in dem herrschaftlichen Speicher Früchte und Weine zu belassen. Daher sei es erforderlich, diese Dinge umgehend in das Schloss Kislau zu verbringen. Für diesen Fall aber, so das Amt weiter, müsse das Schloss zu Kislau von der Belegung mit kranken Soldaten verschont bleiben, weil durch die Aufbewahrung von herrschaftlichen Naturalien dort weiterer Platz nicht zur Verfügung stünde.

Auch das Bezirksamt Wiesloch meldete sich in der Angelegenheit beim Neckarkreis-Direktorium. Mit einem Schreiben vom 23. Dezember 1813 wies es darauf hin, dass in Wiesloch und Umgebung ungewöhnlich viele Kranke in der Bevölkerung anzutreffen seien. So schrieb das Amt: „Heute ging im Amt der Untersuchungsbefund des „Physikus“ 3) ein. Er hat allein in dem kleinen Ort Rettigheim, ein benachbarter Ort zu Rauenberg, mit insgesamt 200 Seelen siebzehn Einwohner vorgefunden, die an Nervenfieber erkrankt seien. Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass die vermehrt auftretenden Erkrankungen in der Umgebung durch krankes Militär verursacht werden. Und gewiss ist, dass sich die Zahl der Erkrankungen erhöhen dürfte, wenn die Soldaten an verschiedenen Orten der Umgebung verteilt und untergebracht sind. Daher finden wir es richtig, wenn die kranken Soldaten des Regiments an nur einem Ort, nämlich im Schloß zu Rauenberg, konzentriert werden.“

Auf die Hinweise und Anfragen der beiden Bezirksämter Kislau und Wiesloch erklärte sich das Neckarkreis-Direktorium wie folgt: „Auch wir sind der Auffassung, dass die Unterbringung der kranken Soldaten im Schloß zu Rauenberg nicht zufriedenstellend ist. Vor allem ist nicht hinzunehmen, dass die Öfen in den Stuben der Kranken keinen ordentlichen Rauchabzug haben, weil die Kamine auf dem Speicher und dem Dach marode sind. Daher wird das Amt Kislau angewiesen, für die notwendige Wiederherstellung der Kamine zu sorgen. Die Kosten werden aus der Kreis-Kriegskasse übernommen. Im Übrigen kann von einem „Militär-Lazarett“ im Schloss zu Rauenberg, wie von verschiedener Seite behauptet wird, nicht die Rede sein. Es handelt sich lediglich um einige Stuben für die kranken Soldaten, die nur solange dort untergebracht werden, wie das Regiment noch sein Standquartier in Wiesloch und Umgebung hat. Unseres Wissens wird der Aufbruch des Regiments bald geschehen, so dass es nicht nötig sein wird, den herrschaftlichen Wein und die herrschaftlichen Früchte an einen anderen Ort zu verbringen.“

Die Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe geben keine Auskunft über den tatsächlichen Abzug des Königlich-Preußischen 2. Garde-Infanterie-Regiments aus Wiesloch und Umgebung. Jedenfalls musste es bald geschehen sein, denn die Chronik berichtet, dass bereits am 13. Januar 1814 „sämtliche Garden“ an einer feierlichen Parade in Basel teilgenommen hatten, um „anschließend über den Grenzstrom“ nach Frankreich zu marschieren – dem Feind hinterher.

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 Fußnoten:

1) Der Vorstand der fürstbischöflichen Amtskellerei, eine Finanzbehörde des Fürstbischofs

2) Fürstbischof Kardinal Damian Hugo Philipp von Schönborn (Regent von 1719 bis 1743)

3) Physikus – vergleichbar mit dem heutigen Amtsarzt

 

Quellen:

Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84508

Geschichte des Königlich-Preußischen 2. Garde-Regiments zu Fuß - Eisenschmidt, Verlagsbuchhandlung für Militärwissenschaft Berlin 1913

 

7) Streit mit dem Fürstbischof wegen Weiderecht

 

Wenn es um ihre Felder ging, scheuten sich die Bürger von Malsch und Malschenberg nicht, mit dem Fürstbischof zu Speyer zu streiten. In jener Zeit war dies Seine Eminenz Fürstbischof Damian August Graf von Limburg-Stirum, der seinen Amtssitz im Schloss zu Bruchsal hatte. 

Das Hochstift Speyer hatte vor mehr als 200 Jahren das verbriefte Recht, auf den Markungen der Gemeinden Mühlhausen, Rotenberg und Rauenberg 500 Schafe durch einen herrschaftlichen Schäfer weiden zu lassen. Offenbar hielt es aber der herrschaftliche Schäfer mit der Einhaltung der Gemarkungsgrenzen nicht so genau. Denn „zwei Gerichtsleuth zu Malsch“ mit Namen Quirin Müller und Johannes Schäffner wandten sich mit einem Schreiben vom 13. März 1775 an den „hochfürstlichen und hochwürdigsten Bischof und Reichsfürsten zu Bruchsal“ mit der „gehorsamsten Bitte“, den herrschaftlichen Schäfer anzuweisen, dass er bei seinem Weidegang auf den Feldern der Gemarkungen von Malsch und Malschenberg Rücksicht auf die anstehende Sommer-Aussaat nehme.

 

Schafe auf der Weide (Symbolbild - Foto A. Herrmann)

Man ging also in Malsch und Malschenberg - wohl mit gutem Recht - davon aus, dass das Weiderecht auf ihrer Gemarkung "eigentümlich“ war, also allein ihnen zustand – und der herrschaftliche Schäfer auf ihrer Gemarkung mit seinen Schafen grundsätzlich nichts zu suchen hatte. Unterstrichen wurde diese Rechtsauffassung durch die Gemeinderechnungen der Jahre 1677 ff., in denen festgehalten war, dass die fürstbischöfliche Hofkammer an die Gemeinde Malsch Pachtzahlungen für das jährliche Weiderecht leistete. Wenn aber die Hofkammer, so die naheliegende Schlussfolgerung, als Pächter des Weidelandes in den Rechnungen ausgewiesen war, konnte sie nicht gleichzeitig dessen Eigentümer sein.  

Als dann im Jahr 1785 der fürstbischöflichen Hofkammer sogar in den Sinn kam, die Vieh- und Schafweiden auf den Gemarkungen Malsch und Malschenberg öffentlich an den Meistbietenden zu versteigern, sorgte dieser herrschaftliche Alleingang für Unverständnis und Unmut in Malsch und Malschenberg. Also engagierten die Bürger einen mit den Gesetzen vertrauten Mann, den „Advocatus“ Gottwald aus Bruchsal, der sie in der Streitsache gegen den Fürstbischof vertrat. Gottwald schrieb am 6. Juli 1785 im Namen von fünf Bürgern an die „Hochfürstliche und Hochlöbliche Hofkammer zu Bruchsal“ folgenden Brief: 

„Unterschriebene Bürger der vereinten Gemeinde Malsch und Malschenberg haben die Vollmacht, der hochfürstlichen Hofkammer wegen der diesjährigen geplanten Versteigerung des Schafweiderechts auf unserer Gemarkung mit schuldiger Verehrung die gehorsamste Remonstration (= Missbilligung) auszusprechen, und zwar deshalb, weil nicht die Hohe Herrschaft, sondern vielmehr die Gemeinde selbst eine eigentümliche Schäferei auf ihren Feldern habe. Die Gemeinderechnungen der Jahre 1677, 1699, 1700, 1701, 1708, 1709, 1710, 1711, 1712 und 1727 beweisen ganz klar, dass in vorderen Zeiten die Gemeinde das Weiderecht stets verpachtet hat, und die gnädigste Herrschaft dafür 15 Taler jährlich an Bestandsgeld an die Gemeindekasse ablieferte. In den letzten Jahren habe die gnädigste Herrschaft das Weiderecht unentgeltlich genossen, wurde daher mehrmals von den Ortsvorständen Malsch und Malschenberg nachdrücklich zur Zahlung erinnert, ohne aber von dort eine entscheidende Resolution (= Entschließung) zu erhalten. Nun erhoffen wir, dass wir nicht in die Notwendigkeit versetzt werden, unser Recht vor Gericht ausfechten zu müssen und vertrauen vielmehr darauf, dass gnädigste Herrschaft nichts als Recht und Gerechtigkeit will und den beiden Ortsteilen Malsch und Malschenberg wieder das bisherige und altbewährte Weiderecht einräumen wird. Sollte aber die Gemeinde nicht in ihrer Bitte erhört werden, so werde sie das ihr zustehende Recht durch Protestation (= Anfechtung) geltend machen, was hiermit schon vorsorglich geschieht.“

Soweit dieser Brief des Advocatus Gottwald. Unterschrieben wurde er von den fünf Bürgern Konrad Weidner, Josef Stegmeier, Niklas Hochlehner, Josef Metzger und Josef Bender.

Ganz offensichtlich wurde dieser Protestbrief von der fürstbischöflichen Hofkammer in der Folgezeit schlicht ignoriert, denn die Weidegänge auf Malscher und Malschenberger Gemarkung wurden weiterhin durch den herrschaftlichen Bestands-Schäfer Franz Körner ausgeübt. Dieser wiederum handelte wohl im Auftrag und auf Rechnung der „Bestands-Gemeinden“ Rauenberg, Mühlhausen und Rotenberg, die ihrerseits gegenüber dem Hochstift Speyer in Verantwortung standen. So kam es ein Jahr danach (1786) zu einem erneuten Rechtsstreit, weil Franz Körner seine Schafe auf den Feldern von Malsch und Malschenberg weiden ließ und er dabei, so wird es von den Malschern und Malschenbergern bitter beklagt, „…keinerlei Rücksicht auf die eingebauten Feldfrüchte wie Klee, Dickrüben und Welschkorn (= Mais) genommen habe“.

Die Malscher und Malschenberger trugen diese offensichtliche Ungerechtigkeit dem herrschaftlichen Oberamt Kislau (bei Mingolsheim) vor. Dieses prüfte die Angelegenheit und untersagte daraufhin dem Schäfer Franz Körner die genannten Felder weiterhin zu beweiden. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ihm eine Strafe von 100 Reichstalern angedroht. Körner wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 14. Juni 1786 (und wohl auch mit Unterstützung der Bestands-Gemeinden Rauenberg, Mühlhausen und Rotenberg) an die fürstbischöfliche Hofkammer zu Bruchsal und bat diese, sich der Angelegenheit mit Nachdruck anzunehmen, „…dass er sowohl für die verflossene Zeit als auch für die Zukunft schadlos gehalten werden möge.“

Die Hofkammer zu Bruchsal leitete die Streitsache zurück an das Oberamt Kislau und dieses erteilte dem Schäfer Körner einen Bescheid mit der unmissverständlichen Weisung, dass es für ihn bei dem bisherigen Weideverbot auf den Gemarkungen Malsch und Malschenberg bleibe. Und sollten Malsch und Malschenberg wegen des erlittenen Weideschadens auf ihren Feldern noch weitere Beweise vorbringen, „…so wird geschehen, was rechtens ist.“

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64028, 64031

8) Vor über 250 Jahren: Auswanderungen nach Französisch- Guyana

 

Große Armut, Hunger, Missernten und vielerlei materielle Entbehrungen herrschten im 18.Jahrhundert im Südwesten Deutschlands. Insbesondere waren die Landesteile Baden und Pfalz von diesen Übelständen betroffen. Viele Familien, in der Regel mit einer großen Kinderschar gesegnet, mussten um das tägliche Überleben kämpfen. Nicht wenige wollten sich mit ihrer Notsituation nicht länger abfinden und strebten daher eine Auswanderung in englische oder französische Kolonien an. Eine entsprechende Werbung um neue Kolonisten durch die Könige von England und Frankreich hatte sich auch im Südwesten Deutschlands herumgesprochen. Man geht davon aus, dass in jener Zeit hunderttausende Menschen aus dem heutigen Baden-Württemberg und aus Rheinland-Pfalz dem Lockruf in die Kolonien folgten.

Vor der Auswanderung mussten allerdings rechtliche Hürden genommen werden. Nahezu alle Bewohner auf dem Land waren in jener Zeit Leibeigene. Das bedeutete, dass man beim Grundherrn vor der Auswanderung um „Leibloslassung“ (Manumissio) nachsuchen musste. In der Regel wurde diese nicht verweigert, doch musste dafür eine bestimmte Gebühr gezahlt werden. Außerdem waren von jedem Auswanderungswilligen, der über Vermögen verfügte, in der Regel eine Abzugssteuer von 10 Prozent an den Grundherrn zu entrichten. Die Vermögensverhältnisse des „Supplicanten“ 1) wiederum prüfte das „Amt und Ortsgericht“ (wäre heute das Bürgermeisteramt) und stellte danach ein „Attest“ (= Bescheinigung) aus, die dem Grundherrn vorzulegen war.  

Patent einer „Leibloslassung“ der fürstbischöflichen Hofkammer Bruchsal vom 12. Mai 1783

Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64039 Bild 29

Aus den Annalen des Generallandesarchivs Karlsruhe geht hervor, dass Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere Malschenberger mit Ehefrau und Kindern die Absicht hatten, nach Übersee auszuwandern, und zwar nicht, wie man vermuten könnte, nach Nordamerika, sondern nach Südamerika, und zwar in die französische Kolonie Guyana. Das Ziel dort war die französische Halbinsel Cajenne mit der gleichnamigen Stadt. Dort wollte man mit anderen Kolonisten eine so genannte „Pflanzstadt“ gründen und ein neues Leben aufbauen.

 

Der Grundherr für die Malschenberger war Mitte des 18.Jahrhunderts der Fürstbischof von Speyer, Franz Christoph von Hutten. Er hatte seinen Amtssitz im Schloss zu Bruchsal. Seine Verwaltung war die fürstbischöfliche Hofkammer eben dort. Dorthin schrieb im April 1763 die Malschenbergerin Clara Bellmännin in „tiefer Demut und Bitte“ und beantragte die Loslassung von der Leibeigenschaft mit dem Ziel der Auswanderung in die Kolonie Französisch-Guyana. Sie begründete ihren Antrag damit, dass sie seit nunmehr dreieinhalb Jahren eine „betrübte Wittib“ 2) sei, die von ihrem verstorbenen Mann mit sieben unversorgten Kindern zurückgelassen worden sei. Der Kampf um das tägliche Brot habe sie kraftlos und ohnmächtig werden lassen. Sie schrieb: „Jetzt endlich hat mir der liebe Gott die Gelegenheit eröffnet, dass der König von Frankreich den armen Verlassenen eine Insel in Amerika zum Beginn eines neuen Lebens anberaumet, wohin ich arme Wittib mit meinen sieben Kindern meine äußerste Zuflucht zu nehmen gedenke.“

Das Ortsgericht attestierte der Clara Bellmännin, des Martin Bellmanns hinterbliebene Ehefrau, Vermögenslosigkeit und daraus resultierend große Armut und Not, gegen die sie mit ihren Kindern Anna (27 Jahre), Jakob (23), Valentin (18) Johannes (14) Margaretha (10), Eva Catharina (8) und Joseph (6) Tag für Tag ankämpfen musste.

Auf der Grundlage dieser Bescheinigung des Ortsgerichts erließ die Hofkammer in Bruchsal am 15. April 1763 folgende Verfügung: „Die hochfürstliche Landesregierung sieht keinen Anlass, die von der Bittstellerin beantragte Manumissio zu versagen. Das entsprechende Loslassungs-Patent ist ihr gratis zu erteilen.“ Die Hofkammer zeigte also in Anbetracht der Notlage der Bittstellerin Herz und verzichtete sowohl auf die Bearbeitungsgebühr als auch auf eine mögliche Abzugssteuer.   

Noch im gleichen Monat (April 1763) ging ein weiterer Antrag eines Malschenbergers bei der Hofkammer in Bruchsal ein. Es war ein Mann mit Namen Matheis Rudolph, der für sich, seine Frau Catharina und seinen zwei Kindern namens Andres (6 Jahre) und Joseph (2) die Loslassung von der Leibeigenschaft erbat. Er schrieb dazu: „Hochwürdigster, hochgeborener Reichsfürst. Ich unterthäniger Supplicant habe die Absicht, mit Frau und meinen zwei Kindern in die französische Kolonie Guyana abzuziehen (= damals gebräuchlich für auswandern), um dort mit anderen eine Pflanzstadt zu gründen. Wie hochwürdige Excellenz wissen, benötige ich dazu die Entlassung aus Hochfürstlichen Speyerischen Landen, was ich hiermit geziemend und in schuldiger Unterwerfung beantrage.“

Allerdings ergab sich in diesem Falle die Besonderheit, dass die Ehefrau Catharina aus erster Ehe mit dem verstorbenen Johann Adam Stier bereits vier Kinder hatte, nämlich Barbara (19 Jahre), Johann (16) Elisabeth (13) und Anna Eva (10), so dass die geplante Auswanderung die zwei Eheleute und insgesamt 6 Kinder umfasste. Das Ortsgericht nahm eine Untersuchung der Vermögensverhältnisse vor, und zwar in das bewegliche wie auch „liegende“ Vermögen, wobei auch der Nachlass des verstorbenen ersten Ehemannes mit einbezogen wurde. Letztlich taxierte das Ortsgericht das gesamte vorhandene Vermögen auf 417 Gulden und 35 Kreuzer.                          

Das Attest zur Vorlage bei der bischöflichen Hofkammer wurde ausgestellt und von den nächsten Verwandten der Eheleute Rudolph mit unterschrieben. Am 24. April 1763 erging von der Hofkammer die Verfügung, dass Rudolph mit Ehefrau und sämtlichen Kindern aus der Leibeigenschaft entlassen werde. Allerdings wurde auf die „verordnungsmäßige Gebühr“ nicht verzichtet. Das Entlassungs-Patent wurde erst nach Einzahlung der Gebühr ausgestellt.

Ob die oben genannten Malschenberger samt ihren Kindern im Jahr 1763 tatsächlich in das französische Übersee-Departement Guyana auswanderten, und wenn ja, ob sie dort Glück und Zufriedenheit gefunden haben, ist aus den Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe nicht ersichtlich.

 

Quelle:

Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64039

 

Fußnoten:

1) Supplicant = Bittsteller, Antragssteller

2) Wittib = Witwe

 

Ausschnitt der ersten Seite der Konzessionsurkunde

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84588, Bild 19)

9) Das Gasthaus „Zum Engel“ in Rauenberg

Am 29. März 1797 schrieb Jakob Woll aus Rauenberg an die „hochfürstliche und hochlöbliche Hof- und Rentkammer“ in Bruchsal mit der Bitte, dass ihm eine Konzession zur Führung einer Gaststätte „Zum Engel“ erteilt werde. Zwar habe er bereits jetzt die hochfürstliche Erlaubnis, Bier und Branntwein auszuschenken, was nicht allein zum Nutzen der Rauenberger und auch des durchreisenden Publikums sei, sondern auch von Vorteil für das Fürstentum, was man aus der jährlichen Ohmgeldrechnung ersehen könne. Inzwischen aber sei der Bier- und Branntweinausschank „…mit ziemlichem Schaden verbunden, weil die Ware über Land herbeigeholt werden muss und bei heißer Witterung kommt es immer wieder vor, dass mir ein ganzes Fass Bier zugrunde geht.“ 

Woll wünschte sich daher neben dem Bier-und Branntweinausschank auch die Genehmigung, an seine Gäste zusätzlich Wein ausschenken zu dürfen. Gleichzeitig bittet er um die Erlaubnis, mit einem Hinweisschild an seiner Gaststätte darauf verweisen zu dürfen. Weiter schreibt er: „Durch die Vereinigung der Angebote von Bier-, Branntwein- und Wein wäre ich gegen jeden künftigen Schaden, der mit der Bierwirtschaft verbunden ist, abgesichert. Überdies würde mein Unternehmen für die fürstbischöfliche Herrschaft vorteilhaft sein, weil ich viele auswärtige Bekannte habe, die bei ihrer Durchreise bei mir nach Wein nachfragen. 

Weil ich diesen Wunsch bisher nicht erfüllen kann, reisen diese Leute aber weiter in kurpfälzische Orte. So also entgeht mir das mögliche Einkommen für Speis und Trank, aber auch dem Fürstbischof entsteht ein Schaden, weil das jährliche Ohmgeld entsprechend geringer ausfällt.

Jakob Woll führt in seinem Antrag weiter aus, dass es in Rauenberg zwar schon vier Gastwirte gebe, aber nur zwei von ihnen, nämlich der Hirschwirt und der Löwenwirt, würden tatsächlich ihre Wirtschaft betreiben – was für den Ort Rauenberg, der 120 Bürger vermelden könne und an einer wichtigen Straße nach Heidelberg liege, zu wenig sei. Wenn er nun eine Konzession bekäme, würde den beiden anderen Wirten nichts entgehen. Überdies würde sein Wohnhaus direkt an der Straße stehen und habe selbst alle guten Eigenschaften und Bequemlichkeiten, die man für den Betrieb einer Gaststätte fordern kann.

Die fürstbischöfliche Hofkammer leitete das Gesuch an die Kellerei (Amt) Kislau zur gutachterlichen Stellungnahme weiter. Dort ist man mit einem Bericht vom 13. April 1797 der Meinung, dass die Angaben des Supplicanten (Antragstellers) Jakob Woll „im Ganzen wahrhaft und richtig“ sind. Auch habe sich der Bierwirt bisher gut betragen. Seine Wohnung sei, wie von ihm angegeben, bequem und geräumig und für die Führung einer Schildwirtschaft gut geeignet. Im Übrigen sei man seitens des Amtes der Auffassung, dass in Rauenberg neben den zwei bereits vorhandenen Schildwirtschaften eine dritte existieren könne und solle. Nach alledem bestünden seitens des Amtes keine Bedenken, dem Antrag des Woll stattzugeben und die Konzession zu erteilen.

Am 25. September 1797 wurde dem Jakob Woll mit nachstehender Urkunde die Konzession zum Betrieb der Gaststätte „Zum Engel“ erteilt. Die Konzession hatte Geltung für 10 Jahre. Die Erteilung kostete 12 Gulden „in guter rheinischer Währung“, und die Ausfertigung und Siegelung nochmals 2 Gulden. Zudem wurden für die „Schild-Recognition“ (Hinweisschild am Gebäude) monatlich fortlaufend 40 Kreuzer fällig. Und sollte Jakob Woll „nach Verfließung der 10 Jahre“ eine neue Konzession wünschen, habe er sich bei dem Amt Kislau „im vorgeschriebenen Maße“ zu melden.

Im Stil der damaligen Zeit lautete die Urkunde in ihrem ersten Teil:

„Von Gottes Gnaden, Wir Wilderich, Bischof zu Speyer, Fürst des Heiligen Römischen Reichs, thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß Wir auf unterthänigstes Ansuchen des Jakob Woll zu Rauenberg ihm die Schildgerechtigkeit „Zum Engel“ zu Rauenberg, Amts Rothenberg, gnädigst zu gestatten, diesem Gesuch dergestalten gnädigst willfahret haben, dass 1. Ihm Jakob Woll zu Rauenberg a dato dieses unterschriebenen offenen Patents gnädigst gestattet sey, obbemeltes Schild zum Engel an seine zur Wirthschaft dem Uns gegebenen Bericht nach tauglich befundender Behausung einseits die Allmentstraße und anderseits Schultheiß Fischer -(Straße?) anzuhängen.“

Mit der Erteilung dieser Konzession wäre die Angelegenheit für die nächsten 10 Jahre erledigt gewesen – wenn nicht einige Monate später, im Januar 1798, eine Klage der drei Rauenberger Schildwirte Friedrich Schneider, Franz Haberkorn und Adam Moser bei der fürstbischöflichen Hofkammer eingegangen wäre. Man unterstellte darin dem Kislauer Amtskeller Reich, dass er das Wohnhaus des Jakob Woll wider besseres Wissen als „gut geeignet“ für den Betrieb einer Gaststätte bezeichnet habe. Der Rechtsbeistand (Advokat) der drei Kläger trug dagegen vor, dass er das Gebäude zusammen mit dem Schultheißen Fischer selbst in Augenschein genommen habe. Das Gebäude habe nur eine Stube und eine Kammer, aber keine Stallung für die Pferde, was aber für den Betrieb einer Gaststätte notwendig sei. Von einer Eignung als Gaststätte könne daher keine Rede sein. Das Gutachten des Amtes Kislau entspreche somit nicht der Wahrheit. Im Ganzen müsse festgestellt werden, dass sich Jakob Woll die Konzession durch falsche Angaben erschlichen habe. Er habe sich dazu eines „Maklers“ bedient, eines „nichtkatholischen Ausländers“ aus dem Ort Eichtersheim1). Es sei allgemein bekannt, dass dieser solche „krummen Makler-Geschäfte“ im ganzen fürstlichen Land treibe. Man würde ihm nachsagen, er „mache“ Bürger und Schultheißen. Dieser Mensch habe nicht einmal den landesherrlichen Schutzbrief und dürfe sich daher überhaupt nicht im Amtsbereich des Bistums aufhalten.

Das fürstbischöfliche Amt Rotenberg wurde von der Hofkammer in Bruchsal beauftragt, die Sache näher zu untersuchen, insbesondere ob sich Jakob Woll ungesetzlicher Mittel bedient habe, um die Gaststätten-Konzession zu erlangen. Sollten sich „Data“ (Anhaltspunkte) für ein Fehlverhalten des Jakob Woll ergeben, seien diese pflichtgemäß an die Hofkammer zu berichten.

Das Amt Rotenberg untersuchte monatelang – und konnte am Ende keine Beweise erbringen, dass die Konzession durch unlautere Angaben erschlichen worden sei. Es blieb letztlich nur der allgemein bekannte schlechte Leumund des so genannten „Maklers“ aus Eichtersheim übrig, der Jakob Woll bei seiner Antragstellung unterstützt hatte – offenbar mit rechtlich nicht einwandfreien Mitteln. Aber das reichte nicht für eine Aberkennung der Konzession. Jakob Woll durfte also die Konzession behalten und betrieb die Gaststätte „Zum Engel“ in Rauenberg für die nächsten 10 Jahre – wie es die Urkunde erlaubte. Im Frühjahr 1808 gab er den Betrieb der Gaststätte auf.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84588

 

Fußtnote: 

1) Eichtersheim gehörte damals zum Ritterkanton Kraichgau und nicht zum Hochstift Speyer - war daher für die Rauenberger "Ausland"

10) Neuer gemeinsamer Kirchhof für Malsch und Malschenberg

 

Am 17. Juni 1811 berichtete das Großherzogliche Bezirksamt Wiesloch an seine vorgesetzte Behörde, dem Großherzoglichen Directorium des Neckarkreises in Mannheim, dass die Gemeinde Malsch „…es nötig befindet, den bestehenden Kirchhof zu erweitern.“ Dazu würde sich der direkt an die Kirche angrenzende Platz, bestehend aus 35 Ruten (Anmerkung: 1 Rute ist altes Längenmaß von etwa 4,5 m) gut eignen. Dieser Platz sei kürzlich von dem Schullehrer für 25 Gulden ersteigert worden. Der Erwerber sei bereit, das Grundstück zum gleichen Preis an die Gemeinde zur Kirchhoferweiterung abzugeben. Nun aber, so das Bezirksamt weiter, wolle Vogt und Gericht der Gemeinde Malsch wissen, ob der Kirchhof im Eigentum der Kirchengemeinde oder der politischen Gemeinde stehe – wer also für die Finanzierung des Grundstückskaufs und der beabsichtigten Kirchhoferweiterung letztlich aufkommen müsse. Urkunden über die Besitzverhältnisse, so der Vogt, seien nicht auffindbar, es lasse sich aber doch schließen, dass der Kirchhof eher im Eigentum der Kirchengemeinde stehe, weil es in älteren Zeiten ein gewölbter Keller ohne Überbau auf dem Kirchhof gegeben habe, der ganz sicher der Kirchengemeinde zugeordnet werden könne. Aber allein aus diesem Umstand, so das Bezirksamt, könne man nicht folgern, dass die Kirchengemeinde die Kosten zu tragen habe. In dem geltenden Landesrecht finde man jedenfalls dazu keine Bestimmung. Es müsse daher die allgemeine Regel gelten, dass – sofern kein besonderer Anschaffungstitel vorhanden sei – die politische Gemeinde die Kosten einer Kirchhof-Vergrößerung zu bestreiten habe.

Das Kreisdirectorium zu Mannheim pflichtete mit Schreiben vom 20. Juni 1811 dem Bezirksamt Wiesloch bei. Es war ebenfalls der Meinung, dass die Gemeinde Malsch die Kosten des Grundstückskaufs und der geplanten Erweiterung zu tragen habe, solange nicht schlüssig erwiesen sei, dass durch einen gültigen Rechtstitel eine andere Institution dazu verpflichtet sei.

Friedhof Malsch mit östlicher Begrenzungsmauer

Die Genehmigung des neuen Kirchhofs durch das Großherzogliche Kreisdirectorium Mannheim vom 13. Juli 1816

Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 63936, Bild 7

Es vergingen weitere 5 Jahre, bis das Thema erneut auf die Tagesordnung kam. Inzwischen aber war man in Malsch zu der Einsicht gekommen, dass die bisher beabsichtigte Kirchhoferweiterung für die Begräbnisse nicht mehr ausreichen würde. Das Bezirksamt Wiesloch wurde von der neuen Situation verständigt und dieses wandte sich mit einem Schreiben vom 14. Mai 1816 an das Kreisdirectorium zu Mannheim: „Das Pfarramt und auch der Ortsvorstand von Malsch beklagen sich, dass der an der Kirche gelegene Friedhof so wenig im Verhältnis zur Sterblichkeit geräumig sei, dass manchmal Leichen ausgegraben werden, ohne vollkommen verwest zu sein. Man befürchte in den Ortsteilen Malsch und Malschenberg für die Bevölkerung schädliche Folgen für die Gesundheit. Die Gemeinde habe indessen einen „schicklichen Platz“ im Gewann „Frohnacker“ gefunden und diesen für insgesamt 130 Gulden zur Anlage eines neuen Kirchhofs aufgekauft. Pläne dazu gibt es bereits.“

Wie das Bezirksamt Wiesloch weiter erläuterte, habe man in den beiden Ortsteilen Malsch und Malschenberg eine Abstimmung über die Neuanlage eines Kirchhofs im Gewann „Frohnacker“ veranlasst. Die Malscher Bürger hätten ausnahmslos der Planung zugestimmt, die Malschenberger allerdings nur zum Teil. Einige von ihnen würden verlangen, dass der neue Friedhof auf die Grenze zwischen Malsch und Malschenberg gelegt werde. Dieses Ansinnen sei, so das Bezirksamt, mit den seit Jahren bestehenden Spannungen zwischen beiden Ortsteilen zu erklären, die noch dadurch befeuert werden, dass aktuell Trennungsverhandlungen und Grenzregelungen im Gange sind. (Anmerkung: Der Ortsteil Malschenberg erlangte erst acht Jahre später durch Haupturkunde vom 13. Mai 1824, genehmigt vom Bezirksamt Wiesloch, seine politische Selbstständigkeit - siehe auch Beitrag Nr. 1 in diesem Blog).

Ungeachtet dieser Malschenberger Einwände ist das Bezirksamt der Meinung, dass man der Absicht der Gemeinde Malsch entgegen kommen sollte, weil der von der Gemeinde geplante Platz für den neuen Kirchhof „uns völlig geeignet und zuträglich erscheint.“ Abschließend äußerte man gegenüber dem Kreisdirectorium die Bedenken, dass der bisherige Kirchhof mit einer Fläche von einem halben Morgen (= etwa 1.800 qm) für ca. 1.400 Seelen in der Summe der beiden Ortsteile bald nicht mehr ausreichen könnte. 

Der ebenfalls in der Sache eingeschaltete Bezirksphysikat (Anmerkung: Nach heutigem Verständnis der Amtsarzt) Dr. Sartorius pflichtete der Ansicht des Bezirksamtes bei und schrieb: „Der seitherige Kirchhof von weniger als einem halben Morgen Fläche würde zwar bei dem bisherigen Begräbnisgebrauch, wonach alle Familienmitglieder in das gleiche Grab kommen, ausreichen. Aber diese Unsitte gilt inzwischen als aufgehoben. Jetzt muss jeder Verstorbene in sein eigenes Grab gelegt werden, so dass die bisherige Fläche von einem halben Morgen für die in Malsch und Malschenberg lebenden 1.400 Seelen bald nicht mehr ausreichen würde.“

So erging mit Datum vom 13.Juli 1816 durch das Kreisdirectorium Mannheim folgender Beschluss: „Auf der Grundlage des vorliegenden Plans wird der Gemeinde Malsch die Anlage eines neuen Kirchhofs genehmigt mit der Maßgabe, dass die Gräber für jeden Verstorbenen einzeln und nacheinander in Reihen angelegt werden.“

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63936

11) Der Wald auf dem Letzenberg

 

Wenn in den Dörfern rings um den Letzenberg von eben diesem Berg die Rede ist, denken die Menschen automatisch an die schöne Wallfahrtskapelle, die auf der Kuppe des Berges steht und aus kilometerweiter Entfernung zu sehen ist. Die Kapelle wurde im Jahr 1902 erbaut und zu Ehren der Muttergottes („Sieben Schmerzen Mariens“) geweiht. In den Jahrhunderten davor war der Letzenberg allerdings sowohl auf seiner Südseite (Malsch) als auch Nordseite (Malschenberg) dicht bewaldet - unter anderem „mit jungen, kräftigen Eichen“, wie in einer Beschreibung des Feldmessers Adam Zopf aus dem Gemarkungsplan Malsch-Malschenberg aus dem Jahr 1801 zu lesen ist. Für den Verfasser dieser Zeilen war dies eine neue und erstaunliche Erkenntnis, kennt er doch aus seiner Kindheit den Letzenberg nur als einen 247 m hohen „Buckel“, der rings um die Wallfahrtskapelle mit minderwertigen Bäumen (Akazien), niedrigem Gehölz und wuchernden Brombeerhecken bewachsen war.

Der bewaldete Letzenberg (Buchstabe C) nach einer Darstellung im Gemarkungsplan Malsch-Malschenberg aus dem Jahr 1801

Buchstabe A der Ort Malschenberg und Buchstabe B der Ort Malsch

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch H Malsch HD 3)

Anfang des 19. Jahrhunderts brauchte die Gemeinde Malsch mit ihrem Teilort Malschenberg mehr Platz für die zunehmende Einwohnerzahl. So reifte im Jahr 1820 bei Vogt und Ortsvorstand1) zu Malsch die Absicht, einen Teil des Waldes am Letzenberg „urbar“ zu machen. Geplant war die Ausstockung von 27 Morgen Wald.2) Ein entsprechender Antrag wurde dem Großherzoglichen Badischen Bezirksamt in Wiesloch vorgelegt. Dieses leitete den Antrag an das Großherzogliche Oberforstamt Bruchsal weiter mit der Bitte, den Antrag der Gemeinde zu unterstützen, da die Planung nach Ansicht des Bezirksamtes „vorteilhaft sowohl für die Gemeinde als auch für die allgemeine Forstkultur“ sei. So wolle die Gemeinde nach eigenem Bekunden eine gleiche Fläche in ihrem Wald in der Bruchniederung wieder aufforsten, so dass dem gesamten Malscher Walddistrikt kein Flächenverlust entstehen würde. Das gerodete Areal am Letzenberg wolle man anschließend unter den Gemeindegliedern gerecht verteilen.

Der Antrag der Gemeinde Malsch zur Waldausstockung nahm nun seinen behördlichen Gang. Vom Oberforstamt Bruchsal wurde er an das Direktorium des Neckarkreises zu Mannheim2) weitergeleitet und von dort an das Großherzogliche Finanzministerium in Karlsruhe. Die Behörden hatten keinen Einwand gegen die geplante Waldausstockung, machten allerdings zur Auflage, dass eine gleiche Fläche wieder im Bruchwald mit Erlenbäumen aufgeforstet werde und dass das ausgestockte Areal am Letzenberg unter den Malscher Bürgern in „schicklicher Weise“ verteilt werde. Für den letzteren Fall wurde der Gemeinde freigestellt, die gerodete Fläche am Letzenberg den Bürgern entweder als Gemeingebrauch (Allmende) oder als Eigentum in einzeln zu versteigernde Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Gerade auf das Verfahren zur künftigen Nutzung und Verteilung der ausgestockten Fläche legten die Behörden großen Wert. So wurden durch Verfügung des Kreisdirektoriums zu Mannheim vom 30. März 1821 Vogt und Ortsvorstand zu Malsch verpflichtet, sämtliche Bürger „veritim“ (einzeln) zu befragen, welche Nutzung sie bevorzugen; hierüber sei ein Protokoll zu fertigen und den Behörden vorzulegen.

Am 23. Juli 1821 erfolgte in Vollzug dieser Anweisung „ein gehorsamster Bericht des Ortsvorstands zu Malsch“ an das Bezirksamt Wiesloch. Hierbei machte der Ortsvorstand deutlich, dass eine Urbarmachung des ausgestockten Areals wegen des steinigen Bodens am Letzenberg mit mühsamer Arbeit verbunden sei. Dazu seien die Bürger aber nur bereit, wenn sie Grundstücke in Eigentum erwerben könnten. Im Falle des Gemeingebrauchs (Allmende) könnte von den Bürgern ein solcher Einsatz nicht erwartet werden. „Aus diesem Grund“ – so der Ortsvorstand – „ergeht die Bitte an das Großherzogliche Amt, es möge Vorkehrung treffen, damit der ausgestockte Walddistrikt am Letzenberg in Eigentum versteigert werden könne.“ Das Gesuch war unterschrieben von dem Vogt Oestringer und den Gerichtsleuten Johann Ehrhardt, Sebastian Rösch und Adam Bender.

Das Bezirksamt Wiesloch war mit dieser Antwort noch nicht zufrieden. Mit einem Schreiben vom 27. August 1821 wurde die Gemeinde Malsch aufgefordert, die Bürger akribisch „Mann für Mann“ darüber abstimmen zu lassen, ob das nun verfügbare Areal am Letzenberg als Allmende oder als Eigentum genutzt werden solle. Im zweiten Falle solle das Gelände vermessen, in „schickliche Lose“ aufgeteilt und in ihrem Wert gerichtlich „taxiert“ (geschätzt) werden.

Am 20. September 1821 meldete die Gemeinde Vollzug dieser Verfügung. Die Bürger seien, wie vom Bezirksamt gewünscht, „Mann für Mann“ vernommen worden. Zum Beweis dafür wurde eine Liste mit 107 Unterschriften Malscher Bürger vorgelegt, „…und es habe sich gezeigt, dass kein einziger Bürger für die Allmende-Nutzung gewesen sei. Vielmehr sei es der Wunsch der gesamten Bürgerschaft, das ausgestockte Areal als Eigentum zu ersteigern und zu nutzen. Das sei im Übrigen auch das Beste für die Gemeindekasse, könne doch der Erlös zur Schuldentilgung verwendet werden.“ Zugleich wurde eine Aufstellung des Geometers Weid vorgelegt, der das ausgestockte Areal in 10 einzelne Gewanne und anschließend in Lose aufgeteilt hatte. Anschließend wurden diese Aufstellung sowie der geschätzte Wert der neuen Grundstücke von Vogt und Ortsgericht beurkundet. Abschließend wurde um Genehmigung der Unterlagen und der baldigen Versteigerung gebeten, da „jetzt die beste Witterung für die anstehenden Arbeiten“ sei.

 

Die Genehmigung der Wald-Versteigerung auf dem Letzenberg

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 64035 Bild 16)

 

Das Direktorium des Neckarkreises, das für die Genehmigung zuständig war, hatte aber immer noch Vorbehalte. Die Behörde schrieb unterm Datum vom 11. Dezember 1821 an das Bezirksamt Wiesloch: „Jedoch scheinen uns die vom Malscher Ortsvorstand vorgeschlagenen Lose zu groß und zur Bearbeitung daher zu beschwerlich. Diese Lose sind daher nach unserer Ansicht auf einen oder anderthalben oder allenfalls auf 2 Morgen zu verkleinern. Das Amt Wiesloch hat deshalb die Versteigerung nur mit dieser Vorgabe durchzuführen.“     

Die Versteigerung wurde vom Amt Wiesloch auf den 5. Januar 1822 früh um 10.00 Uhr festgesetzt. Der Ortsvorstand wurde angewiesen, bis dahin sämtliche Lose, die größer als 2 Morgen sind, zu verkleinern. Auch wurde gebeten, den Versteigerungstermin nicht nur in Malsch, sondern auch in der Umgebung bekanntzugeben, weil sich vielleicht auch in den Nachbarorten wie z.B. in Rauenberg, Mühlhausen, Rettigheim und Rot Steigerungsinteressenten finden könnten. Die künftigen Erwerber seien darauf hinzuweisen, dass das Eigentum erst mit der vollständigen Zahlung des Gebots von der Gemeinde auf sie übergehe. Bis dahin seien sie nur "im Besitz" des Grundstücks. Über die Baumstümpfe und die vorhandenen Steine auf den Grundstücken könnten die Ersteigerer frei verfügen. Allerdings werde nicht geduldet, dass ein Grundstück am Ende wie ein Steinbruch aussehe.

Die Versteigerung fand zum angegebenen Termin am 5. Januar 1822 statt. Es wurde für die Gemeindekasse ein Gesamterlös von 1.244 Gulden und 55 Kreuzer erzielt, der wohl zur Schuldentilgung verwendet worden war. Das Kreisdirektorium zu Mannheim erteilte mit Erlass vom 22. Januar 1822 die Genehmigung der Ausstockung und der Versteigerung.

 

Fußnoten: 

1) Vergleichbar mit dem heutigen Gemeinderat

2) 27 Morgen entsprechen etwa 10 Hektar

3)  Entspricht dem heutigen Regierungspräsidium

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Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 64035

12) Ein Schulhaus für Malschenberg

 

Über Jahrhunderte war Malschenberg nur ein unselbstständiges Anhängsel der Gemeinde Malsch. Der Weiler auf der Nordseite des Letzenbergs entstand wohl bereits im Mittelalter, als Bauern von Malsch über den Berg zogen, um dort ein neues Zuhause und neues Ackerland für sich und ihre Familien zu finden. So richtig Frieden kehrte aber zwischen den beiden Ortsteilen nicht ein. Die Muttergemeinde würde die Bürger des kleineren Ortsteils bei allen öffentlichen Pflichten, insbesondere bei den Frondiensten, bei Steuern, Abgaben und bei der Nutzung der Allmendwiesen1) benachteiligen - so jedenfalls sahen es die Malschenberger. So wundert es nicht, dass die Malschenberger Bürger bereits im Jahr 1797 bei dem fürstbischöflichen Amt Rotenberg den Antrag auf Loslösung von der Gemeinde Malsch stellten. Im Jahr 1802 beauftragten die Bürger von Malschenberg – 59 an der Zahl, Frauen und Kinder nicht mitgerechnet – einen Advokaten mit den rechtlichen Maßnahmen, die zur Trennung von Malsch und zur Erlangung der Selbstständigkeit erforderlich waren. Tatsächlich erfolgte die politische Trennung der beiden Ortsteile mit Urkunde des Großherzoglichen Bezirksamtes Wiesloch vom 13. Mai 1824.2)

Bis dahin aber mussten die Malschenberger wohl oder übel die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde Malsch wie Rathaus, Kirche, Friedhof und Schule weiterhin nutzen. Insbesondere für die Schüler war es nicht einfach. Sie mussten im Sommer den beschwerlichen Fußweg hin-und zurück „über den Berg“ antreten. Dazu kam, dass die Kinder und Jugendlichen den Eltern oft bei der Feldarbeit helfen mussten und die Schule bzw. der Unterricht dadurch ausfiel. So beklagte sich bereits 1722 der damalige Pfarrer Johann Konrad Gramlich bei seiner vorgesetzten Behörde, dass viele Kinder der Schule fern blieben, „ohngeachtet einer möglichen Kirchenstrafe“, die er den Eltern der säumigen Kinder angedroht habe. Das gleiche Übel vermerkte der Pfarrer Johann Baptist Bußer im Jahr 1767. So würden vor allem die „größeren Buben“ während der Schulzeit zu Treibjagden im Wald eingesetzt, wo sie mit Stangenschlagen das Wild aufscheuchen müssten. Im Winter hingegen wollte man den Kindern aus Malschenberg nicht zumuten, bei Eis und Schnee über den Letzenberg zur Schule nach Malsch zu laufen. Also schickte der Malscher Schulmeister einen Hilfslehrer (Präzeptor) nach Malschenberg zur Abhaltung der so genannten „Winterschule“.  

Insgesamt aber war die Unterrichtssituation in Malschenberg unbefriedigend und die Behörden wurden auf diesen Zustand aufmerksam. Im Oktober 1804 schrieb das Kurfürstliche Geheime Ratskollegium mit dem Sitz in Mannheim, dass „zur Beseitigung der augenfälligen Nachteile bei der Erziehung der Malschenberger Jugend“ endlich ein eigener Schullehrer für den Ortsteil bestellt werden müsse. Diesem sei eine angemessene Besoldung, bestehend aus Geld und Naturalien, und dazu eine freie Wohnung zuzusichern.

Hinsichtlich der „freien Wohnung“ für den Lehrer gab es allerdings Schwierigkeiten. Es stellte sich heraus, dass das bisher zur „Winterschule“ genutzte Häuschen für eine Lehrerwohnung „zu ungeräumig“ war. Eine Erweiterung war daher notwendig. Ein Bauplan hierfür wurde von dem Obristen und Baudirektor Schwarz gefertigt und sein Kostenvoranschlag belief sich auf 686 Gulden. Da sich die Gemeinde Malsch (mit Malschenberg) mit Blick auf die klamme Gemeindekasse außerstande sah, dieses Geld aufzubringen, schlug das Kurfürstliche Geheime Ratskollegium vor, die Baukosten aus den über 1200 Gulden belaufenden Zinsrückständen des St. Wendelin-Kapellenfonds zu finanzieren. In diesem Falle seien, so das Ratskollegium, die Hindernisse zur Ausführung des Bauplanes bzw. zur Erweiterung des Schulhauses in Malschenberg beseitigt.

Die Kurfürstlich-Badische-Katholische Kirchenkommission zu Bruchsal erhielt davon Kenntnis und war mit dieser Lösung überhaupt nicht einverstanden. Sie schrieb dazu: „In der Angelegenheit sind Stellen beteiligt, die hierfür keine Kompetenz haben, weil die Beurteilung der Frage, wann, wo und ob überhaupt eine Schulhauserweiterung nötig ist, ebenso die Frage der Einstellung eines katholischen Schullehrers, nur der Katholischen Kirchenkommission obliegt.“ Ferner sei die Verwendung von Geldern der St.Wendelin-Kapellen-Stiftung nicht zulässig, weil die Stiftung mit dem Schulhausbau in Malschenberg nichts gemein habe. Insgesamt müsse das ganze Bauvorhaben genauestens geprüft werden und könne erst dann Fortsetzung finden, wenn die ausdrückliche Genehmigung der Kirchenkommission erteilt worden sei.

Das Kurfürstliche Geheime Ratskollegium ärgerte sich über diese strikte Haltung der Katholischen Kirchenkommission, habe man doch „die Vorfragen mit welt- und geistlichen Landesstellen abgeklärt“ – und diese seien „in der Sache durchaus kompetent“ gewesen. Um das Verfahren abzukürzen, machte das Ratskollegium den Vorschlag, die notwendigen 686 Gulden aus dem Kapellenfonds zu entnehmen und die Ortsteile Malsch und Malschenberg verbindlich zu verpflichten, den Betrag in 10 Jahren in jährlich gleichbleibenden Raten zurückzahlen; eine Verzinsung sollte es nicht geben.

Die zuletzt genannte Verpflichtung wollten die Ortsteile Malsch und Malschenberg mit Hinweis auf ihre hohe Schuldenlast nicht eingehen. Ungeachtet dessen hatten sie aber Anspruch auf die Summe von 686 Gulden aus dem St.Wendelin-Kapellenfonds – das jedenfalls wurde vom Kurfürstlich Geheimen Ratskollegium per Dekret vom 25. Oktober 1804 ausdrücklich bestätigt. Es folgte von dort die Weisung, dass die Auszahlung dieses Betrags „zum Behuf der Schulhauserweiterung in Malschenberg“ alsbald zu erfolgen habe.

 

Die Zustimmung der Kirchenkommission zum Baukostenzuschuss (Repro: GLA Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64014)

 

Letztlich gab die Kurfürstlich-Badische-Katholische Kirchenkommission klein bei. Sie war mit Schreiben vom 20. November 1804 mit der Auszahlung von 686 Gulden als Baukostenzuschuss einverstanden, allerdings mit der Auflage, dass die Gemeinde Malsch die ausstehenden Rückstände aus dem St. Wendelin-Kapellenfonds in Höhe von 1200 Gulden beizutreiben habe.

Ob dies in den Folgejahren geschehen ist, lässt sich aus den Verfahrensakten nicht entnehmen. Jedenfalls wurde der St.Wendelin-Kapellenfonds fünf Jahre später auf Antrag der Gemeinde Malsch durch Dekret der Badischen Landesregierung vom 25. Juli 1809 aufgelöst, die Kapelle abgebrochen und die Materialien versteigert.3)

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64014

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Fußnoten:

1) Siehe dazu der Beitrag unter Ziffer 2 dieses Blogs (Streit um die Nutzung der Allmendwiesen)

2) Siehe dazu der Beitrag unter Ziffer 1 dieses Blogs (Als Malschenberg selbstständig wurde)

3) Siehe dazu der Beitrag unter Ziffer 3 dieses Blogs (Die St.Wendelin-Kapelle)

Rauenberger Ortsetter um 1775 (Repro: GLA KA - H Rauenberg HD 2)

links blau eingezeichnet das Mühlengelände am Waldangelbach

13) Die Mühle zu Rauenberg

Der „Dominus Directus“, der Erbgrundherr der herrschaftlichen Mühle zu Rauenberg war seit Jahrhunderten der jeweilige Fürstbischof zu Speyer mit dem Sitz in Bruchsal. Sein weltlicher Herrschaftsbereich war das „Hochstift Speyer“, das ein Hoheitsgebiet von Bruchsal im Süden bis nach Schifferstadt im Norden umfasste. In allen Verwaltungsangelegenheiten, namentlich in Steuer-und Finanzfragen, wurde er durch die Hof- und Rentkammer zu Bruchsal vertreten. Der Müller hingegen, genannt der Erbbeständer, besaß nur das Erblehen an der Mühle. Dieses Recht ging auf seine jeweiligen ehelichen Erben über. Verkaufen konnte er dieses Recht an Dritte allerdings nur mit Zustimmung des Fürstbischofs.

Die Rauenberger Mühle war im ausgehenden Mittelalter ein stattliches Anwesen. Dieses setzte sich zusammen aus dem Grundstück mit der Mahlmühle, das - so heißt es in der Chronik - „einerseits gelegen zwischen Martin Knab, andererseits gegen das Amtshaus von Rauenberg, vorderes End die Allmentgass und hinteres End der Ablassgraben.“ Dazu gehörten diese weiteren Güter: Ein halber Morgen Wiesen „nächst der Mühl gelegen, auf der einen Seite der Bach, auf der anderen Seite der Ablassgraben, hinteres End begrenzt durch das Anwesen Peter Berntzen Erben.“ Dazu 1 Morgen „öden Weinbergs“, begrenzt durch den Acker des Nikolaus Klee und durch einen Weingarten des Johann Doll aus Rotenberg. Und schließlich noch ein halber Morgen Acker zwischen den Grundstücken des Nikolaus Klee und Jakob Greulich.

Natürlich war dieses Erblehen nicht umsonst. Für die gesamte Mühle einschließlich der dazu gehörigen Güter waren an das fürstbischöfliche Hochstift Speyer jährlich 10 Malter1 Korn und in jedem dritten Jahr, weil da der herrschaftliche Acker brach lag, aber nur 9 Malter Korn zu entrichten. Für die genannte Wiese wurden jährlich 4 Rappen und 45 Kreuzer als herrschaftlicher Geldzins fällig, der an die Amtskellerei Rauenberg zu entrichten war. Ferner war an das Almosen-Amt der Kirche zu Rauenberg jährlich 1 Malter Korn „zum Brodbacken“ abzuführen, der Malter aufgeteilt in vierteljährlichen Raten.

Die Müller kamen und gingen. Im Jahr 1680 verkaufte der damalige Schultheiß Georg Sauer sein Erblehen an der Rauenberger Mühle an Balthasar Walther. Ein Nachkomme von diesem – Michael Walther – verkaufte im Jahr 1719 wiederum an einen Hans Schiller. Der allerdings und anschließend seine Erben führten mit dem Fürstbischof einen jahrzehntelangen Rechtsstreit, der erst nach vielen Jahren durch das Einschalten der Amtskellerei Rauenberg durch einen “wohlbedächtlichen Vergleich“ beendet werden konnte. 1753 veräußerte der verbleibende „Schiller’sche Erbe“ namens Nikolaus Schiller unter rechtlicher Aufsicht (da er noch minderjährig war) sein Erblehen an der Mühle an Johann Michael Stier und dessen Ehefrau für einen „angemessenen und gerechten Preis“ von 3.510 Gulden.

Schon mit dem Kauf ließ der Müller Johann Michael Stier die Obrigkeit wissen, dass er die Absicht habe, das Erblehen an den Ehemann seiner Tochter Anna Eva weiterzugeben. Dieser Mann mit Namen Michael Mühlhöltzer stammte aus Neibsheim in der Nähe von Bretten, war gelernter Müller und daher gut geeignet, die Mühle zu führen. Das fürstliche Hochstift zu Speyer sah keine Veranlassung, diese Weitergabe des Erblehens vom Schwiegervater auf den Schwiegersohn zu beanstanden und erteilte mit Erlass vom 22. Februar 1754 dazu seinen rechtlichen Segen in Form eines „renovierten Erbbestandsbriefes“.

Dieser lautete auf seiner ersten Seite (1. Abschnitt) wie folgt:

„Ich, Michael Mühlhöltzer, und mit mir meine eheliche Hausfrau Anna Eva, geborene Stierin, urkunden und bekennen für uns, unsere ehelichen Erben und davon Abstammende:  Was gestalten der Hochwürdigste Fürst und Herr Franz Christoph, Bischof zu Speyer pp. unser gnädigster Landesfürst und Herr, aus uns und unsere eheliche Nachkommenschaft, die herrschaftliche Mahlmühl zu Rauenberg samt Appentinen3 in einen Erbbestand gnädigst transferiert und darüber einen renovierten Erbbestandsbrief ertheilt haben, welcher von Wort zu Wort lautet, wie hiernach beschrieben stehet:“

 

Auszug aus dem Erbbestandsbrief für Michael Mühlhöltzer (Repro: GLA Karlsruhe, Findbuch 42 Nr. 4606)

 

Allerdings wurde die Zustimmung des Hochstifts Speyer mit zahlreichen Auflagen und Hinweisen verbunden. So wurde Mühlhöltzer verpflichtet, innerhalb von drei Jahren die Mühle und die dazugehörigen Güter zu renovieren und, sobald geschehen, der Kellerei zu Rauenberg einen entsprechenden Nachweis darüber in Form einer „Renovationsurkunde“ zu liefern.

Im Übrigen galten für Mühlhöltzer alle Bestimmungen, wie sie seit Jahrhunderten von allen Müllern beachtet werden mussten: Sollte der Müller versterben und sein Erbe wollte in das Erblehen eintreten, musste dieser gegenüber der fürstlichen Hofkammer durch Urkunde beweisen, dass er rechtmäßiger ehelicher Nachkomme des Verstorbenen war. Zugleich war er verpflichtet, ein „Laudemium“ 2 an die Hofkammer zu entrichten. Sollte aber der Müller ohne einen rechtmäßigen Erben versterben, würde die Mühle mit sämtlichen Gütern an den Fürstbischof zurückfallen. Die gleiche Rechtswirkung trat ein, wenn der Müller in seinen Pflichten und Abgaben zwei Jahre lang „saumselig“ sein sollte, insbesondere die zu zahlenden Abgaben nicht oder nur zum Teil entrichtete; auch dann fiel die Erbbestandsmühle mit all ihren Gütern dem Fürstbischof anheim. Natürlich galt diese strenge Regel nicht, wenn der Müller ohne sein Verschulden die Abgaben nicht leisten konnte, weil die Mühle etwa in Folge von Feuer, Hochwasser oder kriegerischen Handlungen nicht oder nur eingeschränkt betrieben werden konnte. In solchen Fällen wurde ihm von der fürstbischöflichen Verwaltung Zeit zum Wiederaufbau gegeben – und zudem wurde er von allen Abgaben entbunden.

Des Weiteren war der Müller nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Fürstbischofs die Mühle oder Teile von ihr zu belasten, zu verpfänden, zu versetzen oder zu veräußern. Ein Verkauf der Mühle war also nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Fürstbischofs möglich. Der Käufer war dann aber verpfichtet, 2 Prozent des Kaufpreises an die bischöfliche Hofkammer zu entrichten.

Das abzuführende Getreide (10 bzw. 9 Malter jährlich) musste vom Müller selbst in die herrschaftlichen Speicher verbracht werden. In Rauenberg war dies das fürstbischöfliche Schloss (heute: „Landfriedhaus“). Sofern der Platz dafür nicht ausreichte, war er verpflichtet, eine auswärtige Kellerei anzufahren, wobei er „4 bis 5 Stunden Wegs ohnentgeltlich“ in Kauf nehmen musste.

Endlich musste der Müller sowohl für sich als auch für seine eheliche Nachkommenschaft die „gnädigst erteilthe Erbverleihung“ mit all ihren Klauseln und Bedingungen mit eigenhändiger Unterschrift anerkennen und dabei versichern, dass er alle diese Auflagen getreulich erfüllen und die geforderten Abgaben zur gehörigen Zeit richtig und ohne Abzüge abführen werde. Mit der Erbverleihung wurde er zugleich vorgewarnt, dass etwaige Ausflüchte, die er künftig wegen eines angeblichen Irrtums, Betrugs oder Missverständnisses vorbringen werde, ebenso wenig akzeptiert würden wie Einwendungen gegen die fürstbischöflichen Regeln – „egal wie diese lauten und von wem sie vorgebracht werden.“

 

Quelle:

Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 42 Nr. 4606

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Fußnoten:

1  Der Malter entsprach damals im badischen Landesteil etwa 150 Kilo, also 3 Zentnern

2  Laudemium = Handgeld, Eintrittsgeld

3  Appentinen =  Zugehörige Güter

 

Amtsschreiber Johann Valentin Schäfer bittet die Hofkammer zu Bruchsal, in das "Neid'sche Haus" umziehen zu dürfen

Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84403 (Bild 2)

14) Das „Neid’sche Haus" zu Rauenberg als Amtsschreiberwohnung

Das ehemalige Wohnhaus des Michel Neid (nachfolgend: „Neid’sche Haus“) zu Rauenberg befand sich in der direkten Nachbarschaft des fürstbischöflichen Schlosses und wurde im Jahr 1723 im Auftrag seiner Eminenz des Fürstbischofs zu Speyer, Kardinal Hugo Philipp von Schönborn, von der bischöflichen Hof- und Rentkammer mit dem Sitz in Bruchsal zum Preis von 440 Gulden ersteigert.

Aus den Akten des Generallandesarchivs geht nicht hervor, für welche Zwecke das ersteigerte Anwesen in den Folgejahren verwendet wurde. Jedenfalls diente es nicht als Wohnung des herrschaftlichen Amtsschreibers. Denn dieser - mit Namen Johann Valentin Schäfer – richtete im August 1753 an die fürstbischöfliche Hofkammer zu Bruchsal die Bitte, man möge ihm doch das „herrschaftliche Häuslein“, genannt Neid’sches Haus, in der Nachbarschaft des Schlosses als Wohnung zuweisen. Dazu führt er aus:

„Am Ort Rauenberg finde ich für mich einfach keine Wohnung. Seit 8 Jahren logiere ich in einem örtlichen Wirtshaus, habe da nur eine Stube und eine Kammer, aber weder Küche noch Keller. Da nun gleich neben dem Kellerei-Schloss ein herrschaftliches einstöckiges Häuslein steht, das über eine Stube, eine Kammer, eine Küche, eine Scheune, einen Stall und einen kleinen Keller verfügt, könnte ich mich künftig gut verbessern.“

Der Vorgesetzte des Amtsschreibers, der Amtskeller zu Rotenberg, wurde von der Hofkammer um Stellungnahme zu dem Antrag gebeten. Dieser befürwortete den Antrag seines Schreibers ohne Einschränkung, …weil er künftig neben der Kellerei zu wohnen käme und er bei herrschaftlichen Vorfällen geschwind zur Stelle sei.“ Die Hofkammer zu Bruchsal hatte keine Einwände gegen den neuen Mieter und ab diesem Jahr diente das „Neid’sche Haus“ als Wohnung für den jeweiligen Amtsschreiber. 

18 Jahre später hieß der Rauenberger Amtsschreiber Kerner. Dieser beklagte sich mit einem Schreiben vom 11. Juni 1771 bei der fürstbischöflichen Hofkammer über den maroden Zustand seiner Wohnung im Neid’schen Haus. Bei andauerndem Regenwetter würde „an fast allen Orten des Hauses“ das Wasser eindringen. Auch der Keller und die zum Haus gehörende Scheune blieben davon nicht verschont. Seine Heumahd in der Scheune sei heuer durch den Regen verdorben und nicht mehr zu gebrauchen. Er richtete daher die „untertänigste und gehorsamste Bitte“ an die Hofkammer, man möge doch die notwendigen Reparaturen an dem Haus alsbald vornehmen, um einen noch größeren Schaden zu verhüten. Zugleich sollte im Zuge dieser Arbeiten unter dem Dach ein Zimmer ausgebaut werden, da er bisher „nur eine Stube und ein kleines Kämmerlein“ als Wohnung zur Verfügung habe. Damit könne er künftig ein weiteres Zimmer sein eigen nennen.

Die Hofkammer beauftragte den herrschaftlichen Hofrat und Baumeister Stahl mit der Begutachtung des Bauzustands des „Neid’schen Hauses“. Dieser stellte nach einem Ortstermin fest, dass eine Sanierung des Hauses wegen „des Alters und der Schlechtigkeit der Bausubstanz“ nicht in Betracht kommen könne: „Jeder Bau- und Kostenaufwand wäre daran verlorene Mühe“. Der Hofrat schlug daher vor, dass der Amtsschreiber in das benachbarte Schloss umziehen solle. Dort sei Platz genug für eine Amtsschreiberwohnung vorhanden, weil die in dem Schloss untergebrachte fürstbischöfliche Kellerei sicherlich nicht alle Zimmer benötigte. Und das „Neid’sche Haus“, wo sich jede Sanierung und Unterhaltung nicht mehr lohne, könne öffentlich zum Verkauf angeboten werden.

 

Das ehemalige Schloss zu Rauenberg (Repro: GoogleMaps)

Die Hofkammer forderte daraufhin den Rotenberger Amtskeller Sonntag auf, Vorschläge zu machen, in welchen Zimmern im Schlossgebäude der Amtsschreiber Kerner künftig „füglich und ohne Kostenaufwand logieren“ könnte. Auch sollte für ihn ein Teil des Speichers und des Kellers bereitgestellt werden. Der Amtskeller Sonntag hielt aber gar nichts von der Idee, dass sein Amtsschreiber in das Schloss umziehen sollte. Mit einem Schreiben vom 26. Juli 1771 äußerte er sich dahingehend, dass für den Amtsschreiber eine Küche im Schloss nicht vorhanden sei; eine solche müsste daher erst eingebaut werden. Auch im Speicher des Schlosses sei kein Platz verfügbar, weil dort eine Reihe von Schornsteinen im Wege stünde. Insgesamt sei festzustellen, dass für den Amtsschreiber im hiesigen 

Schlossgebäude „nicht das geringste Plätzchen an Speicher, Keller, Stallung und Holzschopfen“ zur Verfügung stehe. Solches aber sei für ein „gutes Wohnen“ unabdingbar. Der Amtskeller Sonntag schlug daher vor, den Amtsschreiber in seiner bisherigen Wohnung zu belassen, dort aber das obere Stockwerk zu einer Stube und Kammer auszubauen und für die Arbeit eines schreibenden Beamten „aptierend“ (passend) zu machen.

Ein halbes Jahr später – im März 1772 – musste sich die fürstbischöfliche Kellerei Kislau mit der Angelegenheit befassen. Diese hatte inzwischen mehrere Handwerker beauftragt, die notwendigen „Reparationen“ am bisherigen Amtsschreiberhaus aufzulisten und deren Kosten zu beziffern. Die Kostenvoranschläge vom Maurer, Zimmermann, Schreiner und Schlosser wurden der Hofkammer in Bruchsal vorgelegt. Diese leitete die Unterlagen an den herrschaftlichen Baumeister Stahl zur Begutachtung weiter. Stahl prüfte die Voranschläge und bestätigte, dass die geplanten Reparaturen durchaus notwendig und die veranschlagten Kosten (17 Gulden und 30 Kreuzer) „füglich“ seien. Seine bisherige Ansicht, dass an dem „Neid’schen Haus“ jede Sanierungs- oder Ausbaumaßnahme vergebliche Mühe wäre, hielt er damit nicht mehr aufrecht.

Für die Hofkammer zu Bruchsal war diese neue Entwicklung das Signal, die geplanten Arbeiten ausführen zu lassen. Die Kellerei Kislau wurde damit beauftragt, das Notwendige zu veranlassen.

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Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84403

15) Ein „Capellan“ für Rauenberg

 

In der römisch-katholischen Kirche wird ein geweihter Priester, nachdem er die entsprechenden Examina abgelegt hat, vom Diözesanbischof zum Pfarrer ernannt. In unserm Bundesland ist also das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg für die Ernennung der Pfarrer und deren Zuweisung in die jeweiligen Gemeinden verantwortlich. Natürlich wird hierbei auch das zuständige Dekanat wie auch der örtliche Pfarrgemeinderat mit eingebunden.

In früheren Jahrhunderten mussten sich die Priester allerdings selbst um eine Pfarrstelle bemühen. In der Regel waren es die Kaplane, denen ihr Amt als „Hilfspfarrer“ nicht genügte. Sie wollten eine Stelle als „Hauptpfarrer“ einer Kirchengemeinde - nicht nur wegen der höheren Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten, sondern natürlich auch wegen der besseren „Pfarr-Congrua“ (Besoldung). Die Kaplane nannten sich damals „Capellane“ oder „Sacellane“ und in den Unterlagen des Generallandesarchivs Karlsruhe stößt man immer wieder auf Bitten dieser Hilfspfarrer um Zuweisung auf eine Pfarrstelle.         

Zeugnis darüber gibt zum Beispiel die an die fürstbischöfliche Hof-und Rentkammer in Bruchsal gerichtete Bewerbung von zwei „Sacellanen“, die sich im Jahr 1720 um die freigewordene Pfarrstelle in Rauenberg bemühten. So schreibt ein Johannes Georgius Schröder in seiner an den Fürstbischof gerichteten Bewerbung: „Hochwürdiger Cardinal und Bischof, vor kurzer Zeit habe ich in Erfahrung gebracht, dass die Pfarrei in Rauenberg demnächst durch Versetzung des seitherigen Pfarrers vacant (= frei) werden wird. Ich selbst bin Sacellanus in den kleinen Dörfern Salmbach und Lauterbach im Bezirk des Oberamtes Lauterburg.1) Die beiden Orte haben eine so geringe Substanz, dass ich mich dort in dem Amt eines Hilfspfarrers nicht voll entfalten kann. Also erkühne ich mich als unwürdiger Sacellanus an Eure Hochfürstliche Eminenz untertänigst und flehentlich die Bitte zu richten, mir die vakante Pfarrstelle in Rauenberg zuzuweisen. Mit dem täglichen Heiligen Messopfer und Gebet werde ich der glückseligen und wohlwollenden fürstlichen Regierung meinen Dank abstatten.“

Zugleich fügte Schröder seiner Bewerbung zwei Schreiben bei, mit dem die Vertretungen der Orte Salmbach und Lauterbach sein Gesuch unterstützten. So schrieben die Salmbacher am 17. November 1720:  „Wir, Schultheiß und Bürgermeister, sowie Gerichtsleuth des im Hochfürstlichen Speyerischen Bistum und im Bezirk des Oberamtes Lauterburg gelegenen Dorfes Salmbach attestieren und beurkunden dies hiermit mit unseren eigenhändigen Unterschriften, dass der ehrwürdige Herr Johannes Georgius Schröder bereits im zweiten Jahr als Sacellanus sein Amt in Salmbach versieht und bei Abhaltung des Heiligen Messopfers, bei seinen Predigten an den Sonn-und Feiertagen, bei der Unterweisung der christlichen Lehre, bei emsigen Besuchen der Kranken wie auch bei allen anderen amtsgemäßen Funktionen sich geradezu als exemplarischer Seelsorger gezeigt hat. Im ganzen Ort und auch in den Nachbarorten wird von ihm nur rühmlich gesprochen. Durch seine Arbeit hat er den Kirchendienst in Salmbach in eine gute Form gebracht, so dass sein Wegzug nach Rauenberg, sollte seine Bewerbung beim Fürstbischof Gehör finden, hier in Salmbach sehr zu bedauern wäre.“ Das Attest war von dem Salmbacher Schultheiß Haffner und acht weiteren „Gerichtsleuth“2) unterschrieben.

Auch die Vertreter des Nachbarortes Lauterbach waren voll des Lobes für den versetzungswilligen Hilfspfarrer. Sie attestierten dem Schröder eine vortreffliche Berufsauffassung und schrieben dazu: „Bürgermeister, Gerichts-und Gemeindeleuth von dem im speyerischen Oberamt Lauterburg gelegenen Ortes Lauterbach tun hiermit für jedermann kund und zu wissen, dass der ehrwürdige Johann Georgius Schröder hier in Lauterbach im zweiten Jahr als Capellan tätig ist und sich hierbei fromm und still, als guter Messprediger, in vortrefflicher geistlicher Haltung sowie bei der Krankenversorgung und Seelsorge sich dergestalten gezeigt habe, dass alle Bürger mit ihm zufrieden sind und jedermann an ihm ein Beispiel an gutem christlichen Benehmen nehmen könne.“ Das Attest vom 19. November 1720 war vom Lauterbacher Bürgermeister und weiteren drei Gerichtsleuten unterschrieben.

 

Katholische Kirche Peter und Paul zu Rauenberg

 

Nun trug es sich zu, dass in der nahen Amtsstadt Lauterburg ein dort tätiger Kaplan mit Namen Sebastian Gensler offenbar ebenfalls von der freien Pfarrstelle in Rauenberg erfahren hatte. Auch er wollte sich dorthin versetzen lassen und richtete eine entsprechende Bitte an den Fürstbischof, monierte aber zugleich, dass er bereits vor zwei Monaten beim Fürstbischöflichen Vikariat zu Speyer um die Versetzung in die Pfarrei Rauenberg suppliciert (gebeten) habe, aber bis dato sein Gesuch nicht beantwortet worden sei. Gerne würde er sich einem Gutachten stellen, worin seine Befähigung und sein Wohlverhalten geprüft werden könne, aus dem dann die Hochfürstliche Eminenz ersehen werde, dass er jederzeit zur Zufriedenheit der gesamten Stadt Lauterburg sein Amt versehen habe. Auch seine Kapazität und sein Lebenswandel würden zu einer Beanstandung keinen Anlass geben. Er, so schreibt er, habe sich jederzeit so aufgeführt, dass alle in Lauterburg mit ihm „vergnügt“ (zufrieden) gewesen seien.

Sebastien Gensler richtetete daher an die Hochfürstliche Eminenz die untertänigste Bitte, dass man ihm die Pfarrstelle in Rauenberg zuweisen solle. Auch er fügte seinem Gesuch ein Unterstützungsschreiben von Vertretern der Stadt Lauterburg bei. Diese schrieben am 2. April 1720: „Wir, Schultheiß, Anwalt und Bürgermeister sowie Magistrat der Stadt Lauterburg, tun kund und bekennen hiermit, dass der wohlehrenwerte Sebastian Gensler seit dritteinhalb Jahren als Capellan unter dem Dekan und Pfarrherrn allhier gestanden und sich aufgehalten, sich in allen geistlichen Ämtern als guter Prediger und Unterweiser der Kinder in den christlichen Lehren, besonders aber bei den Krankenbesuchen sehr willig und emsig gezeigt habe, auch sich ansonsten in seinem bisherigen Lebenswandel entsprechend seinem geistlichen Stand so erbaulich aufgeführt, dass man ihm von hiesiger Stadt und Bürgerschaft nichts anderes als schuldige Ehr, Liebe und Wahrhaftigkeit nachzusagen weiß. Das beurkunden wir unter Zuhilfenahme des hiesigen Stadtsiegels von Lauterburg.“

Ob nun einer der beiden „Capellane“ aus dem Elsaß die freie Pfarrstelle in Rauenberg antreten durfte, ist in den Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe nicht überliefert.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr.84492

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Fußnoten:

1)  Lauterburg im Elsaß (Frankreich) gehörte damals zum Fürstbistum Speyer.

2)  „Gerichtsleuth“ – vergleichbar mit dem heutigen Gemeinderat.

 

16) Eine neue Mauer für den Rauenberger Schlossgarten

 

Das so genannte "Landfriedhaus" in Rauenberg war im Mittelalter eine Wasserburg der Adelsgeschlechter von Talheim und von Helmstatt. Im Jahr 1737 ließ der neue Eigentümer, Fürstbischof Damian Hugo Philipp von Schönborn-Buchheim, diese Burg zu einem Schloss ausbauen und verlegte nach dessen Fertigstellung den Amtssitz der bischöflichen Kellerei von Rotenberg nach Rauenberg. In der Folgezeit diente das Schloss als Verwaltungsgebäude der Amtskellerei sowie zur Unterbringung der Stallungen, Remisen und der herrschaftlichen Kelter, aber auch als Depot der herrschaftlichen Weine und Feldfrüchten in den Keller- und Speicherräumen des Schlosses.

Die Amtskellerei war eine fürstbischöfliche Behörde, die insbesondere mit der Einziehung der Steuern und Abgaben für den Fürstbischof beauftragt war. Wenn man so will, war diese Behörde der Vorläufer des heutigen Finanzamtes. Der Amtskeller war der Vorsteher dieser Behörde. Er hatte in Rauenberg neben seinen dienstlichen Aufgaben auch das Recht, das Schloss mit seiner Familie zu bewohnen und auch den Schlossgarten für Gemüseanbau zu nutzen. 

Symbolbild für Wildwuchs (Ruderalflora) auf Brachfläche (Repro: Wikipedia)

Gerade aber was die Nutzung des Schlossgartens betrifft, ergab sich in der Zeit, von der hier berichtet wird, das Problem, dass der Garten in einem sehr desolaten Zustand war. So schrieb der damalige Amtskeller Sonntag an die fürstbischöfliche Hofkammer in Bruchsal von einem Brunnen im Garten, der kein Wasser mehr führte, dafür aber in zurückliegenden Zeiten mit Schutt und allerlei Unrat aufgefüllt worden sei. Auch sei das übrige Gartengelände in einem bedauernswerten Zustand. Überall sei Geröll im Garten verteilt, so dass sich Ruderalflora 1) wie Brennnessel, Disteln, Löwenzahn, Goldrute, Kletten und Ähnliches ungehindert habe ausbreiten können. Auch sei der herrschaftliche Garten nur unzureichend eingezäunt. An zwei Seiten sei er nur durch Hecken und dürren Reben begrenzt, an seiner dritten Seite sei zwar eine Mauer, aber bestehend aus alten zerbrochenen Steinen. Hühner, Gänse, Enten und sonstiges Getier aus der Nachbarschaft ließen sich von der lückenhaften Einzäunung nicht abhalten.

 

Die südliche Begrenzung des Schlossgartens durch einen Eckturm

Foto: A. Herrmann

Die Hofkammer in Bruchsal tat auf die Eingabe des Amtskellers Sonntag das Übliche: Sie beauftragte das fürstbischöfliche Bauamt mit einer Ortsbesichtigung und einer gutachterlichen Stellungnahme. Die Ortsbesichtigung erfolgte am 9. Januar 1754 durch den Werkmeister Stahl. Der Experte vom Bauamt fand das vor, was auch der Amtskeller Sonntag kritisiert hatte und schrieb in seinem Gutachten: „Der Garten ist an zwei Seiten mit Hecken und dürren Reben zugemacht. An der dritten Seite befindet sich ein altes Mauerwerk, das abgebrochen werden sollte. Dessen Steine wie auch die Steine des vorhandenen stillgelegten Brunnens könnten gut für eine neue Mauer verwendet werden. Die neue Mauer, die von mir als unbedingt notwendig gesehen wird, wäre rings um den Garten auf einer Länge von 800 Schuh 2) zu errichten.“

Die anfallenden Kosten schätzte der Experte vom fürstbischöflichen Bauamt auf 161 Gulden für die Maurerarbeiten und 60 Gulden für die notwendigen Materialien, insgesamt also auf 221 Gulden.

Auf dieses Gutachten hin, das auch dem Amtskeller zuging, schrieb dieser an die Hofkammer in Bruchsal: „Da nun diese neue Mauer um den Schlossgarten ohne größere Kosten für die gnädige Herrschaft gar leidlich gemacht werden kann, weil in dem Gelände viele alte Steine vorhanden sind, die verwendet werden könnten, bitte ich Eure Hochfürstlichen Gnaden den 

Garten mit einer neuen Mauer umfassen zu lassen, damit ich ihn ungestört zum Gemüseanbau nutzen kann. Im Übrigen könnten für den Abbruch der vorhandenen alten Mauer jene Untertanen aus Rauenberg verpflichtet werden, die durch Ungehorsam aufgefallen und daher zum Schanzen 3) verurteilt worden sind. So könnten die Kosten der neuen Mauer für Eure hochfürstliche Gnaden weiter vermindert werden.“

Die Annalen des Generallandesarchivs Karlsruhe enden zu diesem Thema im August 1754 mit dem Eintrag, dass die im Gartengelände vorhandenen Steine nun doch nicht ausreichten, um die 800 Schuh lange neue Mauer zu errichten. Es mussten zusätzlich aus dem fürstbischöflichen Steinbruch zu Malsch Steine herbeigekarrt werden.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84402

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Fußnoten:

1) Wildwuchs auf Geröll und Schutthalden

2) Altes Längenmaß; 1 Schuh etwa 30 cm, so dass 800 Schuh etwa 240 m sind

3) Bau von Befestigungsanlagen

 

17) Ein Frühmesser in Rauenberg

 

Als „Frühmesser“ (nicht zu verwechseln mit dem Messner) wurde in vergangenen Jahrhunderten ein katholischer Pfarrer bezeichnet, der die Pflicht hatte, am frühen Morgen noch vor dem Arbeitsbeginn der Bevölkerung die Heilige Messe zu zelebrieren. Er wurde in unserer Region von der Katholischen Kirchensektion beim Großherzoglichen Badischen Innenministerium Karlsruhe unter Beteiligung des Bischöflichen Generalvikariat in Bruchsal den Kirchengemeinden zugewiesen und zum Teil von Stiftungserträgen aus kirchlichen Pfründen (Benefizium), zum anderen Teil von der jeweiligen katholischen Kirchengemeinde finanziert. Die Besonderheit war, dass er sein Amt als Frühmesser neben dem regulären Ortspfarrer versah, diesem aber nicht unterstellt war. Auch in Rauenberg war zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Frühmesser eingesetzt. Sein Name war Taglieber. Dieser war zuvor Frühmesser bei der katholischen Kirchengemeinde Grafenhausen im Schwarzwald (Dekanat Ettenheim). In Rauenberg übte er sein Amt neben den Ortspfarrern (Hermes, später Stein) viele Jahre lang aus.

Im Juli 1814 schrieb der Frühmesser Taglieber an die Katholische Kirchensektion in Karlsruhe und beklagte sich, dass er seit dem 29. Januar des Jahres in Rauenberg seinen Dienst versehe, er aber bis dato noch immer auf die Auszahlung seiner Vergütung warte. Dies zum Anlass nehmend sei er der Meinung, dass ihm der gesamte Ertrag aus dem Rauenberger Frühmess-Fond nach Abzug aller Unkosten zustehe, was nach seiner Schätzung etwa 300 Gulden im Jahr sein dürften. Der Rauenberger Kirchenvorstand indessen wolle ihm nur jährlich 212 Gulden als Salarium1) zubilligen, eben die Summe, die auch sein Vorgänger im Amt erhalten hätte. Zwar habe er bereits aus anderen Quellen ein gewisses Einkommen. So erhalte er aus seinem Benefiziat aus Stiftungserträgen jährlich 250 Gulden und nochmals aus dem Frühmess-Fond der Kirchengemeinde Grafenhausen im Schwarzwald, wo er früher tätig gewesen sei, weitere 50 Gulden jährlich. Zusammen mit der Rauenberger Vergütung käme er damit auf ein Einkommen von jährlich 512 Gulden. Das aber reiche nicht aus, um ein würdiges Leben zu führen. Er sei kränklich, da er an einer Brustschwäche leide, habe daher Arztkosten und bedarf auch einer Pflegekraft. Hinzu komme, dass die Preise in allen Lebensbereichen fortwährend steigen würden. Erschwerend käme noch hinzu, dass sich der Kirchenvorstand in Grafenhausen in letzter Zeit weigere, die ihm zustehenden 50 Gulden auszubezahlen, wobei er allerdings zugeben müsse, dass er daran eine gewisse Mitschuld trage. Die Zahlung aus Grafenhausen sei nämlich mit der Bedingung verknüpft, dass er dem Kirchenvorstand in Grafenhausen jährlich ein ärztliches Attest über seine Erkrankung vorlege. Dies aber habe er seit seiner Tätigkeit in Rauenberg versäumt, was er aber nachholen wolle. Abschließend bittet er das „hochpreisliche Ministerium“ in Karlsruhe, dass der Kirchenvorstand zu Rauenberg angewiesen werde, ihm sämtliche Erträge aus dem Frühmess-Fonds nach Abzug der Unkosten zu gewähren.

 

Soweit das Schreiben des Frühmessers Taglieber. Nun kam der Behördenapparat in Gang: Die Katholische Kirchensektion am Innenministerium in Karlsruhe übergab die Beschwerde des Taglieber an das Neckar-Kreis-Direktorium in Mannheim und dieses schaltete das großherzogliche Bezirksamt in Wiesloch mit der Weisung ein, die Angelegenheit „gehörig zu prüfen“ und alsdann darüber zu berichten. Das Amt Wiesloch forderte daraufhin den Kirchenvorstand zu Rauenberg auf, zu den Vorwürfen des Frühmessers Stellung zu nehmen. Der Kirchenvorstand kam dieser Weisung nach und führte dazu aus: „Wir beziehen uns auf frühere Ministerialverfügungen, wonach dort für den seitherigen Frühmesser Bender die Summe von 212 Gulden jährlich als angemessen gesehen wurde und ihm auszubezahlen war. Wir sehen keine Veranlassung, bei dem neuen Frühmesser Taglieber von dieser Summe abzuweichen und ihm, wie er es wünscht, den gesamten Ertrag aus dem Frühmess-Fond zu überlassen. Schließlich sind die Einnahmen des Fond nicht allein für den Frühmesser bestimmt. Sie bestehen zum Teil aus Kapitalzinsen, zum anderen Teil aus der Versteigerung von Früchten, deren Ernten naturgemäß jedes Jahr unterschiedlich ausfallen. Den Einnahmen  gegenüber stehen

Das Messgewand eines Priesters (Parament)

 (Repro: Wikipedia)

aber erhebliche Ausgaben. Es sind dies Arbeitskosten für das Reinigen und Ausheben der Gräben in den Frühmess-Wiesen sowie für die regelmäßige Beseitigung von Steinen in den Wiesen und Äckern. Auch die Kosten für die Wäsche, Kerzen und Paramenten2) und die notwendige Unterhaltung des Altars, unter Umständen sogar seine Renovierung, fallen sehr ins Gewicht. Insgesamt sind wir der Meinung, dass mehr als das bisherige jährliche Frühmesser-Entgelt von 212 Gulden von uns nicht verantwortet werden könne; zudem sehen wir den Betrag im Verhältnis zur Arbeit des Frühmessers als angemessen an.“

Die Stellungnahme an das Bezirksamt Wiesloch war vom Ortspfarrer Hermes, dem Vogt Fischer, dem Schullehrer Zachmann und den Kirchenvorständen Sauer, Knab und Haberkorn unterschrieben.

 

Der Frühmesser Taglieber war mit dieser Antwort natürlich nicht einverstanden. Er beschwerte sich erneut bei der Katholischen Kirchensektion in Karlsruhe über den uneinsichtigen Kirchenvorstand zu Rauenberg. Jedoch war man in Karlsruhe der Meinung, dass Taglieber mit dem jährlichen Gesamteinkommen von 512 Gulden zufrieden sein müsse und er darüber hinaus keine weiteren Ansprüche geltend machen könne. Allerdings – so das Innenministerium – sei es nicht mehr gerechtfertigt, dass der Grafenhausener Frühmess-Fond weiterhin mit einer Zahlung von 50 Gulden jährlich belastet werde. Dafür sei nun diejenige Kirchengemeinde verantwortlich, an welcher der Frühmesser sein Amt ausübe. Somit wurde der Kirchenvorstand zu Rauenberg angewiesen, die bisherige Zahlung aus Grafenhausen an den Taglieber von 50 Gulden jährlich zusätzlich zu den bereits vereinbarten 212 Gulden zu übernehmen. Damit also war der Kirchenvorstand zu Rauenberg mit einer jährlichen Zahlung an den Taglieber von insgesamt 262 Gulden konfrontiert.

Diese Weisung schmeckte den Rauenbergern nun gar nicht. In einem recht deutlichen Brief an das Kreisdirektorium zu Mannheim führten sie aus: „Wir sind weit davon entfernt, der hohen Verfügung aus dem Innenministerium zu widersprechen. Man sollte dort aber wissen, dass der Frühmesser Taglieber zu seinem jährlichen Salarium von 212 Gulden aus Rauenberg noch einiges hinzu verdient. So hält er jeden Tag auch die Frühmesse im benachbarten Mühlhausen und erhält von dem dortigen Frühmesser einen Anteil von 60 Gulden jährlich. Außerdem lässt er sich die täglichen Messen besonders vergüten. Auch erhält er dem Vernehmen nach von einer früher inne gehabten Pfarrei eine Pension in einer für uns unbekannten Höhe. Jedenfalls ist er in der Lage, mit seiner jährlichen Alimentation nicht nur seine täglichen Bedürfnisse gehörig zu bestreiten, sondern darüber hinaus noch Vermögen in Form von Immobilien anzuhäufen. Nach alledem bitten wir, dass wir nicht noch zu einer weiteren Zahlung von 50 Gulden jährlich verpflichtet werden. Ansonsten müssten wir unser Vermögen angreifen.“   

Der Brief gelangte über das Kreisdirektorium zu Mannheim an das Innenministerium in Karlsruhe. Dort war man der Meinung, dass die Einlassung des Rauenberger Kirchenvorstandes eine „unqualifizierte und ungeeignete Remonstration“ (Gegenvorstellung) sei. Die Rauenberger Bitte stieß damit beim „hochlöblichen Innenministerium“ auf taube Ohren und der Kirchenvorstand war verpflichtet, dem Frühmesser Taglieber ein Entgelt von jährlich 262 Gulden aus dem Frühmess-Fond zu gewähren.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84495

 

Fußnoten:

1) Salarium ist Arbeitsentgelt

2) Paramente sind liturgische Gewänder

 

18) Ein Pfarrer wurde strafversetzt

In der Zeit, von der hier berichtet wird, war im Großherzogtum Baden für die Zuweisung eines Pfarrers und Frühmessers in eine katholische Kirchengemeinde das bischöfliche Generalvikariat in Bruchsal im Benehmen mit dem Katholischen Kirchendepartement beim Badischen Innenministerium in Karlsruhe zuständig. Das galt aber auch für die Abberufung bzw. Strafversetzung eines Pfarrers, der sich gewisser Verfehlungen schuldig gemacht hatte.

So war es in Rauenberg zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der damalige Pfarrer Johannes Bender versah seinen Dienst als Frühmesser neben dem eigentlichen Ortspfarrer Harz. Bender war den vorgesetzten Behörden, dem Katholischen Kirchendepartement in Karlsruhe und dem Bischöflichen Generalvikariat in Bruchsal, wegen seines „unsittlichen Lebenswandels“ aufgefallen und dort stellte sich daher die Frage, was mit ihm geschehen solle. Im Mai 1810 wurde ein externer Pfarrer beauftragt, die Verfehlungen Benders zu untersuchen und anschließend zu berichten. Mit dieser Aufgabe wurde Johannes Nepomuk Heinsmann, Pfarrer der Gemeinde Forst bei Bruchsal, betraut. Die Untersuchung führte zum Ergebnis, dass Bender infolge „der ermittelten Vorkommnisse“ keinesfalls weiterhin in Rauenberg sein Amt versehen könne.

Bender seinerseits nahm den vorgesetzten Behörden die weitere Entscheidung ab, in dem er seine Entlassung aus dem Amt beantragte, zugleich aber die Bitte äußerte, man möge ihn doch solange im Amt belassen, bis er „im Ausland jenseits des Rheins“ eine neue Pfarrstelle gefunden habe; zur Zeit habe er eine solche Stelle in Aussicht, aber noch keine feste Zusage. Mit Erlass vom 20. Mai 1810 gewährte das Katholische Kirchendepartement dem Bender die „Staatsbewilligung zum Wegzug aus dem badischen Land“ – verbunden mit der Auflage, sich unverzüglich um eine Pfarrstelle „im Ausland“ (gemeint war außerhalb von Baden) umzusehen. Bis zum Antritt dieser Stelle sollte Bender einem „rechtschaffenen Pfarrer“ in der Umgebung zur seelsorgerischen Aushilfe zugewiesen werden. Zwar hatte Bender einen Bruder, der auch Pfarrer war, und zwar in der Nachbargemeinde Mingolsheim. Aber das Bischöfliche Generalvikariat hielt es, wohl wegen der verwandtschaftlichen Befangenheit, nicht für ratsam, den Bender dorthin abzuordnen.

In den Folgemonaten wurde nun vom Generalvikariat in Bruchsal intensiv nach einem neuen Pfarrverweser und Frühmesser für die Pfarrei in Rauenberg gesucht. Man kam auf den Kaplan Isidor Hermes, der bisher in der Gemeinde Forbach im Schwarzwald tätig war. Hermes war deshalb für die Anstellung in Rauenberg von Vorteil, weil er ehemaliger Benediktinermönch war und aus dieser Zeit eine Pension von seinem Kloster von jährlich 150 Gulden erhielt. Dies bedeutete, dass er auf die volle Unterstützung aus dem Rauenberger Frühmesserfond von jährlich 212 Gulden nicht angewiesen war. Nach eigenem Bekunden war er mit einem Salarium (Vergütung) von 100 Gulden jährlich einverstanden, so dass sich für die Rauenberger die Möglichkeit ergab, die übrigen 112 Gulden zinsbringend anzulegen. Zusätzlich sollte der Ortspfarrer Harz einen Betrag von 50 Gulden jährlich beisteuern, so dass Hermes über einen jährlichen Unterhaltsbeitrag von insgesamt 300 Gulden verfügen konnte.

Mit Bescheid des Katholischen Kirchendepartements vom 8. März 1811 wurde dem Forbacher Kaplan Isidor Hermes die „Pfarr-und Frühmesserverwesung in Rauenberg gnädig“ übertragen. Allerdings wurde den nachgeordneten Behörden mitgeteilt, dass der tatsächliche Dienstantritt in Rauenberg erst erfolgen könne, wenn die Nachfolge für Hermes in Forbach geregelt sei. Das hieß aber auch, dass man bis zur Ankunft des Hermes in Rauenberg einen „disponiblen Welt- oder Klostergeistlichen“ zur dortigen seelsorgerischen Vertretung finden musste. Einen solchen fand man schließlich in dem Pfarrvikar Elfinger, der am 15. Juni 1811 seine Tätigkeit in Rauenberg aufnahm. Der seitherige Frühmesser Johannes Bender wurde zum gleichen Zeitpunkt der Pfarrei Huttenheim bei Bruchsal zur seelsorgerischen Aushilfe zugewiesen.

In den Monaten davor waren verschiedene Rauenberger Bürger der Meinung, dass Johannes Bender weiterhin sein Amt als Pfarrer und Frühmesser in Rauenberg ausüben solle. Es wurde unterm Datum vom 22. April 1811 beim Dekanat Wiesloch ein von mehreren Bürgern unterschriebenes Gesuch in diesem Sinne eingereicht. Das Kirchendepartement in Karlsruhe indessen lehnte diese Bitte kategorisch ab („Ein Verbleiben des Bender in Rauenberg kommt nicht in Betracht“) und war im Übrigen misstrauisch, was das Gesuch selbst betraf: Es wurde vermutet, dass es bei den geleisteten Unterschriften nicht mit rechten Dingen zugegangen sei und die Unterschriften vielleicht entweder „untergeschoben“ oder nicht wissentlich gegeben worden seien. Das Direktorium des Neckar-Kreises zu Mannheim wurde angewiesen, die Sache genauestens zu untersuchen und zu berichten. Dieses beauftragte das Großherzogliche Bezirksamt in Wiesloch mit der Untersuchung.

Am 30. Mai 1811 berichtete dazu das Bezirksamt: „Sämtliche unterschriebenen Gemeindeglieder haben wir Mann für Mann vernommen. Daraus ergibt sich, dass die am Anfang unterschriebenen Bürger Martin Fischer, Joseph Rößler und Franz Klee Urheber dieses Gesuchs sind. Martin Fischer, ehemaliger Gerichtsschreiber, hat das Schreiben aufgesetzt. Joseph Rößler ging zusammen mit dem Klee damit von Haus zu Haus und hat die Unterschriften eingesammelt. Das Bezirksamt hat die unterschriebenen Bürger einzeln befragt und es stellte sich heraus, dass viele nicht lesen konnten und sie von Rößler überredet wurden, zu unterschreiben. Zweck des Bittgesuchs war nach Angabe der drei Urheber, dem Frühmesser Johannes Bender ein gutes Attest auszustellen, damit er weiterhin in Rauenberg sein Amt ausüben oder zumindest ohne Schwierigkeiten eine Anstellung außerhalb des Landes Baden finden könne.“                      

Das Bezirksamt führte weiter aus, dass eine solche Unterschriftensammlung ohne amtliche Genehmigung oder ohne amtlichen Auftrag eine ernste Angelegenheit sei. Nach dem badischen Landesrecht sei dafür für den Verantwortlichen eine Turmstrafe vorgesehen. „Wir sind daher der Auffassung“ – so das Bezirksamt weiter – „dass der Hauptverantwortliche Rößler wegen seiner unredlichen Vorspiegelung bei Einholung der Unterschriften mit einer 24-stündigen Turmstrafe zu belegen sei. Die beiden anderen Urheber sollten einen strengen Verweis bekommen, während die Kosten der Untersuchung von allen dreien zu tragen sind.“

Das Neckarkreis-Direktorium in Mannheim genehmigte mit einem Schreiben vom 9. August 1811 den Strafvorschlag des Amtes Wiesloch.

 

Bild links: Das so genannte "Dörndl" in Wiesloch. Diente im 19. Jahrhundert als Gefängnis ("Turmhaft") für Straftäter im Zuständigkeitsbereich des damaligen Großherzoglich-badischen Bezirksamtes Wiesloch.

Heute ist darin das Heimatmuseum der Stadt Wiesloch untergebracht.

Foto: Albin Herrmann

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 84493

 

19) Vor 250 Jahren: Die strengen Regeln für Sonn-und Feiertage

 

Es war anno 1770 als dem katholischen Pfarrer in Baiertal über das unchristliche Verhalten seiner Gemeindeglieder gewissermaßen der Kragen platzte. Schon seit geraumer Zeit war ihm ein Dorn im Auge, dass die gottgeweihten Tage, nämlich die Sonn-und Feiertage, durch „überflüssige Feste und Lustbarkeiten“ nicht die ihnen gebührende Ehre erfuhren. Es war ihm daher ein Bedürfnis, dass das gemeinsame Edikt (Verordnung) des „Condominats“, nämlich der Kurfürstlichen Durchlaucht zur Pfalz, der Kurfürstlichen Gnaden zu Mainz, der Kraichgauer Ritterschaft und anderer Stände des Reichs über das notwendige sonn-und feiertägliche Verhalten der Bürger von der Kanzel herunter verlesen werden musste. Also trug der Pfarrer während des sonntäglichen Gottesdienstes dieses Edikt vor:

  1. Soll sich niemand bei schwerer Strafe unterfangen, an den Gott gewidmeten Tagen Handel zu treiben oder einer körperlichen Arbeit nachzugehen. Ausgenommen davon sind das Mahlen von Getreide in den Mühlen, Brotbacken und sonstige unaufschiebbare „Notarbeiten“.
  2. Das Tanzen, Musik abhalten und auch sonstige Lustbarkeiten sind bis zum Ende des nachmittäglichen Gottesdienstes verboten.
  3. Alle Wein-, Weinbrand-und Bierschenken bleiben verschlossen. Getränke dürfen jedoch in den Schenken für den Gebrauch zu Hause abgeholt werden.
  4. Die Zusammenkünfte der Handwerker in ihren Zunftstuben vor Ende des nachmittäglichen Gottesdienstes sind verboten.
  5. Kein Laden darf an diesen Tagen öffnen. Nicht einmal das zum Verkauf angebotene Brot darf am Fenster feilgeboten werden.
  6. Das Herumziehen der Metzger, Viehhändler und Weinhändler auf den Straßen ist nicht gestattet.
  7. Das Treiben von Vieh wie Rinder, Schafe, Schweine, Gänse und Hühner auf den Straßen ist nicht gestattet.
  8. Fuhrleute dürfen bis zur Beendigung des nachmittäglichen Gottesdienstes die Straßen nicht befahren.
  9. Die herrschaftlichen Verordnungen, gleich welcher Art, brauchen an den geheiligten Tagen nicht befolgt zu werden, es sei denn, es besteht Gefahr im Verzug.
  10. Waldvisitationen, Zinserhebungen, Vertragsabschlüsse, Auszahlungsanweisungen sind an diesen Tagen verboten.
  11. Die Dorfjugend hat der sonntäglichen Christenlehre beizuwohnen. Sind diese zur Hütung des Viehs verpflichtet, sollen sie davon für die Zeit der Christenlehre entbunden werden. Erwachsene sollen für diese Zeit deren Aufgaben übernehmen.

 

Wappen der Kurpfalz im 18. Jahrhundert

                   (aus Wikipedia)

Soweit diese von der Obrigkeit erstellten Verhaltensregeln an den Sonn-und Feiertagen. Aber das Verlesen von der Kanzel genügte dem Baiertaler Pfarrer nicht. Er forderte, dass der Schultheiß das Edikt sowohl an der Kirchentür als auch am Rathaus anschlagen solle. Und die Forderung des Pfarrers fand Gehör. Mit einem Erlass vom 21. März 1770 wurde dem Baiertaler Schultheiß Filsinger von der vorgesetzten Herrschaft anbefohlen, die Verordnung der gesamten Bürgerschaft zu „publizieren“ (bekannt zu machen) und diese 11 Verhaltensregeln zusätzlich an der Kirchentür zu „affigieren“ (anzuheften). Ob er diesem Befehl tatsächlich nachgekommen ist, geht aus den Unterlagen des Generallandesarchivs Karlsruhe nicht hervor.

Was aber geschah, wenn die Baiertaler Bürger gegen die vorstehenden Regeln des Edikts verstießen? Aus dem damaligen Schriftverkehr wird deutlich, dass im ausgehenden 18. Jahrhundert in den Dörfern des Kraichgaues eine ziemliche Ratlosigkeit über die Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit bestand. Typisch für die unklare Rechtslage war ein Schreiben des Baiertaler Schultheißen vom April 1774 an die „reichsfreien hochwohlgeborenen gnädigen Herren“, worin er sich beklagte, dass „die Bürger und Gerechtsamen“1) in Baiertal „diesseits der Bach“ nicht mehr wüssten, zu welcher Obrigkeit man nun gehöre – zur kurpfälzischen Zent oder zur Ritterschaft Kraichgau.

 

In der Tat bestand in Baiertal im 18. Jahrhundert die Besonderheit, dass der Ort „links und rechts des Bachs“ in zwei Hoheitsgebiete aufgeteilt war. So zählte die Ortshälfte links in Fließrichtung des Gauangelbaches und damit östlich des Baches zur kurpfälzischen Meckesheimer Zent, rechts in Fließrichtung des Gauangelbaches und damit westlich des Baches zum Ritterkanton Kraichgau. Die kurpfälzischen Zenten im heutigen südlichen und südöstlichen Rhein-Neckar-Kreis (z.B. Meckesheimer Cent und Kirchheimer Cent) waren Verwaltungseinheiten, die weitgehend die Orte südlich des Neckars zwischen Mannheim und Heidelberg umfassten. Die Zenten dienten als Verbindung zwischen der Kurfürstlichen Regierung und den Dörfern. Die Zenten waren durch Vertrag mit dem Condominat berechtigt, Strafen gegen ihre Untertanen zu verhängen. Das Zentgericht war das höchste ländliche Gericht und stand über den Dorfgerichten.

     Grenzstein der Meckesheimer Zent

                   (aus Wikipedia)

Bezüglich der Zuständigkeit in der Gerichtsausübung bestand folgender Kompromiss: Die Zentgerichte hatten die so genannte Blutgerichtsbarkeit, das heißt, sie durften schwere Verbrechen, so genannte Malefiz-Fälle2), wie Mord, Totschlag, Brandstiftung, Diebstahl, Schlägereien mit bösen Verwundungen, heimliche Versetzung von Marksteinen, Betrug bei den Maaßen und Gewichten, Gotteslästerung und Notzucht ahnden. Alle anderen geringere Vergehen wie unblutige Schlägereien, das Sitzen in den Wirtschaften über die Polizeistunde hinaus, Wald- und Feldfrevel sowie außerehelicher Beischlaf sollten durch das Condominat geahndet werden.

Bei den so genannten „Malefiz-Taten“ wurden vom Blutgericht drakonische Strafen verhängt, die heute nach unserem Rechtsverständnis unvorstellbar grausam waren. Zulässig waren der öffentliche Pranger, aber auch das öffentliche Auspeitschen, Verstümmelungen (wie zum Beispiel das Abschneiden von Ohren oder der Zunge), und schließlich auch die Hinrichtungen durch Enthaupten, Erhängen, Ertränken oder durch den Feuertod. Die letzte öffentliche Hinrichtung im Kraichgau erfolgte am 26. Juli 1783 in Bruchsal auf dem Richtplatz. Die ledige Magd Anna Maria Schweikert wurde wegen Tötung ihres Kindes mit dem Schwert enthauptet.

Beim Vergehen des außerehelichen Beischlafs sah man allerdings in jener Zeit die Notwendigkeit, eine Regierungskommission zu bilden, die das Recht hatte, Zeugen zu vernehmen und anschließend eine Bestrafung zu verhängen. In einem dieser in Baiertal geschehenen Fälle, der von einem katholischen Kaplan der Obrigkeit angezeigt wurde, bildete man eine hochrangig besetzte Kommission, bestehend aus dem  Hofkammer-Rat Schmuch, dem Geheimen Rat Hertling, dem Ehrengerichtsrat Koester, dem Geheimen Staatsrat von Stengel und einem Mitglied der Adelsfamilie von Bettendorf, die auch in dem Ort Baiertal Güter besaß.

Welche Strafe letztlich von der Kommission für notwendig erachtet wurde und ob beide „Missetäter“, sowohl Mann als auch Frau, bestraft wurden - darüber schweigen die Annalen.

Fundstelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 4707

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Fußnoten:

  • Gerechtsame: Personen, die ein Nutzungsrecht in der Gemeinde hatten

  • Malefiz-Fälle: Schwere Verbrechen und Vergehen

 

20) Als Balzfeld selbstständig werden wollte

Es war anno 1830, als der Weiler Balzfeld die Trennung von der Gemeinde Horrenberg anstrebte. Vielleicht war man seinerzeit in Balzfeld von dem animiert worden, was wenige Jahre zuvor und nur 8 km entfernt in westlicher Richtung so erfolgreich praktiziert worden war: Es war die Trennung des Letzenbergortes Malschenberg von der „Muttergemeinde“ Malsch und damit die Bildung der rechtlich selbstständigen Gemeinde Malschenberg. Das Großherzogliche Ministerium des Innern erteilte damals mit Erlass vom 26. August 1812 den nachgeordneten Behörden grünes Licht für die Einleitung des Trennungsverfahrens Malsch/Malschenberg. Die tatsächliche Auflösung bzw. Bildung der neuen Gemeinde Malschenberg wurde durch Urkunde vom 13. Mai 1824 rechtswirksam, wobei allerdings die Trennungsbestrebungen schon Jahrzehnte zuvor in Gang gesetzt worden waren. Bereits im Jahr 1797 erfolgte der offizielle Antrag der Bürgerschaft von Malschenberg, bestehend aus 59 Bürgern, an das damals noch zuständige fürstbischöfliche Amt Rotenberg. Die Verhandlungen darüber, insbesondere die Grenzregelungen und Bestimmung der Vermögensverteilungen, zogen sich freilich bis zur tatsächlichen Trennung über einen Zeitraum von nahezu 30 Jahren hin.

Ob nun vom Malschenberger Trennungserfolg animiert oder nicht: Fakt ist, dass die Einwohnerschaft von Balzfeld im Januar 1830 beim Großherzoglichen Badischen Bezirksamt in Wiesloch einen entsprechenden Antrag auf Trennung von der Gemeinde Horrenberg stellte. Das Bezirksamt leitete den Antrag an die vorgesetzte Behörde weiter – es war dies das Direktorium des Neckarkreises in Mannheim (später umbenannt in die „Großherzogliche Regierung des Unterrheinkreises in Mannheim).

Das Wieslocher Bezirksamt führte dazu in seinem Schreiben vom 12. März 1830 aus: „Das Ort Balzfeld ist Teil der Gemeinde Horrenberg. Die Einwohner von Balzfeld haben um die Erlaubnis nachgesucht, sich von Horrenberg (56 Bürger) zu trennen, um eine eigene Gemeinde zu werden. Das Ort Balzfeld zählt derzeit 44 Bürger. Zwischen den Einwohnern von Horrenberg einerseits und Balzfeld andererseits gibt es immer wieder Reibereien und Animositäten. Insbesondere die stiefmütterliche Behandlung durch den Gerichtsort Horrenberg ist den Einwohnern von Balzfeld ein Dorn im Auge. Da das Großherzogliche Organisations-Edikt von 1809 ohnehin die Bildung von selbstständigen Gemeinden grundsätzlich empfiehlt, dürfte dem Wunsch der Balzfelder Einwohner auf Trennung von Horrenberg nichts entgegenstehen. Wir bitten daher das Kreisdirektorium gehorsamst, das Gesuch des Ortes Balzfeld befürwortend dem Ministerium des Innern in Karlsruhe vorzulegen.“

In einem weiteren Schreiben vom August 1830 wurde darauf hingewiesen, dass das Bezirksamt inzwischen sämtliche Bürger von Balzfeld zu dem Trennungswunsch angehört habe, wobei nur drei gegen die Trennung, alle anderen aber dafür gewesen seien. Das Amt äußerte zudem die Hoffnung, dass die unübersehbare Erbitterung zwischen den beiden Einwohnerschaften endlich erledigt sein dürfte, wenn die Trennung erst einmal vollzogen wäre. Die beiden Höfe hingegen, genannt Oberhof mit 10 Bürgern und Unterhof mit 4 Bürgern, sollten nach Ansicht des Amtes wegen der näheren Lage zu Horrenberg bei diesem Ort verbleiben.

Die vorgesetzte Behörde in Mannheim räumte im Oktober 1830 ein, dass man sich dem Trennungswunsch des Ortes Balzfeld grundsätzlich nicht verschließen könne. Allerdings sei es unerlässlich, dass noch einzelne Punkte abzuklären seien. So sollte einerseits das gemeinschaftliche und andererseits das ortschaftsbezogene Gemeindevermögen wie Äcker, Wiesen, Wälder, Schulhaus, Kirche, Glocken, Gottesacker, Kapelle und Pfarrhaus und deren Wert wie auch die steuerlichen Belastungen und etwa darauf bestehende Dienstbarkeiten definiert und aufgelistet werden. Auch sei Kenntnis darüber nötig, welche der Bürger von Horrenberg und Balzfeld zur Allmendnutzung zugelassen seien.

Für die Aufteilung des Vermögens war das Amt Wiesloch der Ansicht, dass als rechnerischer Divisor die Anwendung der jeweiligen Bürgerzahl von Horrenberg und Balzfeld nach dem Stand vom 1. Januar 1831 die beste Lösung sei. Nach diesem Maßstab könne die Teilung zu 56/100 zugunsten von Horrenberg und zu 44/100 zu Gunsten von Balzfeld erfolgen. Vor der Teilung sollten aber zunächst die in den Gemeinden vorhandenen Liegenschaften zugeordnet werden: Das Schulhaus, der Schulgarten und das Hirtenhaus in Balzfeld diesem Ort; das Schulhaus, das Hirten-und Kelterhaus zu Horrenberg diesem Ort. Der Wert dieser Liegenschaften sei zu ermitteln und es sollte dann ein Ausgleich mit Hilfe des vorgenannten Divisors hergestellt werden. Das gleiche gelte für gemeinschaftliche Äcker, Wiesen und Waldungen; auch hier sei ein Ausgleich mit Hilfe des genannten Divisors erforderlich. Das Neckarkreisdirektorium zu Mannheim war mit dem Teilungsvorschlag des Amtes Wiesloch einverstanden und leitete diesen zusammen mit dem Trennungs-Antrag des Ortes Balzfeld mit Schreiben vom 19. April 1831 an das Großherzogliche Ministerium des Innern in Karlsruhe weiter „mit der geziemenden Bitte, das Trennungsgesuch des Ortes Balzfeld gehorsamst genehmigen zu wollen.“

Das Innenministerium hatte aber Einwände. Es verwies auf den § 5 der inzwischen in Kraft getretenen neuen Gemeindeordnung. Hiernach war von jedem Ort, der um seine Selbstständigkeit nachsuchte, der Nachweis zu erbringen, dass er über den Besitz einer abgesonderten Gemarkung verfügte. Diesen Nachweis habe aber der Ort Balzfeld bisher nicht erbracht.

Allerdings erwies sich in den folgenden Monaten die Klärung der Frage, ob der Ort Balzfeld über eine eigene Gemarkung verfügte, als äußerst schwierig. Man machte „Grenzbegehungen“ unter Beisein von Vertretern der Ortschaften Horrenberg und Balzfeld (Balzfeld mit einem Anwalt), des Centberechtigten sowie des Bezirksamtes Wiesloch und stieß dabei auf Steine, von denen man nicht wusste, ob es nun Gemarkungssteine oder nur Centsteine waren. Dazu schrieb das Bezirksamt Wiesloch am 16. September 1833 an die Regierung des Unterrheinkreises zu Mannheim (ehemals Kreisdirektorium): „So viel Mühe sich der Anwalt des Ortes Balzfeld auch gegeben hat, die zwischen Horrenberg und Balzfeld stehenden Marksteine als solche darzustellen, konnten wir uns gleichwohl nicht davon überzeugen, dass diese Steine tatsächlich auf eine abgesonderte Gemarkung des Ortes Balzfeld hinweisen. Es besteht vielmehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich nur um Centsteine handelt, welche die Grenze zu den Nachbargemeinden Hoffenheim und Zuzenhausen markieren.“

Ungeachtet dessen legte die Regierung des Unterrheinkreises mit Schreiben vom 27. September 1833 den Balzfelder Antrag befürwortend an das Innenministerium vor mit der Bemerkung, dass trotz fehlenden Nachweises einer eigenen Balzfelder Gemarkung eine Trennung der beiden Ortsteile ratsam erscheint, weil die andauernden Animositäten zwischen den beiden Einwohnerschaften nur auf diese Weise aus der Welt geschafft werden könnten.

Das Innenministerium sah dies anders. Es lehnte den Balzfelder Antrag mit Verfügung vom 13. Dezember 1833 ab, weil die Bildung einer neuen Gemeinde zwingend den Nachweis einer eigenen Gemarkung voraussetzen würde und der Ort Balzfeld diesen Nachweis nicht habe erbringen können. Zudem habe die Bürgerschaft von Horrenberg der Trennung einstimmig widersprochen, was als weiterer Grund für die Ablehnung gelte.

Die Ablehnung des Trennungsgesuchs durch das Großherzogliche Innenministerium vom 13. Dezember 1833

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 5187, Bild 29)

Balzfeld gab indessen nicht auf. Der Ort wollte unbedingt die Selbstständigkeit und versuchte in den Folgejahren mit zahlreichen Eingaben die Trennung von Horrenberg zu realisieren. Interessanterweise unterstützten sowohl das Bezirksamt in Wiesloch als auch die Regierung des Unterrheinkreises in Mannheim diese Bemühungen. So wurde von beiden Behörden in Eingaben an das Innenministerium darauf verwiesen, dass nach dem Rotenberger Lagerbuch aus dem Jahr 1559 die Annahme berechtigt sei, dass Balzfeld schon früher im Besitz einer eigenen Gemarkung war, weil in diesem Lagerbuch immer wieder die Bezeichnung „Horrenberger Gemarkung“ und „Balzfelder Gemarkung“ auftauche. Ein weiterer Hinweis auf die eigenständige Gemarkung von Balzfeld ergäbe sich daraus, dass bereits 1778 sowohl für Horrenberg als auch für Balzfeld getrennte Schatzungsbücher geführt worden seien. Auch im Kaufbuch von 1828 ergäbe sich der Hinweis auf Liegenschaften auf „Balzfelder Gemarkung“ und die auf Gemarkung Balzfeld begüterten Einwohner aus Horrenberg würden im Umlage-Register als „Ausmärker“ bezeichnet. Nach alledem war die Regierung des Unterrheinkreises der Meinung, dass – auch wenn der Ort Balzfeld nicht explizit eine eigene Gemarkung nachweisen könne - im Interesse der öffentlichen Ordnung und des Friedens in beiden Ortsteilen dem Trennungswunsch der Einwohnerschaft von Balzfeld nachgekommen werden sollte.

Die erneute Ablehnung des Trennungsgesuchs durch das Großherzogliche Innenministerium vom 1. Oktober 1850

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 5187, Bild 230)

In den folgenden Jahren wurden immer wieder Schriftsätze zwischen den beteiligten Behörden gewechselt, ohne dass das Innenministerium in Karlsruhe letztlich von seiner ursprünglichen Auffassung abwich. Mit Verfügung vom 1. Oktober 1850 erging von dort die endgültige ablehnende Entscheidung in dieser Sache. Die Begründung lautete wie folgt: „Dem Antrag auf Trennung des Gemeindeverbandes Horrenberg und gleichzeitige Erhebung der beiden Ortsteile Horrenberg und Balzfeld zu jeweils eigenständigen Gemeinden kann nicht entsprochen werden. Nach wie vor konnte vom Ort Balzfeld nicht belegt werden, dass es über eine eigene Gemarkung verfügt. Vielmehr ist es so, dass die beiden Ortsteile nur eine Viertelstunde Fußweg voneinander entfernt sind, daher viele Bürger aus Horrenberg Liegenschaften in Balzfeld und umgekehrt viele Bürger aus Balzfeld Liegenschaften in Horrenberg besitzen. Hinzu kommt, dass keiner der beiden Ortsteile ein gesondertes Vermögen hat, sondern alles Gemeindevermögen gemeinschaftlich verwaltet wird. Eine Aufteilung des Vermögens auf die jeweiligen Einwohnerschaften wäre mit erheblichen Missständen verbunden.“

Damit blieb Balzfeld endgültig ein unselbstständiger Ortsteil von Horrenberg – jedenfalls bis zur baden-württembergischen Gemeindereform im Jahre 1972, im Zuge derer die Gemeinde Horrenberg mit seinen Ortsteilen Balzfeld, Unterhof und Oberhof in die Gemeinde Dielheim eingegliedert wurde.

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Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 5187

                  21) Die Versteigerung des Schafhauses und ein betrunkener Bieter

 

Am 22. Oktober 1815 stellten Vogt und Gericht von Rauenberg beim Großherzoglichen Bezirksamt in Wiesloch den Antrag, das gemeindeeigene Schafhaus verkaufen zu dürfen. Begründet wurde der Antrag damit, dass „besagtes Schafhaus der Bürgerschaft nur noch zur Last und der Gemeinde nicht mehr zum Nutzen sei.“ Das Schafhaus habe keine geräumige Stallung, so dass die Schafe im Winter in den herrschaftlichen Ställen der Zehntscheuer untergebracht werden müssten. An Pachtgeld erhalte man nur etwa 30 bis 33 Gulden jährlich, welches durch anfallende Reparaturen wieder aufgezehrt werde. Weiter wird im Antrag ausgeführt, dass die Gemeinde Rauenberg keinen eigenen Wald und keinen Allmendnutzen habe und dass zudem durch den zurückliegenden Krieg noch eine hohe Schuldenlast abzutragen sei. Tatsächlich waren den Rauenbergern, wie auch allen anderen Gemeinden im Kraichgau, durch den Kraichgauer Rittercanon Kriegsschulden auferlegt worden. Mit der Gründung des Herzogtums Baden (1806) gingen die entsprechenden Forderungen auf die Großherzogliche Domanialverwaltung Kislau über.

Zusätzlich zu diesen Lasten kam in Rauenberg noch ein besonderes Ereignis hinzu, das die prekäre wirtschaftliche Situation der Einwohner weiter verschärfte. Anfang September 1799 quartierten sich französische Soldaten mit starker Kavallerie und Infanterie unter der Führung des Generals Derant in Rauenberg für mehrere Tage ein, nachdem sie zuvor kaiserlich-österreichische Soldaten in die Flucht geschlagen hatten. „Die Franzosen hatten“ – so schrieb der Vogt – „das ganze Ort mit Soldaten umstellet und sind bis zum 11. September allda verblieben.“ Der Kommandeur forderte von der Rauenberger Bevölkerung Verpflegung und Unterbringung für seine Soldaten sowie Heu und Stroh für die Pferde. Die Rauenberger selbst hatten in jener Zeit kaum genug zum Essen und schickten ihren Ortsvorstand zum französischen General mit der Bitte um Nachsicht und Verständnis, dass man die gewünschte Versorgung der vielen Soldaten und Pferde unmöglich erbringen könne. Der General ließ nicht mit sich reden. Er drohte dem Ortsvorstand für den Fall, dass seine Forderungen „bis morgen früh um 8.00 Uhr“ nicht erfüllt seien, „den Ort Rauenberg an vier Ecken anzuzünden.“ Mit dem Schloss werde er den Anfang machen und anschließend kein einziges Haus verschonen.

Vogt und Ortsvorstand berieten sich daraufhin mit dem herrschaftlichen Gegenschreiber und Fruchtmesser Caspar Bergmeier und kamen auf die Idee, in der Nacht aus dem herrschaftlichen Speicher im Schloss 60 Malter Korn und Früchte vor dem Zugriff der Franzosen wegzuschaffen und für die Linderung der größten Not an die Bevölkerung auszuteilen. Die 60 Malter Korn wurden der „gnädigsten Herrschaft“ in den Jahren danach wieder in Raten zurückgegeben.

Das alles beschrieb der Vogt in seinem Antrag auf Veräußerung des Schafhauses und wies darauf hin, dass die Gemeinde wegen der leeren Gemeindekasse dringend auf den Veräußerungserlös angewiesen sei, mit dem man vor allem einen Teil der rückständigen Kriegsschulden tilgen könne. Weiter wurde ausgeführt, dass man von der beabsichtigten Veräußerung des Schafhauses die gesamte Bürgerschaft in einer Versammlung im Rathaus unterrichtet habe. Ausnahmslos alle Bürger seien mit der Veräußerung einverstanden gewesen und hätten ihr Einverständnis durch eigenhändige Unterschrift in einem dafür gefertigten Sitzungsprotokoll gegeben.

In den Tagen danach entschieden sich Vogt und Gericht nicht für den Verkauf, sondern für eine Versteigerung des Schafhauses. Diese fand am 29. Januar 1816 statt. Das höchste Gebot belief sich auf 2000 Gulden. Bieter war der Rauenberger Bürger Heinrich Menges, der, wie der Vogt schreibt, „ein angesehener Mann ist, der im guten Vermögen stehet und daher die Gewähr bietet, den Steigerungsbetrag ohne Bedenken aufbringen zu können.“

Allerdings ging auf dem Rathaus ein Nachgebot ein, mit dem der Rauenberger Bürger Christoph Kurz zum Höchstgebot zusätzlich 100 Gulden, insgesamt also 2100 Gulden, offerierte. Ein weiterer Bürger mit Namen Josef Stier verbürgte sich für den Fall, dass der Nachbieter diesen Betrag nicht werde aufbringen können, mit der Zahlung in dieser Höhe. Der Vogt ließ das Nachgebot und die dafür gegebene Bürgschaft nicht gelten, weil Nachgebote bei der Versteigerung nicht zugelassen waren. Zudem war er der Meinung, dass „Christoph Kurz und Josef Stier zwar Männer sind, die ihr Auskommen haben, aber einen solchen Kaufpreis von 2000 bzw. 2100 Gulden nicht tragen können.“

 

In den Tagen danach ergab sich ein weiterer Grund, das Nachgebot nicht gelten zu lassen. Vor dem Amtmann Lang beim Bezirksamt Wiesloch erschien die Ehefrau des Nachbieters mit Namen Johanna, geborene Kammerknecht. Als Beistand hatte sie ihren Bruder Adam Kammerknecht mitgebracht. Sie führte aus: „Mein Ehemann Christoph hat an dem jüngst verflossenen Montag an der Versteigerung des Rauenberger Schafhauses teilgenommen und ein Nachgebot von 2100 Gulden abgegeben. Er war aber bei der Versteigerung betrunken und konnte daher nicht wohlüberlegt handeln. Wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er einsehen müssen, dass er über einen Betrag von 2100 Gulden nicht verfügen könne. Er hat überhaupt kein Vermögen, sondern was wir besitzen, habe ich in die Ehe eingebracht. Es war dies mein väterliches Erbteil. Mein Ehemann hat darüber kein Verfügungsrecht. Ich bitte daher, das Nachgebot meines Ehemannes von Amts wegen als ungeschehen zu betrachten.“

 

        Bild links: Die Genehmigung der Versteigerung durch das Bezirksamt Wiesloch

               Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84437  (Bild 22)

 

Und so geschah es. Das Nachgebot wurde weder vom Bezirksamt Wiesloch noch von Vogt und Gericht zu Rauenberg als gültig bewertet. Vielmehr wurde der Bürger Heinrich Menges als der rechtmäßige Erwerber des Schafhauses zu einem ersteigerten Preis von 2000 Gulden anerkannt. Die amtliche Genehmigung der Versteigerung erfolgte dann mit Schreiben des Bezirksamtes Wiesloch vom 14. März 1816 mit der einzigen Auflage, dass die Gemeinde Rauenberg den Versteigerungserlös von 2000 Gulden zur Tilgung der Kriegsschulden gegenüber der Domanialverwaltung Kislau verwendete.  Zum Nachweis der sachgerechten Verwendung war dem Amt zu gegebener Zeit ein Auszug aus der entsprechenden Gemeinde-Jahresrechnung vorzulegen.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84437

 

22) Von Kapellen, Feldkreuzen und Bildstöcken

 

Bei einem Gang durch Felder und Wiesen trifft man in unserer Gegend immer wieder auf Kapellen, Feldkreuzen und Bildstöcken. Sie stehen mitunter hunderte von Jahren an ihrem Platz und sind Zeugen unserer abendländischen christlichen Kultur. Auch auf Gemarkung Rauenberg im nordwestlichen Kraichgau sieht man auf den Feldfluren mehrere Kapellen, Feldkreuze und Bildstöcke. Aber wo stehen sie genau, wer hat sie errichtet und welche Intention (Absicht) des Stifters stand dahinter?

Die Unterlagen beim Generallandesarchiv Karlsruhe lassen in diesem Sinne einen recht guten Einblick zu. Offenbar wollte vor mehr als 280 Jahren der Speyerer Fürstbischof wissen, wie viele Kapellen, Feldkreuze und Bildstöcke in den Gemeinden seiner Regentschaft vorhanden waren. Also wurden die Ortspfarrer aufgefordert, eine entsprechende Übersicht zu fertigen und diese seiner Verwaltung, der fürstbischöflichen Hofkammer zu Bruchsal, vorzulegen. In Rauenberg geschah dies mit einem Bericht vom 28. Juli 1743 „über die allda befindlichen Capellen, Bildstöck, Bildhäusel und Kreuts“. Verfasser war der örtliche Kaplan Marcellus, der für den verhinderten Ortspfarrer einspringen musste. Marcellus schrieb an den „Hochwürdigsten Cardinal und Bischof, gnädigster Fürst und Herr“, dass er als Anlage zu diesem Bericht „gehorsamst und in tiefster Submission“1) ein Verzeichnis der auf Gemarkung Rauenberg und im Ort selbst vorhandenen Kapellen, Feldkreuze und Bildstöcke übersende. Die Aufstellung sei mit Hilfe der ortsansässigen „Gerichtsleuth“2) gefertigt worden.

In der Liste des Kaplans wurden folgende 9 Standorte von Kapellen, Feldkreuzen und Bildstöcken erfasst:

 

          Die Sankt Anna-Kapelle am so genannten „Viehweg“

    (Kreisstraße Nr. 4169) zwischen Rauenberg und Malschenberg

  • „Capelle am Viehweg stehet; Stifter Jacob Spannagel hat sie zu Ehren der Heiligen Mutter Anna erbauet.“                                                   
  • „Eine Capelle stehet am Frauenweilerweg in den Biltäckern; der Stifter Michael Weiskapp hat diese in der Absicht erbauet, dass am Hagelfeiertag3) die Flurprozession an der Capelle Halt macht und das Heilige Evangelium abgesungen wird.“
  • „Ein Kreuz aus Holz stehet auf dem Weg gegen Malsch in den Weingärten des Dreispitz. Der Stifter Jacob Moser hat solches aufrichten lassen in der Absicht, dass bei der Flurprozession am Hagelfeiertag das Heilige Evangelium abgesungen wird.“
  • „Ein Kreuz aus Stein stehet mitten im Weinberg oben auf der Keil an dem Kreuzweg. Der Stifter Peter Layer hat es aufrichten lassen in der Absicht, dass bei der Flurprozession am Hagelfeiertag dort Halt gemacht und das Heilige Evangelium abgesungen wird.“
  • „Ein Kreuz aus Holz stehet auf der Mittelstraß mitten im Ackerfeld auf der Zeil. Der Stifter ist Martin Reinhard. Hat solches errichten lassen zum frommen Halt bei der Flurprozession.“
  • „Ein Bildstock aus Stein stehet oben im Dorf am Kreuzweg. Der Stifter Conrad Bender hat solches aufgericht mit der Vorstellung, dass dort am Festtag Corpus Christi4) das Heilige Evangelium abgesungen wird.“
  • „Ein Kreuz aus Stein stehet mitten im Dorf an der herrschaftlichen Zehntscheuer. Der Stifter Martin Stier hat solches aufgericht zum frommen Verharren beim Fest Corpus Christi.“
  • „Ein Kreuz aus Stein stehet unten im Dorf bei der Bach an der steinernen Brücke. Der Stifter Georg Menges hat solches errichten lassen zum frommen Verharren und Beten beim Fest Corpus Christi.“
  • Ein Kreuz aus Holz stehet auf dem Kirchhof, direkt vor der Kirchentüre.5) Stifter ist Michael Fischer.

 

 

                        Das so genannte „Weiße Kreuz“ westlich von Rauenberg

                        und unterhalb des „Viehwegs“ mit der Jahreszahl 1714

Das so genannte „Schwarze Kreuz“ an der westlichen Gemarkungsgrenze von Rauenberg, - errichtet im Mai 1763 durch Jacob und Katharina Weißkapp

Aus den einzelnen Stifter-Absichten kann man ersehen, dass die Standorte in der freien Feldflur dem „Hagelfeiertag“ gewidmet waren, also dem Absingen des Heiligen Evangeliums bei der Flurprozession zum Schutz vor Wetter-Unbilden wie Hagel, Sturm und Hochwasser. Hingegen war an den Standorten innerhalb des Dorfes vom Stifter das fromme Beten und Singen jeweils beim Fest Corpus Christi (Fronleichnam) erwünscht.

Die oben genannten hölzernen Kreuze existieren naturgemäß nicht mehr. Sie konnten den Witterungseinflüssen über die vielen Jahrhunderte nicht trotzen. Die steinernen Kreuze haben allerdings die Jahrhunderte überdauert, sofern sie nicht Umlegungen und Wegeverbreiterungen zum Opfer gefallen sind. So existiert zum Beispiel westlich von Rauenberg mitten in den Ackerfluren unterhalb des „Viehwegs“ noch das so genannte „Weiße Kreuz“. Es wurde im Jahr 1714 errichtet und hat demnach über 300 Jahre im wahrsten Sinne des Wortes „Stand gehalten“. 

Noch weiter westlich, aber auch noch auf Rauenberger Gemarkung, steht das so genannte „Schwarze Kreuz“. Es wurde von Jacob und Katharina Weiskapp im Mai 1763 errichtet.

 

   Die Inschrift auf dem Schwarzen Kreuz

 

Vom Schwarzen Kreuz aus in Blickrichtung Westen, etwa 350 m Luftlinie entfernt, befand sich der so genannte „Kurbrunnen“. Es war eine im Jahr 1767 entdeckte Schwefelquelle. Der damalige Kurfürst Carl Theodor ließ das Wasser untersuchen, wobei der Schwefel- und Mineralgehalt festgestellt wurde. Der „Kurbrunnen“ diente in den Folgejahren als Heil-und Trinkquelle für die Bevölkerung. Die Quelle war mit Steinquadern eingefasst und überdacht mit einem achteckigen Holzhäuschen. Dieses verfiel im Laufe der Jahrzehnte und wurde auch nicht wieder erneuert, weil es „herumziehendem Volk“ als Unterschlupf diente. Die Quelle geriet mehr und mehr in Vergessenheit. In den 1960iger Jahren wurde sie mit Bauschutt aufgefüllt; Pläne zur Freilegung scheiterten an Naturschutzbedenken. Heute ist von dem früheren „Kurbrunnen“ nichts mehr zu sehen.

 

Fußnoten:

1) Submission = Unterwerfung

2) Gerichtsleuth = vergleichbar mit dem Gemeinderat von heute

3) Hagelfeiertag = so genannte Flurprozession, die früher einmal im Jahr in den Feldfluren stattfand

4) Festtag Corpus Christi = Fronleichnamstag in der katholischen Kirche

5) Der Rauenberger Friedhof war um jene Zeit direkt an der Nordseite der alten      Kirche angelegt

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84478

 

 

 

23) Die alte Kirche zu Rauenberg

 

Im Juni 1732 beklagte sich Valentinus Molitor, Kaplan zu Rauenberg, mit einem an den Fürstbischof zu Speyer1) gerichteten Schreiben über den desolaten Zustand der Rauenberger Kirche. So schrieb er sinngemäß:

„Eure Hochfürstliche Eminenz, ich kann nicht länger verhehlen, in welchem baufälligen Zustand die Kirche zu Rauenberg ist. Das Dach des Kirchturms ist so marode, dass bei stürmischem Wetter immer wieder Ziegel auf das Langhaus herabfallen und dort großen Schaden verursachen. Das führt dazu, dass Regenwasser eindringt und die Baufälligkeit der Kirche weiter fortschreitet. Auch der Nebenaltar wurde durch Regenwasser in Mitleidenschaft gezogen; die aufgetragene Farbe ist ruiniert. Bei Predigten, sofern stürmisches Regenwetter herrscht, kann ich wegen der Nässe auf der Kanzel kaum stehen. Am Sonntag nach Martini musste man sogar den Gottesdienst unterbrechen, um zerbrochene Dachziegel zu ersetzen; erst dann konnte man den Gottesdienst fortsetzen. Ich bitte daher die Hochfürstliche Eminenz, der fürstlichen Hofkammer oder dem fürstlichen Bauamt zu befehlen, die Schäden bald zu beheben, um weiteren Schaden an der armen Rauenberger Kirche zu vermeiden. Ein Neubau des Kirchturms wäre erforderlich. Wenn ein solcher aber zu teuer ist, sollte man wenigstens die dringend notwendigen Reparaturen durchführen. Ich tröste mich mit der gnädigen Erhörung meiner Bitte. Untertänigst und gehorsamst Valentinus Molitor.“

Soweit das Schreiben des Kaplans zu Rauenberg. Aber auch die Gemeindevertretung von Rauenberg unterstützte ihn in seinem Begehren. So richtete man am 8. Juli 1732 ein Schreiben an die Rotenberger Amtskellerei 2) mit dem Inhalt, dass die Schilderung des Kaplans über den Zustand der Kirche seine Richtigkeit habe und man möge doch die Kirche und den Kirchturm durch einen Sachverständigen begutachten lassen, damit dieser die notwendigen Reparaturen benennen könne. Ob ein solcher Gutachter vor Ort war, geht aus der Chronik nicht hervor. Jedenfalls dauerte es nahezu weitere 10 Jahre, bis die Notwendigkeit einer umfassenden Kirchenrenovierung in Rauenberg vom Fürstbischof bzw. seiner Hofkammer in Bruchsal anerkannt worden war. Mit Schreiben vom 19. Januar 1743 ließ die Hofkammer zu Bruchsal die Gemeinde Rauenberg wissen, dass der Fürstbischof, seine Eminenz Damian Hugo Philipp von Schönborn-Buchheim, nun seinen Willen erklärt habe „aus purer Gnad und ohne jede Schuldigkeit, mithin ohne Präjudiz“ 3) die notwendigen Baumaßnahmen an der Rauenberger Kirche zu finanzieren und ausführen zu lassen. Mit dazu beigetragen hat offenbar das freundliche Entgegenkommen des Rauenberger Bürgers Simon Weißkapp, einen Teil seines Grundstücks, das an das Kirchengelände angrenzte, für das Bauvorhaben bereitzustellen - wofür dem Bürger Weißkapp von der Hofkammer ausdrücklich gedankt wurde.

Ein Bauplan wurde durch den Bruchsaler Werkmeister Stahl gefertigt und da man die Verantwortlichen der Gemeinde Rauenberg nicht übergehen wollte, wurde der Schultheiß Michel Fischer, Adam Greulich (Anwalt der Gemeinde 4), sowie die Gerichtsleute 5) Jacob Weiß, Lorenz Moser, Heinrich Schlegel, Adam Spannagel und Georg Wachter sowohl von der „höchstfürstlichen Gunsterweisung“ als auch von der Planung unterrichtet.

Die Planung sah vor, das Dach des baufälligen Kirchturms abzubrechen und neu herzustellen sowie auf dem zusätzlichen Platz, der durch die Grundstücksspende des Simon Weißkapp zur Verfügung stand, Chor und Sakristei zu erweitern. Insoweit wurde dem Wunsch der Gemeinde über die erforderlichen Baumaßnahmen vollumfänglich Rechnung getragen und man war über die „allermildigste Zusage“ des Fürstbischofs hoch erfreut, so dass man die Notwendigkeit sah, dem Fürstbischof einen besonderen Dank zu erweisen. Man verpflichtete sich daher, jedes Jahr am Tag des Heiligen Damian, also am Namenstag des „Glorreichen Fürstbischofs und liebwerten Landesvaters“ eine Heilige Messe zu seinen Ehren zu zelebrieren, und zwar fortan bis zu seinem Ableben.

In diesem Sinne wurde in beiderseitigem Einvernehmen (fürstbischöfliche Hofkammer einerseits und Gemeindevertretung andererseits) am „Vierten Tag des Monats April Eintausendsiebenhundertunddreiundvierzig Jahre“ (4. April 1743) folgende Urkunde (sinngemäß und verkürzt) abgefasst:

 

„Damian Hugo, der Heiligen Römischen Kirche Priester, Cardinal, Bischof zu Speyer, Fürst und Graf von Schönborn, welt-und landkundiger eifriger Stifter und Restaurator von Gotteshäusern, gibt auf Supplikation 6) der Gemeindeleute zu Rauenberg seine allermildigste Zusage, die Kirche zu Rauenberg zu größerer Gottesehre mit Chor und Sakristei zu erweitern und das schadhafte Dachwerk des Kirchturms neu herzustellen.“

Im zweiten Teil der Urkunde kamen die Gemeindevertreter zu Wort (sinngemäß und verkürzt):

„Nachdem unser Gnädigster Reichsfürst und Vater unsere Bitten zur Renovierung der Kirche erhört hat, werden wir den barmherzigen Gott bitten, unserem Reichsfürsten ein langes Leben bei bester Gesundheit zu erhalten. Unserem Gönner sind wir zu großem Dank verpflichtet. Wir, Schultheiß, Anwalt und die ganze Einwohnerschaft  zu Rauenberg haben uns daher entschlossen, von nun an alljährlich am Fest des Heiligen Damian ein Hohes Heiliges Amt zu Ehren seines Namensträgers zu zelebrieren, und zwar so lange, bis unser Fürst und Herr von Gott, dem Allmächtigen, in die ewige Glückseligkeit abberufen wird. Dieses Versprechen bekräftigen wir durch besondere Urkunde.“

Die Bewilligung der Kirchenrenovierung durch den Fürstbischof mit Urkunde vom 4. April 1743

Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84475, Bild 32

Die Urkunde wurde unterschrieben von Michel Fischer (Schultheiß), Adam Greulich (Anwalt der Gemeinde) und den Gerichtsleuten Konrad Sauer, Jacob Weiß, Ernst Moser, Adam Spannagel sowie Georg Wachter.

 

Die Verpflichtung zur jährlichen Abhaltung einer Heiligen Messe am Namenstag des Fürstbischofs Damian Hugo von Schönborn

Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84475, Bild 33

In einer besonderen Stiftungsurkunde verpflichtete sich die Gemeinde nochmals ausdrücklich, am Fest des Heiligen Damian alljährlich „zu Ehren der Hochfürstlichen Eminenz, unserem geneigten Fürsten und Herrn zu einer schuldigsten Dankbarkeit eine Heilige Meß auf ewig abzuhalten“.

 

Es verging ein weiteres Jahr, bis die eigentlichen Baumaßnahmen an der Kirche in Angriff genommen wurden. Wie in jener Zeit üblich, wurde die Bevölkerung der Gemeinde bei der Renovierung mit eingebunden. Alle erwachsenen Männer mussten mithelfen, soweit die Versorgung des Viehs, die Bestellung der Felder und andere notwendige Tätigkeiten Zeit dazu ließen. Erschwerend kam hinzu, dass zusätzlich noch Reichsfron-Dienste für den Fürstbischof zu leisten waren. Mit zwei Schreiben vom 15. Mai und 27. Juli 1744 richtete daher die Rauenberger Gemeindevertretung an den „Hochwürdigsten Bischof und Reichsfürst“ die Bitte, man möge doch die Bevölkerung der Gemeinde von den allgemeinen Frondiensten befreien, da diese mit dem Bau der neuen Kirche vollauf beschäftigt sei.

Sinngemäß heißt es darin: „Mit der Erbauung der neuen Kirch wurde nun der Anfang gemacht. Jetzt müssen von den Bürgern in großer Menge Materialien von anderen Orten mit Pferde- und Ochsenfuhrwerken beigeschafft werden. Diese Arbeiten kommen einem Frondienst gleich, aber es ist ein Dienst zu größerer Ehre Gottes und zur Förderung christlicher Seelen. Es ist daher eine höchst nöthige Fron. Ein Vergleich mit den anderen Ortschaften des Amtsbezirks, die allgemeine Reichsfron zu leisten haben, sollte nicht angestellt werden, da diese durch einen Kirchenbau nicht belastet werden. Daher gelanget an Eure Höchstfürstliche Gnaden unser inständiges und fußfälliges Flehen, man möge den gnädigen Befehl geben, die Gemeinde Rauenberg von der allgemeinen Reichsfron wenigstens bis zur Fertigstellung der Kirch zu dispensieren 7).“

Im Mai 1745 erstellte der Maurermeister Conrath Wirthel ein Verzeichnis des von ihm benötigten Stangenholzes für den Gerüstbau. Das Gerüst- und Bauholz wurde in Philippsburg geschlagen und wartete in 92 Stämmen am Rheinufer auf die Abholung durch Fuhrwerke aus Rauenberg. Der Rotenberger Amtskeller Weißenburg mahnte im Juli 1745 die Gemeindevertretung an, dass man das geschlagene Holz in Philippsburg „nun nicht länger liegen lassen könne, da in der gegenwärtigen Jahreszeit Überschwemmungen zu befürchten seien und daher die Gefahr bestehe, dass das Holz durch das Wasser verdorben werde.“ Er befahl den Verantwortlichen, sich schleunigst um den Transport des Holzes von Philippsburg nach Rauenberg zu kümmern.

Nach Aktenlage war die Renovierung der Kirche samt Kirchturm offenbar im Jahr 1747 abgeschlossen. Diese Annahme erschließt sich aus einer weiteren Bitte der Gemeindevertreter aus Rauenberg an den seit 4 Jahren amtierenden Fürstbischof Franz Christoph von Hutten, der die Nachfolge des im August 1743 verstorbenen Kardinals Damian Hugo von Schönborn angetreten hatte. Das Schreiben aus Rauenberg datiert vom 1. März 1747 und lautet sinngemäß: „Hochwürdigster Bischof und Reichsfürst, nachdem die Hochfürstliche Eminenz Damian Hugo von Schönborn unsere Kirche aus purer Gnad und Barmherzigkeit auf seine Kosten hat instand setzen lassen, ist nun die Gemeinde Rauenberg im Besitz eines kostbaren und ansehnlichen Tempel Gottes. Einem solchen Gottesgebäude geziemet aber ein hoher Altar. Ein solcher fehlt bisher in der Kirche. Da die Gemeinde über keine eigenen Geldmittel verfügt, verursacht insbesondere durch jahrelange Missernten beim Wein und bei den Früchten, ist es uns nicht möglich, einen Altar auf unsere Kosten fertigen zu lassen. Wir erkühnen uns daher mit der unterthänigsten Bitte, der Fürstbischof möge wie sein Amtsvorgänger Barmherzigkeit walten und einen hohen Altar für die Rauenberger Kirche herstellen lassen. Auf diesem Altar werden wir die heiligen Meßopfer in tiefschuldiger Dankbarkeit und stets im Gedenken an Eure Hochfürstliche Eminenz feiern.“

Die Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe geben leider keine Auskunft darüber, ob der Fürstbischof Franz Christoph von Hutten ebenso mildtätig wie sein Vorgänger war und der Gemeinde Rauenberg den gewünschten Hochaltar stiftete.

 

Quelle:

Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229, Nr. 84475

 

Fußnoten:

  • 1) Fürstbischof Damian Hugo Philipp von Schönborn-Buchheim (1719 bis 1743)

  • 2) Amtskellerei – eine Behörde des Speyerischen Fürstbistums

  • 3) Präjudiz - rechtliche Verpflichtung

  • 4) Anwalt der Gemeinde - nach heutigem Verständnis der Bürgermeister-Stellvertreter

  • 5) Gerichtsleute – vergleichbar mit dem heutigen Gemeinderat

  • 6) Supplikation – Bitte

  • 7) Dispensieren – Befreiung erteilen

Wappen des Ritterkantons Kraichgau des Schwäbischen Ritterkreises

(aus Wikipedia)

24) Als sich Rauenberg der Kraichgau-Ritterschaft widersetzte

 

In der Zeit, von der hier berichtet wird, waren die Rauenberger wie auch die Bewohner der Nachbarorte leibeigene Untertanen des Fürstbischofs zu Speyer. Er übte sowohl die geistliche wie auch die weltliche Herrschaft über die Menschen in seinem Territorium, dem Hochstift Speyer, aus. Das bedeutete, dass er der Grundherr über alle Felder, Wiesen und Wälder war und dass jede außergewöhnliche Tätigkeit der Bauern und Handwerker einer Bewilligung durch die Verwaltung des Fürstbischofs bedurfte. Diese Verwaltungen waren die so genannten Amtskellereien; für die Gemeinde Rauenberg waren die Kellereien in Rotenberg und Kislau (bei Mingolsheim) zuständig. Den Kellereien vorgesetzt war wiederum die fürstbischöfliche Hof-und Rentkammer in Bruchsal.   

Neben der fürstbischöflichen Macht war aber noch eine zweite Institution berechtigt, den Dorfbewohnern im Kraichgau bestimmte Forderungen in Form von Frondiensten abzuverlangen. Es war dies der „Ritterkanton Kraichgau des schwäbischen Ritterkreises“, eine Gemeinschaft der ritterlichen Adelsfamilien, die seit dem hohen Mittelalter die Lehensherrschaft über zahlreiche Ortschaften und Güter im Kraichgau und angrenzenden Gebieten innehatten. Die Verwaltung des Kraichgauischen Ritterkantons war das „Direktorium des Ritterrats“, das ihren Sitz in der damaligen Reichsstadt Heilbronn inne hatte.  

 

Im Jahr 1797 erging von Seiner Königlichen Hoheit, dem Reichsgeneral und Feldmarschall Erzherzog Karl von Österreich, an das Direktorium des Ritterkantons Kraichgau der Befehl, „die Chaussee 1) von der Eppinger Grenze über die Orthe Gemmingen, Stebbach und Schwaigern bis zur Heilbronner Grenze zum unentbehrlichen Dienst an der Kaiserlich-Königlichen Reichsarmee auf das Allerschleunigste herzustellen.“ Das ritterschaftliche Direktorium in Heilbronn sah daher die unvermeidliche Notwendigkeit, dass die Straßenbauarbeiten insbesondere auf den Markungen von Gemmingen und Schwaigern auf das Schnellste ausgeführt wurden, solche aber von den beiden genannten Ortschaften unmöglich allein bewerkstelligt werden konnten. Also wurde mit einer Verfügung vom 20. Februar 1797 zusätzlich auch die zum Kanton Kraichgau gehörige Gemeinde Rauenberg aufgefordert, Maurer, Steinbrecher und weitere ungelernte Arbeiter (Handfröner) mit den notwendigen Werkzeugen sowie mit Hacken und Schaufeln auszustatten und diese anzuweisen, dass sie am Freitag, dem 24. Februar, an der Grenze zwischen Gemmingen und Stebbach zum entsprechenden Frondienst anzutreten haben. Den Handfrönern wurden zur Erledigung der Arbeiten 3 Tage, den Maurern und Steinbrechern 8 Tage eingeräumt. Der Schultheiß von Gemmingen war zuvor verpflichtet worden, die Arbeiter in ihre jeweiligen Tätigkeiten einzuweisen. Sollte sich allerdings die Gemeinde Rauenberg diesem Befehl widersetzen, wurde vom Ritter-Direktorium eine „militärische Exekution“ 2) angedroht.

Da die Gemeinde Rauenberg auf dieses Schreiben offenbar nicht reagierte, erging am 17. März 1797 ein neuerliches Schreiben des Direktoriums des Ritterkantons Kraichgau (Ritterrat) an die Gemeinde. Erneut wurde auf den strengen Befehl des hohen kaiserlichen Generalkommandos verwiesen, wonach die Chaussee von Eppingen, Gemmingen, Stebbach und Schwaigern bis zur Heilbronner Grenze aus militärischen Gründen einer dringenden Sanierung bedurfte. Die Gemeinde Rauenberg wurde nun konkret angewiesen, mit zweispännigen Wagen 18 Klafter 3) Chaussee-Steine zur Baustelle heranzuschaffen und zudem die Straße auf 12 Ruten 4) zu planieren. Die Chaussee-Steine, so hieß es in dem Schreiben, könne die Gemeinde aus dem Richener Steinbruch besorgen; der genaue Ablade-Platz für die Steine werde ihr von dem Chaussee-Inspektor mit Namen Waidelin und dem Gemminger Schultheiß bezeichnet. Und erneut wurde im Falle der Widersetzung der Gemeinde Rauenberg militärische Exekution angedroht.

Die Gemeinde Rauenberg weigerte sich, auch dieser zweiten Anordnung Folge zu leisten. So erging am 15. Mai 1797 ein drittes Schreiben, und zwar diesmal von dem Chaussee-Inspektor Waidelin. Dieser schrieb: „Die Gemeinde Rauenberg hat zur Vermeidung unausweichlicher militärischer Exekution die ihr auf Gemminger Gemarkung vorgeschriebenen Arbeiten an der Chaussee nun strikt ungesäumt zu erledigen.“

Nun endlich wurde die Gemeinde Rauenberg tätig – wohl aus Sorge vor der mehrfach angedrohten militärischen Exekution. Sie wandte sich mit einem Schreiben vom 7. Juni 1797 an die „Hochfürstliche Hochpreisliche Hohe Landesregierung“ (adressiert wohl an die fürstbischöfliche Hofkammer zu Bruchsal) und beklagte sich bitter, dass der Ritterkanton Kraichgau den bereits mit einem Schreiben vom 22. März 1797 vorgetragenen Argumenten kein Gehör geschenkt habe. So habe die Gemeinde darin hinreichende Gründe geltend gemacht, dass ihr die Verpflichtung zum Chaussee-Ausbau auf Gemminger und Stebbacher Gemarkung nicht zugemutet werden könne. Im Einzelnen schrieb die Gemeinde (sinngemäße Wiedergabe):

„In dieser unserer bedrängten Lage sind wir genötigt, die Hochpreisliche Hohe Landesregierung um Unterstützung anzurufen. Die Gründe, die für eine Befreiung von der Chaussee-Fron sprechen, bestehen darin, dass die Gemeinde Rauenberg bereits – auch unter Androhung militärischer Exekution – an dem Ausbau der Hauptchaussee nach Heidelberg auf einer Strecke von 351 Ruten auf ihrer Gemarkung verpflichtet ist. Ebenfalls müssen wir die Straße von Wiesloch nach Eichtersheim auf rund 400 Ruten auf unserer Gemarkung mit Steinen befestigen und planieren – auch hier wieder unter Androhung von militärischer Exekution bei Nichterfüllung. Und schließlich – drittens – sind wir auf Anforderung des Militärs an dem Ausbau der übel zugerichteten Straße von Roth bis nach Horrenberg, welche mit ungefähr 1200 Ruten durch unsere Gemarkung führt, beteiligt. Alle diese Arbeiten erfordern eine Menge Fuhren, dabei haben wir nur 26 Stück an Zugvieh. Dass dieses nun täglich unausgesetzt für die Straßenbauarbeiten unterwegs sein muss, ist leicht zu ermessen. Zusätzlich müssen wir auf Anordnung des Hochstifts Speyer Fuhren von Naturalien für die Armen in Bruchsal, Philippsburg und Heidelberg durchführen. Die Bauern sind mit diesen vielen Fuhren am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Das Betrüblichste dabei ist, dass sie in der jetzt kostbaren Zeit, wo auf den Feldern die Sommerfrüchte anzubauen sind, ihr Zugvieh nicht zur Verfügung haben. Der materielle Mangel für sie und ihre Familien kann unter diesen Umständen nicht ausbleiben. Nebenbei müssen wir noch bemerken, dass zur Herstellung der Hauptchaussee nach Heidelberg die übrigen ritterschaftlichen Orte des Kantons Kraichgau nicht das Geringste beizutragen haben, während wir eine Strecke von 351 Ruten auf unserer Gemarkung ausbauen müssen. Nach alledem liegt die Verpflichtung unserer Gemeinde zum Ausbau der Chaussee von der Eppinger Gemarkungsgrenze über Gemmingen, Stebbach und Schwaigern bis zur Grenze nach Heilbronn ganz außerhalb unserer Möglichkeiten, allein schon deshalb, weil die uns angewiesene Ausbaustrecke wenigstens ein 8 Stunden-Weg entfernt von Rauenberg gelegen ist. Es kommt hinzu, dass unsere Gemeindekasse in Folge von Kriegskosten hoch verschuldet ist, so dass wir uns außerstande sehen, etwa fremde Arbeiter für die Chaussee-Arbeiten einzustellen und zu bezahlen. Daher also an unsere Hochpreisliche Hohe Landesregierung die Bitte: Sie wolle geruhen, sich für unser Anliegen gnädigst zu verwenden und dem Direktorium der Schwäbischen Reichsritterschaft, Kanton Kraichgau, zu befehlen, die Gemeinde Rauenberg von der Fron-Verpflichtung zum genannten Chaussee-Ausbau von Eppingen bis nach Heilbronn zu befreien. In Hoffnung gnädiger Erhörung harren wir in allschuldiger Verehrung. Unterthänigst und gehorsamst: Gemeinde Rauenberg am 7.Juni 1797.

Offenbar hielten es die Rauenberger mit der Weisheit „doppelt genäht hält besser“ und richteten zeitgleich an die „Königliche Hoheit, Durchlaucht Erzherzog Carl von Österreich“ die gleiche Bitte und begründeten diese in ähnlicher Weise (sinngemäße Wiedergabe):

„Gnädiger Herr! Das Direktorium der Hohen Ritterschaft Schwaben, Orth Kraichgau, hat uns seit dem Monat Februar bereits dreimal unter Androhung militärischer Exekution aufgefordert, Frondienste beim Bau der Chausseestraße von Eppingen über die Orthe Gemmingen,  Stebbach und Schwaigern bis zur Heilbronner Grenze zu leisten. Wir haben dagegen erhebliche Vorstellungen gemacht und begründet, weshalb wir dazu nicht in der Lage sind. Unsere Gemeinde ist nämlich – auch jeweils unter Strafandrohung – bereits zu drei anderen Straßenbaumaßnahmen befohlen worden, soweit sich diese auf unserer Gemarkung befinden. So ist uns aufgegeben worden, einen Anteil der Baumaßnahmen an der Chaussee nach Heidelberg in möglichster Eile zu übernehmen. Desgleichen solle die Straße von Wiesloch nach Eichtersheim, welche um die 400 Ruten durch unsere Gemarkung ziehet, mit Steinen befestigt und planiert werden. Und drittens wurden wir vom Hochstift Speyer verpflichtet, die Straße von dem Orth Rot nach dem Orth Horrenberg, die übel zugerichtet ist, auf denjenigen 1200 Ruten, die durch unsere Gemarkung laufen, auf einen brauchbaren Stand herzustellen. Diese drei Baumaßnahmen bedürfen einer Menge Fuhren von Steinen und vieler Hand-Fronarbeiten. Dabei haben wir nicht mehr als 26 Stück Zugvieh, die unsere Bauern aber dringend bei der Feldbestellung brauchen. Die Bestellung und Bezahlung von fremden Arbeitern, die beim Chausseebau helfen könnten, können wir uns aber angesichts unserer erschöpften Gemeindekasse nicht leisten. Abschließend müssen wir noch unterthänigst bemerken, dass andere Ortschaften des Ritterkantons Kraichgau nicht zur Fron herangezogen werden, obwohl diese genau wie wir in der grundsätzlichen Pflicht stehen. Nach allem wollen Eure Königliche Hoheit gnädigst geruhen, die angedrohte militärische Exekution von uns abzuwenden und uns im Übrigen von der Last des Chausseebaues von Eppingen bis nach Heilbronn zu befreien. Unterthänigst und gehorsamst: Gemeinde Rauenberg.“                                     

Die beiden Bitt-Briefe der Gemeinde Rauenberg an Erzherzog Carl von Österreich und an den Fürstbischof zu Speyer bzw. an dessen Hof-und Rentkammer zu Bruchsal hatten Erfolg. Noch im Juli 1797 lenkte die Schwäbische Ritterschaft, Kanton Kraichgau, ein und teilte der Gemeinde mit, dass „…aus den von der Gemeinde Rauenberg wiederholt eingereichten Bitten und Vorstellungen zu ersehen ist, dass die Gemeinde bereits bei drei anderen Chaussee-Ausbauten durch das Kaiserliche Generalkommando sowie durch das Hochstift zu Speyer zu Frondiensten befohlen wurde, soweit ihre eigene Gemarkung davon betroffen ist. Nachdem sich sowohl Ihre Königliche Hoheit, Erzherzog Karl, als auch der Fürstbischof von Speyer mit Rücksicht auf die vorgetragenen Gründe für die Gemeinde verwendet haben, sprechen wir die Gemeinde Rauenberg von der Teilnahme an den Chaussee-Arbeiten von Eppingen über Gemmingen, Stebbach und Schwaigern bis nach Heilbronn hiermit frei. Wir werden Vorkehrungen treffen, dass die der Gemeinde Rauenberg ursprünglich zugetheilte Ausbau-Strecke auf andere Weise hergestellt wird.“ Signatur: Reichsritterschaft Kraichgau.

 

Fundstelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 84572

 

Hinweise:

1) Chaussee – alte Bezeichnung für eine gut ausgebaute Landstraße

2) Militärische Exekution – Einschreiten des Militärs

3) Klafter – altes Raum-Maß, umfasst 3 m3

4) Rute – alles Längen-Maß, umfasst 3 Längenmeter

Gedenkstein auf dem Dorfplatz zu Malsch

(Foto: A. Herrmann)

25) Die Synagoge von Malsch

 

In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Malscher Synagoge, wie tausende andere Synagogen in Deutschland auch, durch den Terror der Nazis demoliert und das Inventar angezündet. Sie hatte bis zu ihrer Zerstörung über 100 Jahre lang den Malscher Juden als Gebetshaus gedient. Der Synagogenbau ist heute gänzlich verschwunden. Auf dem heutigen Dorfplatz der Gemeinde Malsch weisen nur noch ein Schild und ein Gedenkstein auf den ehemaligen Standort mit Badhaus hin. Umso wichtiger ist es, ein Zeugnis gegen das Vergessen abzulegen. In diesem Sinne wird anhand der Unterlagen beim Generallandesarchiv Karlsruhe über den Bau und die Finanzierung der Synagoge vor jetzt mehr als 190 Jahren berichtet. 

Im Mai 1831 schrieb das Großherzogliche Badische Bezirksamt Wiesloch (nachfolgend Amt Wiesloch) an das „Hochlöbliche Neckarkreisdirektorium“ in Mannheim, dass die israelitische Gemeinde zu Malsch die Absicht habe, eine neue Synagoge zu errichten. Das Neckarkreisdirektorium leitete dieses Schreiben an den „Großherzoglichen Badische Oberrat der Israeliten“ in Karlsruhe zur „gefälligen Kenntnis und Äußerung“ weiter. Dort wusste man schon über das Bauvorhaben Bescheid. Ein Bauplan samt einem Bericht des Baumeisters lag dem Oberrat bereits vor. Beides leitete man dem Neckarkreisdirektorium zu mit dem Bemerken, dass man gegen das Bauvorhaben grundsätzlich keine Bedenken habe. Lediglich war man beim Oberrat der Ansicht, dass, sollte die jüdische Gemeinde zu Malsch über kein Badhaus („Mikwe“) verfügen, ein solches zusammen mit dem Neubau der Synagoge errichtet werden sollte.

Das Neckarkreisdirektorium stellte diesen Bauplan mit Schreiben vom 6. Dezember 1831 dem Amt in Wiesloch zur Verfügung mit der Anweisung, „das Nötige wegen der Versteigerung des Baues“ 1) anzuordnen. Gleichzeitig wurde das Amt darauf hingewiesen, im Zuge des Neubaus auch für die Errichtung eines „warmen Frauenbades“ Sorge zu tragen, wenn ein solches noch nicht vorhanden sein sollte.

Die Vergabe der Baumaßnahmen erfolgte durch das Amt Wiesloch. Es wurde mit dem Bauunternehmer ein Festpreis von 2.082 Gulden ausgehandelt, wobei 500 Gulden bei Baubeginn zu zahlen waren; weitere 500 Gulden wurden bei Fertigstellung des Rohbaus („Gebäude unter Dach“) fällig. Diese 1.000 Gulden wurden durch eine Kollekte bei sämtlichen jüdischen Malscher Bürgern erhoben, so dass die beiden ersten Zahlungstermine eingehalten werden konnten. Weitere finanzielle Belastungen konnten den jüdischen Bürgern nicht zugemutet werden. So stand die jüdische Gemeinde vor der Notwendigkeit, die bei Baufertigstellung fällig werdende Restzahlung von 1.082 Gulden auf andere Weise aufbringen zu müssen.

Hinweisschild auf dem Dorfplatz zu Malsch (Foto: A. Herrmann)

Man kam zu dem Schluss, bei der Bank ein Darlehen in dieser Höhe aufzunehmen und den Neubau der Synagoge als Sicherheit einzusetzen. Der finanztechnische Begriff in jener Zeit war „Verpfändung“, was nach heutigem Verständnis nichts anderes bedeutet als die Belastung des Grundstücks samt Neubau mit einer Hypothek. In einem von dem Vorsteher der jüdischen Gemeinde Malsch (Hirsel Bodenheimer) und weiteren 11 jüdischen Bürgern unterschriebenen Gesuch vom Dezember 1833 bat man die Behörde, der Darlehensaufnahme von 1.082 Gulden und der dafür notwendigen Verpfändung des Neubaus zuzustimmen. Dagegen hatte aber das Amt Wiesloch, das von der jüdischen Gemeinde Malsch um Genehmigung dieses Finanzierungsvorschlags gebeten wurde, rechtliche Bedenken. Es sei nämlich nach den geltenden Landesvorschriften sämtlichen Religionsgemeinschaften untersagt, ihre Gotteshäuser als Finanzierungspfand einzusetzen. Die Regierung des Unterrheinkreises zu Mannheim2) wurde daher um weitere Entschließung in der Sache gebeten.

 

Die Mannheimer Behörde wiederum sah zunächst die Notwendigkeit, die „Großherzogliche Bezirks-Synagoge Bruchsal“ in der Sache anzuhören. Diese verwies darauf, dass auch die jüdischen Gemeinden in Untergrombach und Heidelsheim in einem gleichgelagerten Falle die Genehmigung zur Verpfändung ihrer Synagoge erhalten hätten. Also könne man die Malscher israelitische Gemeinde nicht anders behandeln. Mit dieser Auskunft gab sich indessen die Regierung des Unterrheinkreises Mannheim nicht zufrieden. Es wurde der Großherzogliche Badische Oberrat der Israeliten in Karlsruhe eingeschaltet. Aber auch dieser war der Meinung, dass aus rechtlichen Gründen eine Verpfändung der Malscher Synagoge nicht in Betracht kommen könne. Er schrieb dazu am 15. Mai 1834: „Wir stimmen mit der Ansicht der Regierung des Unterrheinkreises vollkommen überein. Die von der Bezirks-Synagoge in Bruchsal genannten Fälle in Untergrombach und Heidelsheim kann man nicht als Vergleich heranziehen. Es war dort wohl so, dass mit der Synagoge verbundenen Gebäude verpfändet wurden, nicht aber die Synagoge selbst. Damit sollte dem Gesuch der jüdischen Gemeinde zu Malsch nicht stattgegeben werden.“

Im Juli 1834 machte die jüdische Gemeinde von Malsch beim Großherzoglichen Oberrat der Israeliten in Karlsruhe einen erneuten Vorstoß in der Sache. Sie wies darauf hin, dass dem Bauunternehmer Konrad Stadtmüller aus Mingolsheim ein gesetzliches Verfügungsrecht über die neuerbaute Synagoge für den Fall zustünde, dass ihm die Restzahlung von 1.082 Gulden vorenthalten werde. „Hierdurch sieht die Gemeinde in Gefahr, dass die Synagoge von fremder Hand angegriffen und veräußert wird. Die gewünschte Kapitalaufnahme von 1.082 Gulden bezweckt also allein, die Synagoge zu erhalten und vor einem gerichtlichen Zugriff zu schützen.“

Der Oberrat sah in dieser Begründung eine neue Tatsache und änderte seine bisherige Ansicht. Er schrieb am 10. Juli 1834 an die Regierung des Unterrheinkreises in Mannheim: „In der Tat hat der Bauunternehmer Stadtmüller ein gesetzliches Vorzugsrecht auf den Neubau der Synagoge, sofern er nicht mit der restlichen Baukostensumme von 1.082 Gulden schleunigst befriedigt wird. Unter diesen Umständen und bei der gänzlichen Unmöglichkeit für die jüdische Gemeinde in Malsch zur Herbeischaffung der notwendigen Zahlungsmittel auf andere Weise sehen wir die Gestattung der Verpfändung des Neubaus als ebenso notwendig wie zweckmäßig an.“

Nun lenkte auch die Regierung des Unterrheinkreises ein. Mit einem Schreiben vom 29. Juli 1834 wurde der israelischen Gemeinde zu Malsch die Erlaubnis erteilt, einen Bankkredit in Höhe von 1.082 Gulden aufzunehmen und als Sicherheit den Neubau der Synagoge als Pfand einzusetzen. Ausdrücklich wurde dabei festgestellt, dass das aufzunehmende Kapital ausschließlich zur Deckung der restlichen Bausumme verwendet werden darf.

 

 

Im Bild links:

Die Genehmigung zur Verpfändung der Synagoge vom 29. Juli 1834

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe 229/ 63900

 

 

Fundstelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63900

 

Fußnoten zum Text:

 1) Versteigerung des Baues - nach heutigem Verständnis die Ausschreibung und           Vergabe des Neubaus

2) Regierung des Unterrheinkreises Mannheim - Nachfolgebehörde des     Neckarkreisdirektoriums

 

                  26) Als der Fürstbischof den Rauenbergern die Bruchwiesen übereignete

 

Es ist nun 250 Jahre her, als die Gemeinde Rauenberg in den Genuss eines Teils des so genannten Bruchs kam. Das weitläufige Wiesengelände, heute westlich der Bundesstraße 3 gelegen, war wichtiger und darum begehrter Gras- und Heulieferant für die Bauern der angrenzenden Dörfer Malsch, Malschenberg, Rauenberg und Frauenweiler. Wie bedeutend die Bruchwiesen für die Bauern der Umgebung damals waren, sieht man an den tumultartigen Vorgängen, die sich an Ort und Stelle im Juli 1815 ereigneten. Damals gerieten Bauern aus Malsch und Malschenberg in erbitterten Streit über die Gras- und Heunutzung der Allmendwiesen, weil beide Parteien meinten, jeweils von der anderen übervorteilt zu werden. Ein vom Großherzoglichen Badischen Bezirksamt Wiesloch auf den Wiesen anwesender Beamter sollte die Versteigerung des Grasschnittes organisieren, musste aber abbrechen, weil - so schreibt die Chronik - ".... die Bauern mit Hauen und Heugabeln aufeinander losgingen." 1)  

40 Jahre zuvor richteten also die Vertreter der Gemeinde Rauenberg - Schultheiß, Anwalt und Gerichtsleute – an den Fürstbischof zu Speyer die „unterthänigste Bitte“, die in seinem bzw. im Eigentum des Hochstifts Speyer stehenden Bruchwiesen, soweit sie sich auf Rauenberger Gemarkung befanden, „für uns und unsere Nachkommenschaft zu einem dauerhaften Erbbestand zu überlassen und einen entsprechenden Erbverleihungsbrief zu erteilen.“ Speyerischer Fürstbischof war zu jener Zeit Damian August Philipp Karl, Graf von Limburg-Stirum, der seit 1770 im Schloss zu Bruchsal residierte. Da diese Wiesen ohnehin bisher an die Gemeinde Rauenberg „verlehnt“ (verpachtet) waren, war der Fürstbischof der Bitte nicht abgeneigt und erließ im Oktober 1775 einen so genannten Erbverleihungsbrief, der wie folgt lautet:

Wir, von Gottes Gnaden, August, Bischof zu Speyer, Probst der gefürsteten Probstei Weißenburg des Heiligen Römischen Reichs, Fürst Graf von Limburg-Stirum, beurkunden und bekennen hier mit diesem offenen Brief, dass Wir auf unterthänigste Supplication 2) der Commune Rauenberg das Uns und Unserem fürstlichen Hochstift zu Speyer eigenthümlich zugehörige Bruch von achtzig und vier Morgen 3) Land auf Gemarkung Rauenberg zur Weid und zur Nutznießung in einen perpetuierlichen 4) Erbbestand an die Gemeinde Rauenberg und ihre gesamte Nachkommenschaft gnädig verleihen.“

Das zur Verleihung des Erbbestandes vorgesehene Bruchgelände wurde dabei wie folgt beschrieben: „In südlicher Richtung bis an die Grenzsteine der Gemeinde Malsch, in nördlicher Richtung bis an das Frauenweiler Bruch gegen Wiesloch, in östlicher Richtung bis an den Kallbach (heute wohl der Kahlbachgraben) und in westlicher Richtung und als hinteres Ende bis an die Markscheid von Roth.“

Im Erbverleihungsbrief wurden zusätzlich vom Fürstbischof bzw. dem Hochstift Speyer folgende Bedingungen festgelegt:

  • Die Holz-und Früchtenutzung der auf den Bruchwiesen stehenden Bäume steht weiterhin dem Hochstift Speyer zu.
  • Das Bruch oder Teile davon dürfen ohne Zustimmung des Hochstifts weder verkauft noch sonst wie geschmälert werden. Es ist bestmöglich zu schützen und beisammen zu lassen.
  • Durch diese Erbverleihung wird das bestehende Hoheitsrecht des Dominum Directum (Fürstbischof und Hochstift) über das Bruch nicht eingeschränkt.
  • Alljährlich ist die Gemeinde Rauenberg verpflichtet, eine Erbpacht von 16 Gulden an das fürstbischöfliche Oberamt Kislau zu entrichten.
  • Wird die Gemeinde in der Entrichtung der jährlichen Erbpacht säumig, ist das Hochstift berechtigt, das Bruchgelände wieder einzuziehen und in Eigentum zu übernehmen.
  • Bei rückständiger Erbpacht ist das Hochstift damit einverstanden, dass anstelle der Kommune jeder Rauenberger Bürger aus seinen eigenen Mitteln die Schuld begleicht.
  • Wenn die Gemeinde durch Kriegs -oder andere unvorhergesehenen Ereignisse von dem völligen Genuß des Bruchgeländes ausgeschlossen ist, wird das Hochstift die Pachtzahlung kürzen oder gänzlich aussetzen.

Die Gemeinde Rauenberg gelobte im Erbverleihungsbrief die Einhaltung dieser Klauseln und Bedingungen „…für uns und unsere Nachkommenschaft. Besonders geloben wir, dass die in der Urkunde genannten Prästanda 5) zur gehörigen Zeit und ohne Beschränkung abgeführt wird.“

Die Urkunde schließt mit dem Vermerk des Fürstbischofs: „Anbei und geschehen in Unserer fürstlichen Stadt Bruchsal am 16. Oktober des Jahres Eintausendsiebenhundertfünfundsiebzig“ (1775)

- zugleich mit der Versicherung der Vertreter der Gemeinde Rauenberg: „Urkundlich all dessen haben wir den gegenwärtigen Revers 6) eigenhändig unterschrieben und das Rauenberger Gerichtssiegel beigedruckt.“

Der Brief wurde von dem Schultheiß Philipp Fischer und 14 weiteren Gerichtsleuten 7) aus Rauenberg unterzeichnet.

 

Im Bild links: Letzte Seite des Erbverleihungsbriefs vom Oktober 1775, unterzeichnet vom Schultheiß Philipp Fischer und 14 weiteren Rauenberger Bürgern 

 

Quelle:

Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 42 Nr. 4558

 

Fußnoten:

1) GLA Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63887 (Nutzung der Malscher Allmendwiesen)

2) Supplication = Bitte

3) 1 Morgen Land, damals etwa 3.600 qm; 84 Morgen also rund 30,2 Hektar

4) perpetuierlich = dauerhaft

5) Prästanda = Abgabe, Pachtpreis

6) Revers = Verpflichtungserklärung

7) Gerichtsleute = nach heutigem Verständnis der Gemeinderat

27) Der staatliche Eisenbahnbau auf Rauenberger Gemarkung

 

Zu Beginn der 1830iger Jahren wurde das damalige Großherzogtum Baden auf Planungen des Nachbarlandes Frankreich aufmerksam. Es sollte dort eine Eisenbahntrasse im Elsass entlang der linken Seite des Rheins von Straßburg bis nach Basel entstehen. In Baden befürchtete man dadurch eine Verlagerung der Verkehrsströme von der badischen auf die französische Seite und damit ein Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung des gesamten Landes. Erste Planungen zum Bau einer rechtsrheinischen Bahntrasse von Mannheim bis an die schweizerische Grenze erfolgten im Jahr 1833. Sie fanden aber (noch) keine Zustimmung im Landtag, weil man sich dort mit erheblichen Widerständen der von der geplanten Trasse betroffenen Gemeinden konfrontiert sah. So fürchteten insbesondere die Landwirte und Forstleute eine „Abschneidung“ ihrer Zuwege zu Äckern, Wiesen und Wälder durch die künftige Bahnlinie und damit eine erhebliche Beeinträchtigung in der Bewirtschaftung.

Doch die Gründung einer Eisenbahngesellschaft im benachbarten Elsass führte zu einem Umdenken im badischen Landtag. Im Jahr 1837 wurden ernsthafte Planungen in Gang gesetzt und ein Jahr später, am 29. März 1838, beschloss die Ständeversammlung des Badischen Landtags mehrere Gesetze, die im Wesentlichen den Bau einer Bahnstrecke rechtsrheinisch von Mannheim bis nach Basel vorsahen. Im September 1838 war Baubeginn. Für die Ausführung des Eisenbahnbaues war das badische Innenministerium zuständig, das aber für diesen Zweck eigens eine neue Behörde gründete: Die Eisenbahn-Baudirektion. Später wurde diese Behörde in die Oberdirektion des Wasser-und Straßenbaues eingegliedert. Am 12. September 1840 wurde der erste Streckenabschnitt von Mannheim nach Heidelberg in Betrieb genommen und war damit deutschlandweit die zweite Staatsbahnstrecke (nach der braunschweigischen Strecke von Braunschweig nach Bad Harzburg).

Der gesamte Streckenverlauf der geplanten Badischen Staatsbahn von Mannheim bis Basel (Repro: Wikipedia)

Nun ging es an die Vorbereitung für den Bau der Strecke von Heidelberg nach Karlsruhe. Nach den Planungen sollte die neue Bahntrasse zwischen Wiesloch und Bruchsal in der so genannten Bruchniederung verlegt werden, also in dem Wald- und Wiesengelände westlich der heutigen Bundesstraße 3. Auch die Gemeinde Rauenberg hatte in jener Zeit Wiesen-und Waldgrundstücke in diesem Bereich. Folgerichtig kamen die großherzoglichen Behörden auf die Gemeinde zu, um die für den Trassenbau erforderlichen Grundstücke aufzukaufen. Am 15. Juli 1841 wurde vor dem Bezirksamt Wiesloch (wohl im Auftrag der Eisenbahn-Bauverwaltung) ein „Vertragsentwurf über die Abtretung der Gemeindegrundstücke zum Eisenbahnbau“ vereinbart. Unter Ziffer 1 trat die Gemeinde an die Eisenbahn-Bauverwaltung „alle ihre Grundstücke und frei von allen Lasten ab, die zum Trassenbau benötigt werden, sobald die Bauverwaltung derselben bedarf“. Nach Ziffer 2 des Entwurfs sollte die Gemeinde als Entschädigung für das abgetretene Wald-und Wiesengelände diejenige Summe erhalten, die dem Durchschnittspreis entsprach, der bereits den Nachbargemeinden Wiesloch und Malschenberg für deren Grundstücke gezahlt wurde. Nach Ziffer 3 des Vertragsentwurfs sollte die Auszahlung des Kaufpreises nach dessen Genehmigung durch die Oberdirektion des Wasser-und Straßenbaues erfolgen. Der Vertragsentwurf stand unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Gemeinderat und Bürgerausschuss.

Am 17. August 1841 berief Rauenbergs Bürgermeister Lädel unter Beisein der Urkundspersonen Bergmeier, Layer, Simon Wipfler und Johannes Wipfler eine Gemeindeversammlung ein, wohl um die Zustimmung seiner Bürger zu der Vereinbarung einzuholen. In der Niederschrift dazu heißt es: „Heute hat der Bürgermeister die Gemeindebürger zusammengerufen. Die Bürgerschaft, die aus 180 Gliedern besteht, ist zu mehr als zwei Dritteln erschienen. Der Bürgerschaft hat man den am 15. Juli vereinbarten Vertragsentwurf über die Abtretung der Gemeindegrundstücke zum Zwecke des Eisenbahnbaues vorgelegt. Die Bürgerschaft hat daraufhin Folgendes beschlossen: 1) Den Vertrag zu genehmigen. 2) Den Gemeinderat und Bürgerausschuss zu ermächtigen, mit der Eisenbahn-Bauverwaltung sowohl hinsichtlich der abzutretenden Grundstücksparzellen als auch des konkreten Kaufpreises das Notwendige zu vereinbaren.“

Der Rauenberger Bürgermeister legte mit Schreiben vom 20. August 1841 die Niederschrift und das Ergebnis der Gemeindeversammlung an das Großherzogliche Bezirksamt Wiesloch vor mit der Bitte, die „Staatsgenehmigung bei hoher Kreisregierung erwirken zu wollen.“ Zugleich sagte der Bürgermeister in diesem Schreiben zu, dass er für die „gesetzmäßige Verwendung des Kaufpreiserlöses die gehörige Sorge tragen“ wolle.

Das Amt Wiesloch leitete daraufhin die angefallenen Akten (Vertrag einschließlich Niederschrift über die Gemeindeversammlung) an die Regierung des Unterrheinkreises in Mannheim 1) weiter und bemerkte dazu, dass seitens des Amtes Wiesloch keine Bedenken bestünden, die erforderliche Staatsgenehmigung zu erteilen. Die Regierung des Unterrheinkreises gab indessen die Unterlagen mit Schreiben vom 3. September 1841 wieder dem Amt Wiesloch zurück mit dem Hinweis, dass eine Genehmigung der Liegenschaftsveräußerungen der Gemeinde Rauenberg zum Zwecke des Eisenbahnbaues nach dem Regierungsblatt Nr. 32 / 1833 von Seiten des Unterrheinkreises nicht erforderlich sei. Vielmehr genüge die Zustimmung bzw. Genehmigung des Vertrags durch das Bezirksamt Wiesloch. Allerdings solle das Amt darauf achten, dass die Gemeinde Rauenberg den Veräußerungserlös nach Maßgabe der Vorschriften der Badischen Gemeindeordnung sachgerecht verwendet. Das Bezirksamt Wiesloch erteilte daraufhin noch im September 1841 die Genehmigung des Vertrags.

 

 Plan der Bahntrasse vom April 1841 auf Malschenberger und Rauenberger Gemarkung mit Kreuzung der Straße nach Rot und Querung des Kehrgrabens (Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 421 K 1 Nr. 27)

Die neue Eisenbahntrasse erreichte im Jahr 1843 die Gemarkungen der Gemeinden Rauenberg und Malschenberg. Am 12. September 1843 wurde der Streckenabschnitt von Heidelberg nach Wiesloch feierlich eröffnet. Die Trasse verlief dabei (wie oben erwähnt) westlich von Rauenberg (Entfernung etwa 3,5 km) und Malschenberg (Entfernung etwa 2 km). Zwar erhielten weder Rauenberg noch Malschenberg einen eigenen Bahnhof, doch der nahegelegene Bahnhof Wiesloch eröffnete neue Möglichkeiten für Handel, Verkehr und Mobilität.

 

Quellen:  Generallandesarchiv, Findbuch 229 Nr. 84438

                  Wikipedia: Badische Hauptbahn und Großherzogliche Badische Staatseisenbahnen

 

Fu0noten:

1) Regierung des Unterrheinkreises: Nach heutiger Behördengliederung das Regierungspräsidium

28) Eine Kuppeljagd, die aus dem Ruder lief

 

Die nachfolgende Geschichte spielt in den Bruch-Wäldern der Gemeinden Rauenberg, Rot und Sankt Leon, und zwar in einer Zeit, als die genannten Gemeinden zum Herrschaftsbereich des Fürstbischofs von Speyer bzw. seiner Verwaltung, dem Hochstift Speyer, zählten. Zuständiges fürstbischöfliches Amt für die Gemeinde Rauenberg war seinerzeit das Amt Rotenberg, während die Gemeinden Rot und Sankt Leon zum Verwaltungsbereich des fürstbischöflichen Oberamts Kislau (bei Mingolsheim) gehörten. Diese Geschichte bekommt ihre besondere Brisanz, weil westlich vom Ort Sankt Leon und damit östlich der damaligen Gemeinde Lussheim (heute die Gemeinden Altlußheim und Neulußheim) die Grenze zwischen dem Hochstift Speyer und der so genannten „Kurpfalz“ verlief. Die Kurpfalz war das Territorium der Pfalzgrafschaft bei Rhein, die in der hier in Rede stehenden Zeit vom Kurfürsten Karl Theodor regiert wurde.

Das Territorium des Hochstifts Speyer im 18. Jahrhundert

(rote Umrandung) (Repro: Wikipedia)

Mit einem Schreiben vom 26. April 1749 erhoben die Beamten des Hochstifts zu Speyer bei der kurpfälzischen Regierung bittere Klage, dass kurpfälzische Jäger am 10. und 11. April in den Wäldern westlich von Sankt Leon widerrechtlich die Grenze zwischen der Kurpfalz und dem Hochstift Speyer überschritten und also im Territorium des Hochstifts eine „Kuppeljagd“1) ausgeübt hätten. Betroffen seien die Waldgemarkungen von Rauenberg, Rot und Sankt Leon. Der schuldige Jäger wurde dabei auch genannt: „Der Landschreiber Wreden vom Oberamt Heidelberg und sein Jagdsekretär Kermann nebst Diener und zum Treiben rund 300 aufgebotene Unterthanen haben die Jagd exercieret 2), haben dazu Hetzgarn und Lappen verwendet und haben im Übrigen große Jagdanmaßung an den Tag gelegt. Auf den Feldfluren wurden Hasen ohne Rücksicht auf die gerade bestehende Hege- und Setzzeit geschossen. Auch die Orte selbst blieben nicht verschont. Im Ort Roth wurde, wohl aus purem Übermut, auf den Kirchturm, auf die Kirchentür, auf Dächer und Schornsteine geschossen. Manche Dächer sind so verlöchert,

dass das Wasser eindringen kann und das Gebälk verfaulen wird. Einem Bauern wurden einige Hühner totgeschossen. All diese Vorgänge sind solcherart beschaffen, dass wir diese unmöglich stillschweigend und mit gleichgültigem Auge hinnehmen können. Wir sehen die kurpfälzische Regierung nach alledem in der Pflicht, entsprechende Satisfactionsleistungen 3) zu erbringen.

Soweit das Schreiben des Hochstifts Speyer an die kurpfälzische Verwaltung zu Mannheim. Diese hüllte sich allerdings zunächst in Schweigen, so dass das Hochstift mit einem Schreiben vom 23. August 1749 an die Erledigung erinnerte und dazu schrieb: „Hochwohlgeborene Herren! Wegen der von Kurpfälzischen Jägern am 10. und 11. April widerrechtlich ausgeübten Jagd in den Wäldern von Rauenberg, Rot und Sankt Leon und der dabei verübten Auswüchse warten wir immer noch auf eine erklärende Antwort und auf die nötigen Satisfactionsleistungen. Die Sache darf nicht in Vergessenheit geraten. Im Sinne einer gutnachbarlichen Beziehung zwischen dem Hochstift Speyer und der Kurpfalz sind wir voller Zuversicht, dass nun die kurpfälzische Regierung tätig wird.“  

Nun endlich antwortete die kurpfälzische Verwaltung zu Mannheim mit Schreiben vom 16. September 1749. Zuvorderst wurden die kurpfälzischen Jäger in Schutz genommen, obwohl bei besagter Jagd die Grenze zum Hochstift Speyer zweifellos überschritten wurde. Diese Überschreitung, so die Mannheimer Verwaltung, sei seit Jahren guter Brauch und sei auch mit dem Bistum Speyer in einem Vergleich aus dem Jahr 1709 so vereinbart. Es sei sogar dazu ein entsprechendes Protokoll angefertigt worden. Auch hätten die beamteten Jäger des Hochstifts Speyer von diesen Überschreitungen Kenntnis und hätten dazu nie ein Widerwort gegeben. „Also können wir nicht beipflichten, wenn die Herren des Hochstifts die Überschreitung der Grenze als widerrechtlich ansehen. Was die angeblichen Exzesse bei Ausübung der hier in Rede stehenden Jagd betrifft, haben wir den verantwortlichen Jäger, Landschreiber Wreden vom Oberamt Heidelberg, inzwischen vernommen. Nach Auswertung seiner Aussagen sind wir der Meinung, dass das Schießen im Ort Rot keinen Exzess darstellt, da unsere Jäger auch in den Ortschaften die Jagd ausüben dürfen. Beim Schießen auf die Kirchentür, auf den Kirchturm, auf Dächer und Schornsteine wurden von den Jägern nur die Flinten auf ihre Genauigkeit ausprobiert. Für die totgeschossenen Hühner wurde der Bauer mit 20 Kreuzer entschädigt. Nach alledem bitten wir die Herren des Hochstifts Speyer, von einer Aufrechterhaltung der Beschwerde abzusehen.“

Denkmal für den "Jäger aus der Kurpfalz" im Soonwald/Hunsrück

Die Oberämter der Kurpfalz im 18. Jahrhundert;

Nr. 17 (blau) der Amtsbezirk des Oberamtes Heidelberg (Repro: Wikipedia)

Die Argumente der Kurpfälzischen Verwaltung wurden vom Hochstift Speyer in Bausch und Bogen zurückgewiesen. Sie würden auf „lauter unbegründetem Fundament“ beruhen. Das besagte Protokoll, das den kurpfälzischen Jägern das Jagen in den Wäldern des Hochstifts Speyer angeblich erlaube, sei weder der Amtskellerei Rotenberg noch der Amtskellerei Kislau bekannt. Auch hätten die hiesigen Jäger die Grenzüberschreitung durch die kurpfälzischen Jäger niemals gutgeheißen. Und weiter:  „So können wir nicht verbergen, dass es uns sehr befremdet und bekümmert, wenn die kurpfälzische Verwaltung durch Vorspiegelung falscher Angaben versucht, die Vorkommnisse bei der Jagd am 10. und 11. April ins Gegenteil zu verkehren. Vor allem sollten die Angaben des Landschreibers Wreden auf ihre Richtigkeit nochmals untersucht werden. So sind die totgeschossenen Hühner bis heute nicht bezahlt, der durch Gewehrkugeln

verursachte Schaden an der Kirchentür und am Kirchturm ebenfalls noch nicht ersetzt. Bei dieser Sachlage müssen wir unseren schon mehrmals verlautbarten Protest wiederholen. Im Übrigen sollte der Landschreiber Wreden für die Zukunft angehalten werden, sich gegenüber dem Hochstift Speyer einer geziemenden und höflichen Schreibweise zu befleißigen.“

 

Die Streitigkeit zwischen dem Hochstift Speyer und der Kurpfalz zog sich bis in das Jahr 1751. Dann allerdings, so geht es aus den Unterlagen des Generallandesarchivs Karlsruhe hervor, einigte man sich „zur Aufrechterhaltung der bisherigen freund-nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Herrschaftsbereichen in einer gütlichen Conferenz“ - und das Hochstift Speyer nahm seine Beschwerde schließlich zurück.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 84449

 

Fußnoten:

1) Kuppeljagd = mehrere Personen haben das Recht, gemeinsam auf der gleichen Fläche zu jagen

2) Exercieret = ausgeübt

3) Satisfactionsleistungen = Schadensersatz

29) Ein Kaplan für Malschenberg und Rettigheim

 

 In jener Zeit, von der hier berichtet wird, bildeten die katholischen Kirchengemeinden von Malsch, Malschenberg und Rettigheim eine Seelsorgeeinheit. Der Pfarrer von Malsch hatte damals rund 2.500 Seelen zu betreuen. Er war auf sich allein gestellt, was natürlich über das Jahr hinweg mit den zahlreichen kirchlichen Festen wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Fronleichnam, aber auch mit diversen Veranstaltungen wie Hochzeiten, Taufen, Krankenbesuchen, Beerdigungen, Beichten, Flurprozessionen, Kräuterweihe und Wallfahrten auf den Letzenberg und vieles mehr für ihn mit großen Belastungen verbunden war. 

Wie die Malscher Pfarrer schon Jahrzehnte zuvor mit Arbeit überhäuft waren, geht aus einem Antrag des Ortsgeistlichen Balthasar Hartmann aus dem Jahr 1806 hervor. Er forderte damals von den vorgesetzten Behörden zu seiner Entlastung einen Kaplan, der aus dem Stiftungs-Fonds der Sankt Wendelin-Kapelle finanziert werden könne. Anfangs sträubte sich das damals zuständige Großherzogliche Bezirksamt Kislau dagegen. Aber auf Intervention der Kurfürstlichen Badischen Katholischen Kirchenkommission änderte das Bezirksamt seine Meinung und es wurde dem Ortspfarrer letztlich doch ein Kaplan zur Seite gestellt. Pfarrer Hartmann verstarb am 27. Mai 1811 und bis zu seinem Ableben war ihm ein Kaplan namens Höpfner zugeteilt.

Aber nicht nur die persönliche Belastung des Pfarrers war ein Problem. Zunehmend stellte sich heraus, dass die Kirche von Malsch die Gläubigen aus Malsch, Malschenberg und Rettigheim namentlich bei den hohen Feiertagen nicht mehr fassen konnte. Der Platz in der Kirche reichte einfach nicht mehr aus. Zwar verfügten die Gemeinden Malschenberg und Rettigheim jeweils über eine Kapelle. Dem Malscher Pfarrer war es aber bei der Fülle seiner vielen Aufgaben nicht möglich, auch noch dort an den Sonn- und Feiertagen einen Gottesdienst abzuhalten. 

Alte Malscher Kirche

(Quelle: Digitale Universitätsbibliothek Heidelberg)

All dieses führte bei den Kirchenvorständen von Malsch, Malschenberg und Rettigheim zu der Einsicht, dass dem Malscher Pfarrer dringend eine Hilfe in Gestalt eines Kaplans (Vikars) zur Seite gestellt werden musste. Zur Realisierung des Plans mussten allerdings mehrere Behörden ihr Einverständnis geben, verbunden mit deren jeweiligen Ratschlägen und Auflagen.

So wurde ein entsprechender Antrag im Frühjahr 1861 an das Großherzogliche Badische Bezirksamt Wiesloch eingereicht. Dieses wollte ohne die vorgesetzte Behörde nicht entscheiden und leitete ihn mit Schreiben vom 21. April 1861 an die Großherzogliche Badische Regierung des Unterrheinkreises in Mannheim weiter. Diese wiederum sah die Notwendigkeit, den Großherzoglichen Katholischen Oberkirchenrat zu Karlsruhe einzuschalten. In einem Schreiben vom 3. Mai 1861 hieß es darin sinngemäß: „Grundsätzlich ist eine Vergrößerung der Malscher Pfarrkirche notwendig, da die Zahl der Gläubigen im Kirchspiel Malsch/Malschenberg/Rettigheim ständig zunimmt. Eine solche Erweiterung könnte man aber vermeiden, wenn in den Kapellen von Malschenberg und Rettigheim an den Sonn- und Feiertagen ein Gottesdienst abgehalten würde. Die Gläubigen beider Gemeinden würden dann die Malscher Kirche nicht mehr frequentieren. Dazu aber wäre die Anstellung eines Hilfspfarrers (Vikars) notwendig, der die Gottesdienste in den Kapellen von Malschenberg und Rettigheim wechselweise abhalten könnte. Die Kirchenvorstände von Malschenberg und Rettigheim sind mit der Anstellung eines solchen Vikars einverstanden und würden auch dessen Sustentation1) übernehmen.“ 

Nun wollte der Oberkirchenrat von der Unterkreisregierung wissen, ob die Kapellen in Malschenberg und Rettigheim geräumig genug seien, um an den Sonn – und Feiertagen dort Gottesdienste abzuhalten, und ob die Fonds beider Kapellen die Mittel haben, um für solche Gottesdienste die erforderlichen priesterlichen Utensilien wie Monstranz, Kelch, Gewänder (Paramente), Kerzen etc. zu finanzieren. Die Beantwortung dieser Fragen sollte direkt an das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg gerichtet werden. Die Fragen des Oberkirchenrats wurden positiv beantwortet, und in diesem Sinne wurde dem Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg berichtet.

Das grundsätzliche Einverständnis des Erzbischöflichen Ordinariats in Freiburg für eine Vikarstelle in Malsch

(Repro: Generallandesarchiv KA, Findbuch 229 Nr. 63953 Bild 9)

Das Ordinariat führte mit einem Schreiben vom 22. August 1861, gerichtet an die Unterkreisregierung in Mannheim, dazu aus:

„Eine Vikarstelle soll nach den kirchlichen Vorschriften in einer Pfarrgemeinde nur errichtet werden, wenn einerseits ein dringendes Bedürfnis dazu besteht, und andererseits die Mittel für den Unterhalt des Hilfspfarrers gesichert sind. Dass ein dringendes Bedürfnis zur Anstellung eines Hilfspfarrers besteht, darüber haben wir unsererseits keine Zweifel, da die Seelsorgeeinheit der drei Gemeinden inzwischen über 2.500 Seelen umfasst und künftig an den Sonn- und Feiertagen an drei Orten zugleich ein Gottesdienst abzuhalten wäre. Ein Pfarrer allein wäre damit überfordert.

Allerdings ist auch eine Wohnung für den neuen Pfarrer notwendig, bestehend aus mindestens einem möblierten Zimmer, und zwar im Pfarrhaus von Malsch. Eine Unterbringung außerhalb des Pfarrhauses dulden wir nicht. Zudem sind für Kost und Logis des neuen Pfarrers jährlich 250 Gulden bereitzustellen, zu zahlen an den Ortspfarrer von Malsch. Weitere 100 Gulden jährlich gehen direkt an den Vikar als sein eigenes Salär.2) Somit muss sichergestellt sein, dass die Kirchenvorstände von Malschenberg und Rettigheim in der Lage sind, jährlich 350 Gulden aufzubringen. Wenn dies nachweislich der Fall ist, und auch die kirchlichen Utensilien zur Abhaltung von Gottesdiensten in den Kapellen von Malschenberg und Rettigheim beschafft und finanziert werden können, werden wir unsere Genehmigung zur Anstellung eines Hilfspfarrers erteilen.“  

 

 

Die Kirchenvorstände von Malschenberg und Rettigheim hatten offenbar keine Schwierigkeiten den Nachweis zu führen, dass die Dotation3) für den neuen Pfarrer von jährlich 350 Gulden aufzubringen war. Insbesondere fasste man zur Finanzierung der neuen Pfarrstelle den Wendelinus-Fonds ins Auge, der mit einem Vermögen von 6.000 Gulden zu Buche stand. Bei dem Fond handelt es sich um den Nachlass der ehemaligen Wallfahrtskapelle Sankt Wendelin in den Malscher Bruchwiesen, die im Juli 1809 auf Betreiben der Gemeinde Malsch versteigert und abgebrochen wurde. Das Erzbischöfliche Ordinariat war mit der Inanspruchnahme dieses Fonds einverstanden, allerdings mit der Auflage, dass der Fond durch freiwillige Spenden der drei Kirchengemeinden auf 7.000 Gulden aufgestockt werde. Die drei Kirchenvorstände waren damit einverstanden. 

Die Bereitstellung einer geeigneten Wohnung für den neuen Pfarrer erwies sich allerdings als die größere Schwierigkeit. Das Pfarrhaus in Malsch hatte dafür nicht den nötigen Platz. Zuerst dachte man an den Ausbau des oberen Stocks des alten Schulhauses. Aber diese Überlegung scheiterte am Veto des Erzbischöflichen Ordinariats, das eine Wohnung des Vikars außerhalb des Pfarrhauses kategorisch ausschloss. Daher erboten sich die drei Gemeinden, auf ihre Kosten den oberen Stock im Pfarrhaus als Wohnung für den Vikar auszubauen. 

Es ist davon auszugehen, dass dies alsbald geschah. Zu welchem Zeitpunkt der neue Kaplan seinen Dienst in der Pfarrei Malsch antrat und wie der Geistliche hieß, geht aus den Unterlagen des Generallandesarchivs Karlsruhe allerdings nicht hervor.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63953

 

 Fußnoten:

1) Sustentaion = Unterhaltszahlungen

2)  Salär = Einkommen, Besoldung

3) Dotation = Vergütung

 

                                                           30) Der verwilderte Landgraben

 

Im Juli 1757 beklagte sich die „unirte Gemeind Malsch und Malschenberg“ 1) beim „Hochwürdigsten Fürstbischof und Reichsfürst zu Speyer“, dass die Nachbargemeinde Mingolsheim ihrer Verpflichtung nicht nachkäme, den auf ihrer Gemarkung verlaufenden so genannten Landgraben von allem Gestrüpp zu säubern und zudem diesen in der nötigen Tiefe und Breite auszuheben. Infolge dieser Nachlässigkeit sei der Landgraben dermaßen verwildert, dass er insbesondere in den Frühjahrsmonaten nicht mehr in der Lage sei, das Regenwasser und das Wasser der Schneeschmelze aufzunehmen und ordnungsgemäß abzuleiten. Verschärft werde die Situation noch dadurch, dass der Kahlbach, von „churpfälzischen Gemeinden kommend“, in den Landgraben münde und dessen Überlastung dadurch noch vergrößert werde. All dies, so die Malscher Klage, führe dazu, dass das Malscher und Malschenberger Bruch alljährlich überschwemmt werde. Das Gras, Heu und die gesamte Viehweide werde verdorben mit der Folge, dass das Hornvieh nur noch verschlammtes Gras und Heu zu fressen bekäme und daran erkranke. Die fürstbischöflichen Ämter Kislau und Rauenberg seien von dem unhaltbaren Zustand unterrichtet worden; diese hätten dazu geraten, dass man sich an die Verwaltung des Fürstbischofs in Bruchsal wenden solle mit der Bitte, eine Commission zur Begutachtung der beschriebenen Schäden in den Bruchwiesen zu bilden.

Der Landgraben heute auf Gemarkung Mingolsheim  –

ab der Gemarkungsgrenze Rot nennt er sich Kehrgraben

Foto: Albin Herrmann

In diesem Sinne schrieb die Gemeinde Malsch unterm Datum vom 8. Juli 1757 an die fürstbischöfliche Verwaltung: „Also gelanget an Euer Hochfürstlichen Gnaden die unterthänigste und gehorsamste Bitte, dass eine hochlöbliche, hochverständige Commission diesen so großen Wasserschaden in Augenschein nehme, den die Gemeinde Mingolsheim durch ihre Untätigkeit uns zugefügt hat. Zugleich solle die Commission uns schleunigst Recht und Gerechtigkeit zu Teil werden lassen und dafür sorgen, dass solches in Zukunft nicht mehr vorkommen werde.“ Unterzeichnet war das Bittschreiben von den Malscher Bürgern Adam Heinzmann und Nikolaus Metzger.

Die Malscher Bitte fand Gehör. Es wurde durch die fürstbischöfliche Verwaltung in Bruchsal eine Commission gebildet, bestehend aus dem Hofrat Loskand, dem Ingenieur Troestler, dem Amtskeller Böck von der Kellerei Kislau, dem Amtskeller Sonntag von der Kellerei Rauenberg, dem Mingolsheimer Schultheiß und mehreren „Gerichtsleuthen“ 2) der Gemeinden Mingolsheim und Malsch.

Die Commission begab sich am 26. Juli 1757 an den Verlauf des Landgrabens auf den Gemarkungen Rauenberg, Malsch, Mingolsheim und Rot bis an die Grenze des „churpfälzischen Ortes Reilingen“. Hiernach ergab sich, dass der Landgraben in allen Gemarkungen ein desolates Bild bot.

Insbesondere auf der Gemarkung Rauenberg war der Landgraben dermaßen verfallen und zugewachsen, dass er von den angrenzenden Feldern kaum noch zu unterscheiden war. Aber da es nicht um diesen Teil des Landgrabens ging, hatte sich die Commission insbesondere dem Grabenverlauf auf Mingolsheimer Gemarkung zugewendet. Hierbei wurde festgestellt, dass Reinigungs-und Instandsetzungsarbeiten an dem Graben offenbar seit Jahren nicht mehr erfolgt seien. So habe sich der Graben „…nicht in seiner gehörigen Tiefe und Breite befunden; zudem sei er ganz mit Gestrüpp und Schilf verwachsen und daher zur regelrechten Abführung der insbesondere im Frühjahr anfallenden Wassermengen nicht in der Lage. Somit sei das Wasser notwendigerweise gezwungen, auf die angrenzenden Felder und Wiesen auszuweichen und diese zu überschwemmen.“ Die Klage der Gemeinde Malsch – so die Commission – sei durchaus nachvollziehbar, wenn darin behauptet wird, dass das Gras und das Heu durch den austretenden Schlamm verdorben werde und das Hornvieh daran erkranke.

Dem Schultheiß und den anwesenden Deputierten der Gemeinde Mingolsheim wurden ihre jahrelange Nachlässigkeit in der Unterhaltung des Landgrabens und des dadurch der Gemeinde Malsch entstandenen Schadens eindringlich vor Augen geführt. Diese sahen die „unumgängliche und unverzügliche Notwendigkeit der Graben-Reparation“ ein und versprachen, ohne weitere Verzögerung ans Werk zu gehen, also den Landgraben einschließlich seiner ebenfalls verwilderten Nebengräben auszuputzen und die notwendige Breite und Tiefe herzustellen. Dem anwesenden Ingenieur Troestler wurde die Aufsicht über die erforderlichen Instandsetzungsarbeiten übertragen und zugleich wurde ihm aufgetragen, den Vollzug der durchgeführten Arbeiten der Commission zu gegebener Zeit anzuzeigen.

Die Arbeiten wurden umgehend in Angriff genommen und Ende August 1757 teilte der Ingenieur Troestler der Commission mit, dass „…der Landgraben auf den Gemarkungen Rauenberg, Malsch, Mingolsheim und Roth nun gänzlich gereinigt, ausgeputzet und hergestellet“ sei. Die Commission könne sich davon gerne an Ort und Stelle überzeugen. Dieser Augenschein geschah am 4. September 1757. Die Commission, bestehend aus dem Bruchsaler Hofrat Loskand, Amtskeller Böck von der Kellerei Kislau, Amtskeller Sonntag von der Kellerei Rauenberg und weiteren Gemeinde-Deputierten besichtigte – übrigens hoch zu Pferd - den gesamten Verlauf des Landgrabens auf den Gemarkungen Rauenberg, Malsch, Mingolsheim und Rot bis an die Grenze der „churpfälzischen Gemarkung Reilingen“ und konnte sich dabei überzeugen, dass die Herstellungsarbeiten „wohl verfertigt und ausgeführt seien, so dass die künftigen wilden Gewässer einen ungehinderten Abfluß haben werden.“

Den anwesenden Vertretern der Gemeinde Mingolsheim wurde eingeschärft, nicht nachzulassen in der Unterhaltung des Landgrabens und die dafür auf ihrer Gemarkung notwendige Säuberung jedes Jahr auszuführen. Nur auf diese Weise könne der Graben die anfallenden Gewässer zügig ableiten und könne zugleich vermieden werden, dass die bisherigen Überschwemmungen der Bruchwiesen verhindert werde. Das Amt Kislau wurde angewiesen, die Unterhaltungsarbeiten zu beaufsichtigen und bei Nichtbefolgung gegen die Gemeinde Mingolsheim eine Strafe von 20 Reichstalern anzudrohen. Zudem werde im Falle der Untätigkeit ohne weitere Umschweife eine Commission zur Besichtigung der etwaigen Schäden gebildet und nach Befund einer tatsächlichen Nachlässigkeit der Gemeinde Mingolsheim die Strafe von 20 Reichstalern „exekutiert“ 3) und zusätzlich die an den Bruchwiesen entstandenen Schäden festgestellt und der Gemeinde Mingolsheim angelastet.

 

Fundstelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63975

 

Fußnoten:

1) unirt = vereinigt

2) Gerichtsleuthe – vergleichbar heute mit Gemeinderäten

3) exekutiert = verhängt

31) Vom „Kallenbächel“ und Kehrgraben

Die Landesregierung des fürstbischöflichen Hochstifts Speyer, vertreten durch die Hofkammer zu Bruchsal, beauftragte im Frühjahr 1802 den „Obristenleutnant“ und Baudirektor Schwarz einen Plan aufzubereiten, wie die ständig von Überschwemmungen heimgesuchten Malscher, Malschenberger und Rauenberger Bruchwiesen verbessert bzw. entwässert werden könnten.

Der Baudirektor kam diesem Auftrag der „Hochfürstlichen Hohen Landesregierung“ nach und berichtete mit einem Schreiben vom 24. Mai 1802 Folgendes: „Nach erhaltenem hohen Auftrag habe ich mit den Beamten der Ämter Kislau, Rothenberg und Philippsburg, sowie mit den Stabhaltern 1) und Deputierten 2) der betreffenden Ortschaften die Örtlichkeit besichtigt und anschließend den meinem Schreiben angeschlossenen Situationsplan entworfen. Hiernach schlägt die Gemeinde Rauenberg im Einverständnis mit Malsch und Malschenberg vor, einen neuen Entlastungsgraben vom Kallenbächel in Ost-West-Richtung hin zum Kehrgraben zu bauen. Mit diesem neuen Graben könnte das vom Gebirg 3) kommende Wasser des Kallenbächels 4) kürzer und bequemer in den Kehrgraben abgeführt werden, so dass die Gefahr einer Überschwemmung der Wiesen künftig weitgehend gebannt wäre.“

Situationsplan des fürstbischöflichen Baudirektors Schwarz über die Bruchwiesen von Malsch und Rauenberg aus dem Jahr 1802 und dem geplanten Entlastungsgraben

Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63977 Bild 5

 

Das Vorhaben der Gemeinde Rauenberg begegnete allerdings Bedenken in Mingolsheim. Die Gemeinde befürchtete, dass durch den neuen Abzugsgraben vom Kallenbächel in den Kehrgraben der letztere bei Starkregen überlastet werde, das Wasser daher nicht mehr ausreichend abführen könne  und sich somit über die Mingolsheimer Bruchwiesen ergießen würde. Dazu erläuterte Baudirektor Schwarz: „Ich habe den Vertretern der Gemeinde Mingolsheim begreiflich gemacht, dass die Menge des Wassers immer die gleiche ist, ob es nun über den seitherigen längeren Lauf des Kallenbächels in den Kehrgraben geleitet wird oder aber das Wasser einen verkürzten Weg durch den neuen Abzugsgraben in den Kehrgraben nimmt. Letztlich haben Stabhalter und Deputierte der Gemeinde Mingolsheim meine Erklärung akzeptiert und eingesehen, dass ihrer Gemeinde kein Schaden durch den neuen Abzugsgraben zuwächst und man daher das Bauvorhaben der Gemeinde Rauenberg nicht verwehren kann.“

Allerdings, so der Baudirektor Schwarz, bestand weiterhin das grundsätzliche Problem, dass der Kehrgraben fast kein Gefälle hatte und sein Wasser nur ganz träge dahinfloss. Damit bestand die ständige Gefahr, dass trotz des geplanten Entlastungsgrabens bei Starkregen der Kehrgraben über die Ufer trat und die anliegenden Wiesen überschwemmte. Eine Verbreiterung und Vertiefung des Kehrgrabens auf den Gemarkungen der angrenzenden Gemeinden Rot, Sankt Leon, Mingolsheim, Malsch, Malschenberg und Rauenberg würde das Problem nicht beheben, weil durch solche Maßnahmen ein notwendiges Gefälle nicht hergestellt würde. Helfen würde nach Ansicht des Baudirektors einzig die Maßnahme, den Kraichbach selbst in Höhe der Mündung des Kehrgrabens zu verbreitern und zu vertiefen.

Nun war es so, dass Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen den Gemeinden Sankt Leon und Reiligen die Grenze zwischen dem Hochstift Speyer und der Pfalzgrafschaft bei Rhein, genannt Kurpfalz, verlief. Der Kehrgraben mündet wenige hundert Meter südlich des Wersauer Hofs in den Kraichbach. Der Wersauer Hof gehörte damals wie heute zur Gemeinde Reilingen und diese lag in jener Zeit im Hoheitsgebiet der Kurpfalz. Damit kam eine Verbreiterung und Vertiefung des Kraichbachs nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde der Kurpfalz in Betracht. Es war dies das kurpfälzische Oberamt Heidelberg und folgerichtig ging der Vorschlag des Baudirektors Schwarz dahin, dass man mit diesem Amt in entsprechende Verhandlungen treten sollte.

Die fürstbischöfliche Regierung zu Bruchsal beauftragte damit das Amt Philippsburg. Dieses konnte mit einem „an die Hochfürstliche Hohe Landesregierung“ gerichteten Schreiben vom 12. Juli 1802 vermelden, dass sich das Oberamt Heidelberg bzw. das von dort beauftragte Zentgrafenamt Leimen bereit erklärte, die notwendigen Verbreiterungs-und Vertiefungsarbeiten am Zusammenfluss von Kehrgraben und Kraichbach vorzunehmen. Dazu schrieb der Zentgraf Pfister vom Zentgrafenamt Leimen an das Amt Philippsburg: „Sogleich bei Empfang des geehrten Erlasses haben wir den Schultheiß Claus von Reilingen die geschärfte Weisung erteilt, dass nach der Heuernte und spätestens bis zum Monatsende Juli die notwendigen Arbeiten am Zusammenfluß von Kehrgraben und Kraichbach durchgeführt werden. Man hofft zwar, dass diese Weisung ohne Vorkehrung strenger Maßnahmen ausgeführt werde, doch ersucht man das hochlöbliche Amt Philippsburg, im Falle eines Abmangels hierher zu berichten.“

Mündung des Kehrgrabens (links oben) in den Kraichbach

südlich der Gemeinde Reilingen (Foto: A. Herrmann)

Eine Nachschau durch das Amt Philippsburg ergab indessen keine Beanstandung. Die Arbeiten wurden sachgerecht ausgeführt.

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 63977

 

Fußnoten:

1) Stabhalter ist andere Bezeichnung für den Schultheiß (Bürgermeister)

2) Deputierte entspricht Gemeinderäte

3) Gebirg – gemeint ist das Hügelland westlich von Rauenberg und Malschenberg

4) Kallenbächel - heute bekannt als "Kahlbachgraben"

    32) Der unfähige Schulmeister

Im April 1805 beklagte sich der Malscher Pfarrer Balthasar Hartmann bitter bei der Kurfürstlichen Katholischen Kirchenkommission in Bruchsal über die nicht mehr hinnehmbaren Zustände an der örtlichen Schule. Schuld daran sei allein der hiesige Schulmeister Guhmann, dem es nicht nur an Fleiß, Tatkraft und Geschick mangele, sondern auch an intellektuellen Fähigkeiten und wissenschaftlichen Kenntnissen. Daher sei die Qualität des Unterrichts weit von dem entfernt, was man eigentlich erwarten müsste. Die Situation sei nun noch dadurch verschärft worden, dass der Präzeptor1) Wolz, der erst seit einigen Monaten an der Malscher Schule tätig war, von Guhmann ohne Wissen des Pfarrers und ohne Zustimmung der Schulkommission wieder entlassen worden sei.

Historisches Klassenzimmer

(Repro: Generallandesarchiv Karlsruhe, 69 Baden, Sammlung 1995, F I Nr. 81

Dazu schrieb der Pfarrer Hartmann: „An diesem eigenmächtigen Verhalten erkennt man am besten die rohe Unwissenheit des Guhmann, da er glaubt, den angestellten Präzeptor ohne Erlaubnis der Schulkommission wieder entlassen zu können.“ Dabei, so der Pfarrer weiter, habe sich Wolz in erfreulicher Weise in sein Amt eingearbeitet. Er habe einen großen Fleiß und vortreffliche Schulkenntnisse an den Tag gelegt, so dass nicht nur er, sondern die ganze Gemeinde sehr angetan von ihm war. Weiter schrieb der Pfarrer: „So wäre es mein großer Wunsch, den genannten Unterlehrer Wolz zum Besten der Malscher Jugend, deren  Achtung und Liebe er bereits gewonnen hat, hier wieder anzustellen – auch gegen den Willen des Schulmeisters Guhmann."

Die Kommission forderte den Schullehrer Guhmann auf, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dieser kam dieser Forderung nach, in dem er mit einem Schreiben vom 6. Mai 1805 die Gründe für die Entlassung seines Hilfslehrers erläuterte. Hiernach habe er den aus dem Nachbarort Zeutern stammenden jungen Mann allein „aus freien Stücken und aus reiner Freundschaft und gutem Willen“ für die Abhaltung der Winterschule angestellt. Nun aber würde der Sommer vor der Tür stehen, und in den Sommermonaten sei bekanntlich die Belastung aus dem Schulgeschäft weitaus geringer als im Winter. Denn viele Eltern würden ihre Kinder im Sommer zur Arbeit in den Feldern oder zum Viehhüten einsetzen und damit vom Unterricht abhalten. Im Übrigen sei die Schulkommission bei der Anstellung des Präzeptors nicht beteiligt gewesen, so dass er das Recht habe, den Hilfslehrer auch ohne die Kommission wieder zu entlassen. Überdies habe er nicht die Mittel, dem jungen Mann weiterhin Kost und Logis zu bieten. Denn er müsse bereits dem Schullehrer zu Malschenberg von seinem Sold jährlich 110 Euro abtreten. Und weiter schreibt er: „Nach alledem bitte ich die Kurfürstliche Kommission unterthänigst, den Hilfslehrer Wolz entsprechend zu verbescheiden und mich selbst von der Haltung eines Präzeptors zu befreien.“

Dem Malscher Pfarrer Hartmann war die Angelegenheit so wichtig, dass er sich Anfang Mai 1805 mit einem Schreiben an den „Hochwürdigsten Herrn Schulvisitator“2) wandte. Erneut trug er vor, dass der Schullehrer Guhmann nicht das Recht gehabt habe, den Unterlehrer Wolz eigenmächtig zu entlassen. Dazu hätte es nach seiner Meinung der Zustimmung der Schulkommission bedurft. Er habe nochmals mit Guhmann gesprochen und ihn auf die schlimmen Folgen seiner Handlung hingewiesen. „All dieses war aber in den Wind gesprochen. Guhmann behauptete im Gespräch, er brauche keinen Präszeptor, er könne die Schule allein leiten. Die aktuelle Situation ist nun so, dass an der Malscher Schule ein Hilfslehrer fehlt. Guhmann hält nun den Unterricht für alle Schüler selbst. Und was lernen die? Nichts lernen sie.“

Im Augst 1805 erteilte die Kurfürstliche Katholische Kirchenkommission dem Schulvisitator, Schulrat Brunner von Odenheim, den Auftrag, die Zustände an der Malscher Schule, insbesondere die Klage des Pfarrers zu Malsch über den Schulmeister, zu untersuchen und darüber anschließend zu berichten.

Der Schulrat Brunner „visitierte“ daraufhin auftragsgemäß die Malscher Schule und berichtete anschließend wie folgt an die Kommission: „Ich habe die Malscher Schule von morgens 8.00 Uhr bis mittags 12.00 Uhr im Beisein des Pfarrers und des Kaplans von Malsch und im Beisein des zufällig anwesenden Pfarrers des Nachbarortes Langenbrücken visitiert und habe die Schule in einem noch schlechteren Zustand angetroffen, als dies in den beiden Schreiben des Herrn Pfarrers Hartmann schon beschrieben wurde. Der Schulmeister führte nicht einmal eine ordentliche Schulliste, so dass er nicht in der Lage war, mir die genaue Zahl der Schüler anzugeben. Es stellte sich heraus, dass mehrere Kinder in den Sommermonaten überhaupt nicht in die Schule kommen, weil sie von ihren Eltern zum Viehhüten gebraucht werden. Ich gab dem anwesenden Ortsvorsteher, welcher ein ganz ordentlicher Mann zu sein scheint, die Anweisung, künftig streng auf den Schulbesuch zu achten, und die saumseligen Schüler und Eltern anzuzeigen, damit sie nach dem Schuledikt bestraft werden können.

Die gesamte Schuljugend ist in drei Klassen eingeteilt, aber nicht altersgemäß und auch nicht im gehörigen Verhältnis zwischen Buben und Mädchen. Die gesamte Schülerschaft kann in allen Unterrichtsgegenständen nicht zufrieden stellen. Nur der geringste Teil kann einigermaßen lesen, alle übrigen Schüler können nicht einmal in einer schlechten Art lesen. Das Buchstabieren geht nicht besser, obwohl die Schüler seit mehreren Jahren die Schule besuchen. Die Kinder sind daran nicht schuld. Sie alle sind sehr scheu und schüchtern und lassen die Köpfe über ihre Unwissenheit tief hängen.“

Soweit der Visitations-Bericht des Schulrats Brunner. Angesichts dieser desolaten Bewertung der Schule erklärte sich der Schulmeister Guhmann nun doch bereit, einen Präzeptor an seiner Seite zu dulden - allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ihm für Kost und Logis des Hilfslehrers eine Zulage gewährt werde. Der Malscher Ortsvorstand indessen weigerte sich, eine solche Zulage zu bewilligen, da der schlechte Unterrichtsstand der Schuljugend allein die Schuld des Schulmeisters sei. Ihm eine Zulage zu gewähren, hieße doch, seine Faulheit und Unfähigkeit noch zu belohnen. Im Übrigen sei die Situation der Malscher Gemeindekasse derart angespannt, dass die Unterhaltung eines Hilfslehrers nicht zu bezahlen sei.

Das in der Sache inzwischen eingeschaltete fürstbischöfliche Amt Kislau relativierte die Ansicht des Malscher Ortsvorstandes, wonach allein der Schulmeister für die unbefriedigende Situation der Schule verantwortlich sei. Es schrieb dazu am 13. August 1805: „Dem Amt ist bekannt, dass in Malsch eine sehr zahlreiche Schuljugend zu unterrichten ist – mehr, als dies in den Nachbarorten Rettigheim, Malschenberg und Mühlhausen der Fall ist. Somit ist auch von dem geschicktesten und fleißigsten Lehrer ein guter Unterricht ohne die Hilfe eines Präzeptors nicht zu bewältigen. Insofern sehen wir nicht die gesamte Schuld allein bei dem Lehrer Guhmann. Wenn er also mit der Anstellung eines Präzeptors einverstanden ist, sollte man überlegen, wie ein solcher ohne Belastung des Schulmeisters bezahlt werden kann.“

Im Weiteren schlug das Amt vor, den Hilfslehrer aus dem Stiftungsfond der Sankt Wendelinus-Kapelle zu bezahlen. Nach Auffassung des Amtes habe die Kapellenkasse „erkennbar“ keine laufenden Ausgaben, so dass eine erhebliche Rücklage aus Stiftungsgeldern vorhanden sei.

Nach Aktenlage war es wohl so, dass die Bezahlung des Malscher Hilfslehrers aus diesen Mitteln erfolgte.

 

Fundstelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 64010

 

Fußnoten:

1) Präzeptor = Hilfslehrer, Unterlehrer

2) Schulvisitator = vergleichbar mit dem heutigen Schulrat

 

             33) Kurfürstlich-bayrische Truppen in Eichtersheim

 

Wasserschloss Eichtersheim (Repro: Wikipedia)

Es war in den ersten Tagen des Monats Juli 1801, als vom Bataillon Isenburg der Stab und dazu eine ganze Kompanie kurfürstlich-bayrischer Soldaten in Eichtersheim Quartier nahm. Sie waren auf dem Rückmarsch von einem „deutschen Reichskrieg“ 1) und wurden von der zuständigen kurfürstlichen Behörde, dem Oberland-und Marchkommissariat 2), dem Ort Eichtersheim als „erste Austrittsstation“ in der Kurpfalz zugewiesen. Der kommandierende Offizier, Major von Weinbach, forderte von der Gemeinde die Unterbringung und Verpflegung der Soldaten und zur Beförderung der gesamten Bagage3) Wagen und Pferde. Eine Bezahlung dafür war nicht vorgesehen. Die Requisition4) der Quartiere, Wagen und Pferde wurde dem zuständigen Grundherrn der Gemeinde, Freiherr Friedrich von Venningen, vom kurfürstlichen Oberland-und Marchkommissariat mündlich angezeigt.

In jener Zeit war es allerdings so, dass allein die Freiherren von Venningen über alle bedeutsamen Vorgänge in der Gemeinde Eichtersheim nicht nur unterrichtet werden mussten, sondern dazu auch ihr Einverständnis zu geben hatten. Denn das alte Kraichgauer Adelsgeschlecht von Venningen, das seit dem 14. Jahrhundert im Kraichgau fest etabliert war und im 16.Jahrhundert in Eichtersheim ein Wasserschloss errichten ließ, war sowohl Grundherr als auch Hohe Gerichts- und Verwaltungsinstanz für Dorf und Bewohner von Eichtersheim.

Die Adelsfamilien im Kraichgau (z. B. von Gemmingen, von Venningen, von Neipperg, von Helmstatt etc.) waren seit dem Mittelalter im Ritterkanton Kraichgau des Schwäbischen Ritterkreises zusammengeschlossen. Diese Familien hatten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die Lehensherrschaft über zahlreiche Ortschaften und Güter im Kraichgau und angrenzenden Gebieten. Der Verwaltungssitz des Ritterkantons Kraichgau war in Heilbronn. Der Ritterkanton selbst sah sich nicht unter der Hoheit der Kurpfalz, sondern betrachtete sich als eine reichsunmittelbare Institution – nur in Verantwortung gegenüber König und Kaiser.

Über den „ungenehmigten Einfall“ der Soldaten in Eichtersheim, die nach ihren Worten „auf dem Rückmarsch von einem Reichskrieg“ waren, beschwerten sich die Venninger „durch einen reitenden Boten“ beim Ritterkanton Kraichgau in Heilbronn mit dem Hinweis, dass kurpfälzische Soldaten nicht das Recht hätten, in dem reichsritterschaftlichen Ort Eichtersheim kostenlos untergebracht und verpflegt zu werden sowie Wagen und Pferde zu beschlagnahmen, insbesondere auch deshalb, weil das alles ohne ihre Zustimmung geschehen sei. Der gleichen Meinung war der Kanton Kraichgau. Er sandte eilends einen „Deputierten“ 5) nach Eichtersheim, um mit dem kommandierenden Offizier zu verhandeln.

Der Eselswappen des Ritterkantons Kraichgau

(Repro: Wikipedia)

Nach Mitteilung des Deputierten war aber Major von Weinbach nicht umzustimmen. Nach dessen Meinung stehe der Grundherr und der Ort Eichtersheim unter der Herrschaft der Kurpfalz und sei daher ohne Widerspruch und ohne Vergütung zu dem verpflichtet, was Stab und Kompanie benötigten. Der Major ließ sich lediglich dazu erweichen, eine Quittung über das auszustellen, was er von Eichtersheim forderte und auch erhalten hatte, nämlich

für den Stab:                     2 vierspännige und 2 zweispännige Wagen

                                               6 angeschirrte Pferde

                                               3 Reitpferde

für die Kompanie:           5 zweispännige Wagen

                                               3 Reitpferde

                              

Diese Entscheidung gefiel dem Ritterkanton nun gar nicht. In einem Schreiben an den „Durchlauchtigsten Fürsten und gnädigsten Herrn“ vom 12. Juli 1801 verwies er darauf, dass „der Ort Eichtersheim von ältesten Zeiten an in unseren schwäbischen Ritterkanton einverleibt und dieser Umstand schon immer von der kurpfälzischen Landeshoheit und Gerichtsbarkeit unstreitig anerkannt worden sei. Noch nie zuvor sei vom „höchsten Kurhaus Pfalz“ gegenüber einer reichsritterschaftlichen Gemeinde ein Einquartierungsrecht für Soldaten geltend gemacht worden. Wenn nun das kurfürstliche Oberland-March-Kommissariat in Heidelberg die Meinung vertrete, dass der Ort Eichtersheim gleichwohl unter kurfürstlicher Hoheit stehe, könne dies nur ein Irrtum sein oder aber ein böswilliger Verstoß gegen bestehende gesetzliche Regelungen. Wie dem auch sei: Man solle bei dieser Sachlage auf jeden Fall den Freiherrn von Venningen und die Gemeinde Eichtersheim für die entstandenen Unkosten entschädigen.“

Die Kurpfälzer wiederum teilten nicht die Rechtsauffassung des Ritterkantons Kraichgau. Sie ließen ein vielseitiges Rechtsgutachten erstellen, das im Wesentlichen zu folgendem Ergebnis kam:

Wappen der Freiherren von Venningen (Repro: Wikipedia)

„Zwar steht der Ort Eichtersheim vordergründig unter der Grundherrschaft der Freiherren von Venningen. Diese aber haben alle ihre Grund- und Hoheitsrechte über Burg und Dorf Eichtersheim durch ein Reichslehen erhalten, das vor Jahrhunderten von der Pfalzgrafschaft bei Rhein (Kurpfalz) vergeben wurde. Das Lehen beinhalte auch die „Hohe Gerichtsbarkeit“, somit das Recht über Leben und Tod der Untertanen zu richten.“

Dazu muss man wissen, dass in jener Zeit die „Hohe Gerichtsbarkeit“ auch der so genannte „Blutbann“ genannt wurde. Er war die Befugnis des Grundherrn, schwere Verbrechen wie Mord, Totschlag, Raub oder Brandstiftung zu verhandeln und die Todesstrafe durch Enthauptung, Verbrennung, Ertränken zu verhängen oder durch andere schwere Strafen wie Auspeitschen oder körperliche Verstümmelungen zu ahnden.

Wenn aber, so die Kurpfälzer weiter, ein Reichslehen mit derartigen tiefgreifenden Rechten wie der so genannte Blutbann vergeben werde, müsse der „Vasall“ 6), auch in Kauf nehmen, dass er gegenüber dem Lehensgeber Zeit seines Lebens verpflichtet sei. So sei es nur billig und recht, dass er ohne Widerspruch und ohne Entschädigung zur Aufnahme und Verpflegung von kurpfälzisch-bayrischen Soldaten, die auf der Rückkehr von einem Reichskrieg in seinem Dorf Quartier nehmen, bereit sein müsse; ferner habe er die Pflicht zur Bereitstellung von Wagen, Pferden und Knechten zum Transport der Bagage der Kompanie – auch dafür ohne Entschädigung. „Was wäre dazu die Alternative?“ fragen die Kurpfälzer. Und geben auch gleich die Antwort: Der Vasall  müsse doch selbst am Krieg mit eigenen „Reisigen“ 7), Wagen und Pferden teilnehmen – was ihn letztlich viel mehr kosten würde, als die hier in Rede stehende tageweise Einquartierung von fremden Soldaten.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 23600

 

Fußnoten:

1) Es handelte sich wohl um den Krieg der Kurpfalz und Bayern gegen das revolutionäre Frankreich im Jahr 1801

2) Oberland-und March-Kommissariat = Kurfürstliche Mittelbehörde mit dem Sitz in Heidelberg

3) Bagage = Gepäck

4) Requisition = Beschlagnahme durch die Armee

5) Deputierter = Abgesandter, Abgeordneter

6) Vasall = Diener, Lehensempfänger

7) Reisige = bewaffnete Knechte des Freiherrn

 

                                 34) Zugriff der Ortsherrschaft auf den Gemeindewald

 

Im Januar 1759 schrieben die beiden Eichtersheimer Bürger Johannes Castor Vogel und Gustav Wagenblass „unterthänigst und gehorsamst im Namen der ganzen Gemeind Eichtersheim“ an die „Reichshochwohlgeborene gnädige Herren“ 1) und beklagten sich dabei bitter, dass die Ortsherrschaft, die Freiherren von Venningen, sich so anmaßend verhielten, als würde der Gemeindewald ihnen gehören. In dem Brief heißt es unter anderem:

„Gnädige Herren, wir haben es bisher für unsere vornehmste Pflicht gehalten, uns gegenüber unserer Ortsherrschaft gehorsam und gefällig zu zeigen und haben es stets vermieden, als widerspenstige und zanksüchtige Unterthanen gehalten zu werden. Wir finden aber, dass wir bisher zu sehr nachgegeben haben und unsere Pflicht, die Gerechtsamen 2) der Gemeinde vor nachteiligen Eingriffen in ihre Rechte zu schützen, vernachlässigt haben. Denn wir müssen feststellen, dass unsere Ortsherrschaft willkürlich über unseren Wald disponiert und damit unser Eigentumsrecht völlig außer Acht lässt. Denn daran, dass die hiesigen Waldungen Eigentum der Gemeinde Eichtersheim sind, besteht kein Zweifel und wurde auch von der Hohen Herrschaft 3) nie in Abrede gestellt.

Die Freiherren von Venningen holen sich die schönsten Stämme aus dem Wald, bauen damit ihre Scheuer und einen Schafstall, und, sofern von dem geschlagenen Holz noch was übrig ist, verkaufen sie dieses. Man muss wissen, dass ein solch schöner Eichenstamm einen beachtlichen Wert bis zu einem Louisdor 4) haben kann, was bekanntlich den vollen Monatslohn eines Handwerkers ausmacht. Auch sind durch diese Eingriffe unsere Bürger erheblich benachteiligt, weil sie nicht einmal für ihre eigenen Häuser das nöthige Bauholz aus unseren Waldungen beschaffen können. Denn ihre Häuser sind nur aus minderwertigem Forlenbalken errichtet, so dass daran laufende Reparationen mit Bedarf an Bauholz immer wieder erforderlich sind.

Daher sehen wir die unumgängliche Nothwendigkeit, Eurer Hochfreiherrlichen Excellenz und Gnaden diese unsere Beschwerde vorzutragen. Eurer Excellenz ist sicher selbst gnädig bekannt, dass Waldungen das teuerste Kleinod sind, die eine Gemeinde besitzen kann. Man muss damit räthlich und sparsam umgehen, damit die Nachkommenschaft auch in künftigen Jahren daran partizipieren kann. Eure Excellenz sind viel zu gerecht und auf eine pflegliche Behandlung der Waldungen bedacht, dass wir uns nicht vorstellen können, dass die derzeitige Ausholzung unserer Waldungen durch den Verwalter der Ortsherrschaft mit Wissen und Genehmigung Eurer Excellenz stattfindet.“

Soweit dieser Beschwerde-Brief. In einer eiligen Depesche wurde er der Reichsritterschaft zu Heilbronn überbracht mit der „fußfälligen Bitte“, die Ortsherrschaft von Venningen von weiteren ungebührlichen Eingriffen in den Gemeindewald abzuhalten. Zugleich wurde in der Beschwerde nochmals darauf hingewiesen, dass es wohl bei der Reichsritterschaft schriftliche Unterlagen aus vergangenen Jahren geben müsse, wonach der Wald eindeutig als Eigentum der Gemeinde dargestellt sei. Die Gemeinde sei nach diesen Unterlagen nur zur Abgabe von Brennholz an die Ortsherrschaft verpflichtet, wenn und solange sie in der Gemeinde wohnen.

Die Freiherren von Venningen erfuhren von der Beschwerde und baten nun ihrerseits mit einem Schreiben vom 6. Juli 1759 die Reichsritterschaft Schwaben, Kanton Kraichgau, um rechtliche Untersuchung der Angelegenheit. Darin heißt es:

Auszug aus dem Steuerkataster 1684 der Reichsritterschaft, 

Kanton Kraichgau: „Eigene Waldungen v. Venningen: keine“

(Repro: GLA Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 23624 Bild 29)

„Reichshochwohlgeborene Herren, liebe Vettern und Schwäger. Zwischen mir und meiner untergebenen Gemeinde Eichtersheim sind seit geraumer Zeit einige Irrungen und Zwistigkeiten in Betreff des Waldnutzungsrechts entstanden, zu deren gütlichen Beilegung wohl nur ein glaubhafter Auszug aus dem Steuer-und Katasterbuch der Ritterschaft beitragen kann. Also ergeht an Euer Hochwohlgeboren mein geziemendes Ersuchen, mir die Unterlagen aus dem Katasterbuch gegen Leistung einer Gebühr zukommen zu lassen. Ihr gehorsamster und ergebenster Diener Von Venningen. “

Und so geschah es. Das Direktorium der Reichsritterschaft Schwaben, Kanton Kraichgau, zu Heilbronn prüfte die Rechtslage und stieß dabei auf einen Hinweis aus dem Steuerkataster des Jahres 1684. Dort hieß es:

„Waldungen besitzen die Freiherren von Venningen in Eichtersheim nicht. Sie stehen allein im Eigentum der Gemeinde. Allerdings hat die Gemeinde die Pflicht, die Ortsherrschaft mit Brennholz zu versorgen, aber auch nur solange, als sie am Ort wohnt. Wohnt sie nicht am Ort, entfällt diese Pflicht.“

 

 

Dieser Hinweis im Steuerkataster von 1684 war unmissverständlich. Die Rechtslage war damit geklärt und die Nutzung des Waldes in Eichtersheim stand allein der Gemeinde und ihren „Gerechtsamen“ zu.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 23624

 

Fußnoten:

  • Gemeint ist wohl die Reichsritterschaft Schwaben, Kanton Kraichgau, mit dem Sitz in Heilbronn

  • Gerechtsame = Einwohner der Gemeinde mit anerkannten Nutzungsrechten

  • Die Hohe Herrschaft = der Ritterkanton Kraichgau zu Heilbronn

  • Der Louisdor war ein Goldstück, das nach heutiger Kaufkraft einen Wert von rund 1000 Euro ausmacht

  • Extractus = Auszug

 

 

35) Zwei Pfarrer streiten sich

 

Im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts galt noch die so genannte „Zehntbarkeit“, also die Pflicht, ein Zehntel der landwirtschaftlichen Erträge aus einem Grundstück bzw. einer Wiese an die Kirche oder an den Grundherrn abzugeben. Der Zehnt war ein Überbleibsel des mittelalterlichen Feudalsystems. Er diente ursprünglich der Versorgung der Kirche, wurde später aber auch von weltlichen Grundherren eingezogen. Im Zuge der staatlichen Reformen nach der Französischen Revolution wurde der mehr und mehr als ungerecht empfundene Zehnt aufgehoben.

Vor diesem Hintergrund spielte sich zwischen den evangelischen Pfarrämtern Eichtersheim und Michelfeld bzw. zwischen den Pfarrern Hacker und Bilhuber in den Jahren 1835/1836 folgende Geschichte ab: 

Mit einem an die Großherzogliche Evangelische Dekanatsverwaltung Sinsheim gerichteten Schreiben vom 20. Mai 1835 beklagte sich Pfarrer Hacker von Eichtersheim über seinen Amtsbruder Bilhuber aus Michelfeld. Dieser würde die Zehntfreiheit einer Wiese auf Gemarkung Michelfeld, die allerdings Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde Eichtersheim war, nicht anerkennen. Weil Bilhuber den Zehnten vom Ertrag der Wiese forderte, würde damit seine (Hackers) Besoldung zu Unrecht gekürzt werden. Er – Hacker – forderte unter Darstellung des Sachverhalts von der Dekanatsverwaltung entsprechende „Verhaltungsbefehle“, gab dabei gleichzeitig zu verstehen, dass er sich nicht befugt sehe, den Rechtsweg einzuschlagen, aber doch die Pflicht habe, die Interessen seiner Kirchengemeinde zu schützen. Er wies ferner darauf hin, dass die Wiese „schon immer“ zehntfrei gewesen sei. Nun plötzlich käme der Michelfelder Pfarrer auf die Idee, den Zehnten vom Ertrag zu fordern.

Die Dekanatsverwaltung Sinsheim bemühte sich, die Streitigkeit gütlich zu beenden. Aber nachdem Pfarrer Bilhuber aus Michelfeld zu den Vorwürfen seines Amtsbruders aus Eichtersheim aus seiner Sicht Stellung bezogen hatte, war die Dekanatsverwaltung ratlos. Sie gab den Vorgang mit Schreiben vom 20. Juli 1835 an das Ministerium des Innern in Karlsruhe – Evangelische Kirchensektion – ab mit der Bitte um „hohe Entschließung“. Dazu schrieb die Dekanatsverwaltung:

„Leider ist es so, dass sich die Schreiben der beiden Pfarrer vollumfänglich widersprechen und im Ton so leidenschaftlich gehalten sind, dass eine gütliche Einigung nicht mehr zu erhoffen ist. Dies umso mehr, als die beiden Pfarrer bekanntermaßen schon seit längerer Zeit in einem unguten Verhältnis zueinander stehen.“

Die Streitigkeit wogte hin und her: Pfarrer Hacker stellte zwar die Gründe dar, welche aus seiner Sicht für die Zehntfreiheit der Wiese sprachen, behauptete aber zugleich, dass der Michelfelder Pfarrer den Beweis der Zehntpflichtigkeit der Wiese zu erbringen habe. Pfarrer Bilhuber wiederum drehte den Spieß einfach um. Er schob die Verantwortung dem Eichtersheimer Pfarrer zu, da dieser die Zehntfreiheit der Wiese zu beweisen habe.

Wie verfahren die Situation war, lässt sich aus den abschließenden Sätzen in der Vorlage der Dekanatsverwaltung vom 20. Juli 1835 an das Ministerium herauslesen: „Das hochpreisliche Ministerium wird nun um gnädigste Weisung gebeten, was in dieser Angelegenheit weiter zu tun sei. Der Unterzeichnende hegt den großen Wunsch, dass der ärgerliche Streit zwischen zwei benachbarten Kirchengemeinden durch die höhere Einwirkung aus Karlsruhe endlich beendet werden kann.“

Das Ministerium war indessen der Ansicht, dass man sich noch auf Dekanatsebene um schriftliche Nachweise (Akten, Urkunden) der Zehntfreiheit der Eichtersheimer Wiese auf Michelfelder Gemarkung bemühen sollte. Allerdings stellte sich in den Folgemonaten heraus, dass trotz intensiver Recherchen darüber keine entsprechenden Unterlagen aufzufinden waren. Damit wuchsen bei der Sinsheimer Dekanatsverwaltung die Zweifel, dass die besagte Wiese, wie behauptet, „seit Jahren“ zehntfrei gewesen sein könnte. Im Gegenteil: Es konnten Personen ausfindig gemacht werden, welche die Abgabe des Zehnten für die Wiese in den Jahren ab 1822 bezeugen konnten. Die weitere Idee, das Archiv des Ritterguts von Venningen einzusehen, um vielleicht einen entsprechenden urkundlichen Beweis zu finden, wurde letztlich verworfen. Schlussendlich schrieb die Sinsheimer Dekanatsverwaltung am 3. November 1836 an das Ministerium des Innern:

Die Entscheidung des Großherzoglichen Badischen

Innenministeriums zur Zehntpflichtigkeit der Pfarrwiese

(Repro: GLA Karlsruhe, Findbuch 229 Nr. 23589 Bild 15)

„Soll nun die Streitsache weiter geführt werden, so wäre eine gerichtliche Vernehmung der Zeugen nötig. Der Streitgegenstand scheint hingegen in Anbetracht der Mühen und Kosten, die eine Erledigung herbeiführen könnten, in der Tat nicht wert zu sein, da der jährliche Zehntertrag aus der Wiese kaum einen Gulden beträgt. Gleichwohl glaubt man nach reiflicher Überlegung die Notwendigkeit zu sehen, dass seitens des hochpreislichen Ministeriums eine abschließende Entscheidung getroffen werden sollte. Dazu stellen wir folgenden Antrag: Die Ansprüche der Pfarrei Eichtersheim auf Zehntfreiheit der Wiese sollten zurückgewiesen werden, weil sie nicht zur Genüge begründet sind. Wenn der Eichtersheimer Pfarrer glaubt, den Rechtsweg in der Sache einzuschlagen, so soll er es tun – aber auf seine Kosten.“

Das Ministerium des Innern schloss sich diesem Antrag vollumfänglich an. In der Entscheidung vom 27. Dezember 1836 hieß es:

„In Erwägung, dass die Rechtsgültigkeit der vom Pfarramt Eichtersheim vorgetragenen Zehntfreiheit besagter Wiese nach unserer Ansicht zu bezweifeln ist und diese Zweifel auch nicht durch Urkunden oder sonstige Beweise ausgeräumt werden konnten, wird das Pfarramt Eichtersheim für schuldig befunden, den jährlichen Zehnten für die Wiese an das Pfarramt Michelfeld zu entrichten. Dem Pfarrer zu Eichtersheim bleibt es überlassen, in der Streitsache vor Gericht zu gehen – allerdings auf seine Kosten.“

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 23589

 

   36) Der Beichtpfennig zu Eichtersheim

Der Beichtpfennig war im 19.Jahrundert (wie auch schon in früheren Jahrhunderten) eine kirchliche Abgabe bzw. ein kleiner Geldbetrag, den die Gläubigen im Zusammenhang mit der Lossprechung von allen Sünden (Beichte) oder dem Empfang der Heiligen Sakramente an den Pfarrer entrichteten. Diese Abgabe war nicht nur auf die Beichte innerhalb der katholischen Kirche beschränkt; auch in der lutherischen Kirche war die so genannte Beichtabsolution gegen Entgelt vor dem Abendmahl im Sinne der Bekennung der Sünden üblich. Damit war der Beichtpfennig auch in vielen evangelischen Gemeinden quasi als „Anmeldegebühr für das Abendmahl“ oder als kleine symbolische Gabe vor der Beichte etabliert.

Die Abgabe diente vor allem dazu, die Pfarrkasse oder das Einkommen des Pfarrers zu unterstützen, da dieser oft nur über bescheidene Einkünfte verfügte. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verlor der Beichtpfennig allerdings zunehmend an Bedeutung, weil er bei den beiden Amtskirchen als „käufliche Beichte“ immer mehr in Verruf geriet.

So war es der evangelische Pfarrer Hacker zu Eichtersheim, der im Einverständnis mit dem Kirchenvorstand am 29. November 1817 an das großherzogliche evangelische Spezialat1) in Sinsheim schrieb und den immer noch in seiner Gemeinde praktizierten Beichtpfennig rügte. Er bat dringend um Abschaffung dieses „Übelstandes“, da diese Abgabe von vielen Gläubigen inzwischen nicht nur als lästig, sondern sogar als „anstößig“ empfunden werde. Der Beichtpfennig werde, so der Pfarrer, üblicherweise vor der Abendmahlsfeier eingesammelt, wodurch die Andacht immer wieder empfindlich gestört werde. Und wörtlich schrieb er: „Es wäre heilsam, wenn der nach meinem Gefühl beleidigende, die Andacht störende und die heilige Religion herabwürdigende Beichtpfennig endlich abgeschafft würde.“ Verschiedene Nachbargemeinden, so der Pfarrer weiter, hätten schon die gleiche Beobachtung gemacht und den Beichtpfennig inzwischen nicht mehr geduldet. Allerdings müsse man in diesem Falle auch gewährleisten, dass der dadurch entstehende Einkommensausfall des Pfarrers auf andere Weise ausgeglichen werde. Die Nachbargemeinde Michelfeld zum Beispiel würde dem dortigen Pfarrer einen Betrag aus der Kirchenkasse von jährlich 45 Gulden als Ausgleich für den weggefallenen Beichtpfennig bewilligen.

So viel schwebte dem Pfarrer Hacker aber nicht vor. Dazu schrieb er: „Da die hiesige Seelenzahl deutlich schwächer ist als in Michelfeld, so würden mir 30 Gulden im Jahr gereichen. Zu entnehmen zur Hälfte aus dem Heiligenfonds und zur anderen Hälfte aus dem Almosenfonds der Gemeinde Eichtersheim.“  

Dazu ist festzustellen, dass in jener Zeit der Heiligenfonds und Almosenfonds bestimmte kirchliche Vermögens- und Hilfseinrichtungen waren, die vor allem dem Unterhalt der Kirche und der Armenfürsorge dienten. Der Heiligenfonds bestand aus Zuweisungen aus Stiftungen, Opfergaben, Pacht-und Zinseinnahmen, die für den Unterhalt des Altars, der Sakristei, des Kirchengeräts, sowie für Kerzen, Messwein, Hostien und kleinere Reparaturen bestimmt waren. Der Almosenfonds war ebenfalls Teil des kirchlichen Vermögens, der aber allein der Armenfürsorge diente. Er bestand aus Spenden und Kollekten, die ausschließlich für Bedürftige bestimmt waren.

Das Spezialat Sinsheim wollte nicht ohne die vorgesetzte Behörde weiter verfahren. Also legte es den Antrag des Pfarrers Hacker dem Großherzoglichen Ministerium des Innern – evangelische Kirchensektion – in Karlsruhe mit der Bitte um „hochgefällige Genehmigung“ vor. Dort war man der Ansicht, dass die Sinsheimer Behörde zunächst prüfen müsse, ob überhaupt Mittel vorhanden seien, um dem Pfarrer Hacker eine zusätzliche Besoldung von 30 Gulden jährlich zu bewilligen. „Das Spezialat Sinsheim hat sich zuvorderst einen schriftlichen Auszug aus den aktuellen Rechnungen des Heiligenfonds und des Almosenfonds geben zu lassen, um die jährlichen Einnahmen den jährlichen Ausgaben gegenüberstellen zu können. Dann ist dem Ministerium erneut zu berichten.“

Die Genehmigung der Abschaffung des Beichtpfennigs durch das Großherzogliche

Badische Innenministerium  mit Erlass vom 21. März 1818

(Repro: GLA Karlsruhe Sig. 229 Nr. 23586, Bild 11)

Die evangelische Kirchengemeinde Eichtersheim wurde daraufhin zur Vorlage der geforderten Unterlagen aufgefordert. Dies geschah und es ergab sich, dass sowohl der Heiligenfonds als auch der Almosenfonds bei Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben jeweils über einen erheblichen jährlichen Überschuss verfügen konnte. In einem Begleitschreiben zu den Zahlen schrieb dazu Pfarrer Hacker am 14. Februar 1818:  „Nach den vorstehenden Auszügen dürfte sich sehr wohl ergeben, dass die gedachte zusätzliche Besoldung des Pfarrers für den ausfallenden Beichtpfennig die finanziellen Kräfte der beiden Fonds keineswegs übersteigen, und diese damit vollkommen geeignet sind, einem wahren Übel, was der Beichtpfennig nun mal ist, abzuhelfen. Das Spezialat Sinsheim wird gebeten, die vorgelegten Zahlen an das Ministerium zur Genehmigung vorzulegen.“

Aufgrund der aus Eichtersheim vorgelegten Auszüge aus den Jahresrechnungen hatte die Evangelische Sektion beim Innenministerium in Karlsruhe letztlich keine Bedenken, der Abschaffung des Beichtpfennigs zu Eichtersheim zuzustimmen. In ihrer Verfügung vom 21. März 1818 schrieb die Sektion: „Nach den vorgelegten summarischen Auszügen über die jährlichen Einnahmen und Ausgaben des Heiligen-und Almosenfonds zu Eichtersheim ergibt sich, dass die zwischen dem evangelischen Pfarramt und dem Kirchenvorstand getroffene Übereinkunft zur Abschaffung des Beichtpfennigs bei gleichzeitiger ersatzweiser Besoldung des Pfarrers in Höhe von jährlich 30 Gulden genehmigt werden kann. Jeweils 15 Gulden haben der Heiligenfonds und der Almosenfonds zu tragen."

 

 

Damit war der Beichtpfennig bei der Evangelischen Gemeinde zu Eichtersheim nur noch Geschichte.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 23586

 

Fußnoten:

1) Spezialat – eine Verwaltungseinheit der Evangelischen Kirche im 19. Jahrhundert (frühere Bezeichnung: Evangelisches Dekanat)

 

37) Plünderungen im Schloss Kislau

In den Jahren 1798 bis 1802 war auch und im Besonderen die Gegend am Oberrhein von dem so genannten Zweiten Koalitionskrieg betroffen. Dieser Krieg war Teil der Revolutionskriege, in denen Frankreich unter Führung von Napoleon (ab 1800) gegen eine europäische Koalition zu Felde zog, u. a. gegen Österreich, Russland und Großbritannien. Um 1799 fanden in Süddeutschland und speziell am Oberrhein mehrere französische Rückzugs-und Sicherungsbewegungen statt, da französische Truppen vom Rhein her nach Süden und Osten ausweichen mussten, derweil österreichische Heere unter Erzherzog Karl von Österreich nachdrängten. Das Umland von Karlsruhe war dabei ein wichtiges Durchmarsch-und Operationsgebiet. Die zurückweichenden französischen Truppen mussten hierbei stets auf Quartiere und Verpflegung sowohl für die Soldaten als auch für die mitgeführten Pferde bedacht sein. Insbesondere boten sich dafür herrschaftliche Burgen und Schlösser an, weil dort in aller Regel genügend Schlafplätze, Proviant und Stallungen anzutreffen waren.

Vor diesem Hintergrund ist also nachvollziehbar, dass in der Nacht vom 18. Oktober 1799 französische Truppen, bestehend aus 4 Generälen, 20 Offizieren, deren Ordonanzen und etwa 200 gemeine Infanterie- und Kavalleriesoldaten das fürstbischöfliche Schloss Kislau bei Mingolsheim, etwa 30 km nordöstlich von Karlsruhe gelegen, heimsuchten.

Schloss Kislau bei Mingolsheim

Foto: Albin Herrmann

Das Schloss wurde um 1721 von Damian Hugo von Schönborn, Fürstbischof von Speyer, als Jagdschloss im barocken Stil gestaltet. Die vorher an gleicher Stelle existierende Burg, ein vom Kraichbach umgebenes Wasserschloss, war im April 1675 von französischen Truppen bis auf den großen Bergfried zerstört worden.

Das Schloss beherbergte im Jahr 1799 eine Amtskellerei des Hochstifts Speyer. Die Kellerei war eine Verwaltungs-und Wirtschaftsbehörde, die für den Fürstbischof die Finanz-und Abgabenerhebung durchführte und insbesondere die zum Fürstbistum gehörenden Güter, Höfe, Wälder und Ländereien verwaltete. 

Die Leitung der Kellerei Kislau oblag in jener Zeit dem Amtskeller Warnkönig. Er lebte dort mit seiner Frau, seinen Kindern, einem Amtsschreiber, einer Köchin und mehreren Dienstmägden. Warnkönig war allerdings über den nächtlichen Überfall weder vorgewarnt noch auf diesen auf irgendeine Weise vorbereitet.

Die französischen Truppen blieben 3 Wochen in dem Schloss, bevor sie sich zur Retirade 1) am 8. November 1799 entschlossen. In diesen 21 Tagen allerdings wurden die Bewohner und die gesamte Einrichtung des Schlosses arg gebeutelt. Nicht nur, dass alles, was das Schloss an Essen und Trinken anbieten konnte, restlos vertilgt wurde. Sondern es wurde beim Rückzug von den Soldaten mitgenommen, was nicht gerade niet-und nagelfest war. Bereits im April 1800 erstellte der Amtskeller für die vorgesetzte Behörde, die fürstbischöfliche Hof-und Rentkammer in Bruchsal, ein Verzeichnis der Gegenstände, die den Plünderern zum Opfer gefallen waren. Dazu schrieb er:

 

Mir selbst wurde gestohlen:

  • 1 blauer Wams mit Perlmuttknöpfen
  • 10 Hemden
  • 3 baumwollene Kappen
  • 3 Paar Schuhe
  • 1 feines englisches Schermesser mit Futteraal
  • 1 Paar silberne Schnallen
  • 7 Paar leinene Strümpfe

 

Meiner Frau wurde gestohlen:

  • 1 schwarzer Pelzmantel
  • 1 weißes Kleid
  • 1 brauner Rock
  • 1 blauer Rock
  • 1 gestrickte Haube mit Spitzen besetzt
  • 6 Halstücher
  • 8 Schnupftücher
  • 4 Paar Strümpfe
  • 3 Bettüberzüge
  • 8 Kissenbezüge

 

Meinem Schreiber wurde gestohlen:

  • 2 Paar Stiefel
  • 2 Hemden
  • 2 Paar Strümpfe
  • 1 neuer Hut
  • 1 seidenes Halstuch
  • 1 Paar Handschuhe
  • 1 hirschlederne Hose
  • 3 Gulden aus dem Geldbeutel

 

Meiner Köchin wurde gestohlen:

  • 6 Hemden
  • 5 Halstücher
  • 2 Paar neue Schuhe
  • 2 Paar schon getragene Schuhe
  • 7 Paar Strümpfe
  • 1 gelber Rock

 

Außerdem, so der Amtskeller, seien ihm 9 Gänse aus dem Stall geholt und verzehrt worden. Vom Wein in den Fässern und von dem eingelagerten Obst sei auch nichts mehr übrig. In der Scheune sei das dort gelagerte Heu, ebenso der Hafer, von den vielen Pferden aufgebraucht. Die Fußböden in allen Zimmern seien durch Stiefel und Sporen ruiniert, ebenso alle notwendigen Gerätschaften in Küche und Keller. Insgesamt machte er gegenüber der fürstbischöflichen Hof-und Rentkammer Auslagen für Kost und Logis für die Soldaten sowie Futter für die Pferde von 529 Gulden und 28 Kreuzer geltend. Hinzu kam ein Plünderungs-und Diebstahlschaden von 324 Gulden und 9 Kreuzer.

Nun allerdings hatte der Amtskeller Warnkönig das Pech, dass gerade in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts das Hochstift Speyer im Zuge der Säkularisation 1803 durch den Reichsdeputationsbeschluss vom 25. Februar 1803 aufgelöst wurde. Der größte Teil des Hochstifts wurde dem neuen Großherzogtum Baden zugeschlagen. Damit endete auch die Existenz der seitherigen fürstbischöflichen Hof-und Rentkammer in Bruchsal mit der Folge, dass sein Antrag auf Ersatz der Auslagen und des Schadens, der durch den Franzoseneinfall vom Oktober 1799 bei der Amtskellerei Kislau verursacht wurde, in Bruchsal mehr als 3 Jahre unbeantwortet liegen blieb.

Warnkönig ließ aber nicht locker. In einem geharnischten, mehrseitigen Brief schrieb er am 18. März 1803 an die „Hochfürstliche Badische Interimistische Hof-und Rentkammer in Mannheim“, die inzwischen an die Stelle der fürstbischöflichen Hof-und Rentkammer in Bruchsal getreten war. Er beklagte sich darin bitter, dass er auf seinen Antrag auf Schadenersatz bis dato keine Entscheidung erhalten habe. Lediglich sei ihm in einem kurzen Brief im Oktober 1800 „ungnädig“ erwidert worden, dass er seine Forderung beruhen lassen solle, bis über das Schicksal des Hochstifts Speyer endgültig entschieden worden sei. Dazu schrieb der Amtskeller:

„Eine solche Antwort war für mich weit schmerzlicher als alle Schrecken, Ängste und Misshandlungen, die ich, meine Familie und meine Dienerschaft während der französischen Einquartierung erleben mussten. Obwohl ich alles getan habe, um den Schaden für meine Herrschaft 2) so gering wie möglich zu halten, bekam ich von dort keinerlei Hilfe. Ich war von Rat und Tat seitens der Herrschaft völlig abgeschnitten. Im Gegenteil: Mir und meiner Dienerschaft wurde Kassation 3) aus dem Dienst angedroht, falls wir uns erlauben sollten, in Anbetracht der französischen Einquartierung unsere Stelle zu verlassen. So war ich allein auf mich gestellt, als es galt, die Franzosen täglich mit Speise und Trank und allem möglichen Tischzeug wie Messern, Gabeln, Zinnbecher, Tischtüchern und Servietten zu versorgen. Man hat sich also seitens der Herrschaft ganz auf den Amtskeller verlassen und somit mich, meine Familie und die gesamte Dienerschaft der Willkür der Franzosen preisgegeben. Wir alle wurden von den Soldaten ständig mit Flüchen beschimpft und bei Tag und bei Nacht herumgestoßen. Meine Frau wurde durch einen Säbelhieb verletzt. Nur einem freundlichen französischen Offizier mit Namen d‘Hillier war es zu verdanken, dass sie zusammen mit den Kindern in der Nacht nach Bruchsal zur ärztlichen Behandlung und zur Verhütung weiterer Misshandlungen verbracht werden konnte.“

Besonders beklagte sich Warnkönig darüber, dass man die Höhe seiner Forderung zum Ersatz des eingetretenen Schadens bei der Obrigkeit in Zweifel zog, statt ihn, seinen Schreiber und seine Dienerschaft für den besonderen Fleiß, Treue und Redlichkeit während der französischen Einquartierung zu belohnen.

Die „neue Obrigkeit“ für die Amtskellerei Kislau und damit die zuständige Behörde für die Regulierung der Schadenersatzforderung des Amtskellers Warnkönig war inzwischen das „Kurbadische Hofratskollegium in Mannheim“. Dort war man nicht sehr erbaut von den Vorstellungen des Supplicanten 4). Eine besondere Belohnung für die bei der Einquartierung der französischen Truppen erlittenen „Unbilden und Nachteile“ war nach Landesrecht nicht vorgesehen und gab es demnach nicht. Man war im Übrigen der Auffassung, dass ein Großteil der eingetretenen Kosten und Schäden an Haus, Keller und Einrichtungen von der Grafschaft zu übernehmen sei, da die lokale Einquartierung der französischen Truppen im Schloss Kislau eine direkte Folge der Koalitionskriege sei, somit alle entstandenen Kosten als Kriegsreparationen zu betrachten und nach den gesetzlichen Bestimmungen von der jeweiligen Grundherrschaft zu tragen seien.

Der Plünderungs- bzw. Diebstahlschaden in Höhe von 324 Gulden und 9 Kreuzer wurde dagegen der Kellerei als „Celsissimo“ 5) teilweise ersetzt, nämlich dem Amtskeller zu 100 Gulden, dem Schreiber zu 33 Gulden und seiner Köchin zu 25 Gulden.

 

Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe Findbuch 229 Nr. 53895

 

Fußnoten:

1) Retirade = Truppenrückzug

2) Herrschaft = in jener Zeit: Fürstbischof Philipp Franz Wilderich, vertreten durch die Hof-und Rentkammer in Bruchsal

3) Kassation = Entlassung aus dem Dienst

4) Supplicanten = Bittsteller, Antragsteller

5) Celsissimo = gnadenhalber, ohne Rechtsanspruch

 

 

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